der Andere, "die Bauern sind mir grade die Liebsten, die wissen am Besten wo einen der Schuh drückt, und nehmens nicht so genau, wenn man manchmal eine falsche Note bläst." -- "Das macht, Du hast kein point d'honneur," versetzte der Waldhornist, "odi profa¬ num vulgus et arceo, sagt der Lateiner." -- "Nun, Kirchen aber muß es auf der Tour doch geben," meinte der Dritte, "so kehren wir bei den Herren Pfarrern ein." -- "Gehorsamster Diener!" sagte der Waldhor¬ nist, "die geben kleines Geld und große Sermone, daß wir nicht so unnütz in der Welt herumschweifen, son¬ dern uns besser auf die Wissenschaften appliciren sollen, besonders wenn sie in mir den künftigen Herrn Kon¬ frater wittern. Nein, nein, Clericus clericum non decimat. Aber was giebt es denn da überhaupt für große Noth? die Herren Professoren sitzen auch noch im Karlsbade, und halten selbst den Tag nicht so ge¬ nau ein." -- "Ja, distinguendum est inter et inter," erwiederte der Andere, "quod licet Jovi, non licet bovi!"
Ich aber merkte nun, daß es Prager Studenten waren, und bekam einen ordentlichen Respekt vor ih¬ nen, besonders da ihnen das Latein nur so wie Wasser vom Munde floß. -- "Ist der Herr auch ein Studirter?" fragte mich darauf der Waldhornist. Ich erwiederte be¬ scheiden, daß ich immer besondere Lust zum studieren, aber kein Geld gehabt hätte. -- "Das thut gar nichts," rief der Waldhornist, "wir haben auch weder Geld, noch reiche Freundschaft. Aber ein gescheuter Kopf
der Andere, „die Bauern ſind mir grade die Liebſten, die wiſſen am Beſten wo einen der Schuh druͤckt, und nehmens nicht ſo genau, wenn man manchmal eine falſche Note blaͤſt.“ — „Das macht, Du haſt kein point d'honneur,“ verſetzte der Waldhorniſt, „odi profa¬ num vulgus et arceo, ſagt der Lateiner.“ — „Nun, Kirchen aber muß es auf der Tour doch geben,“ meinte der Dritte, „ſo kehren wir bei den Herren Pfarrern ein.“ — „Gehorſamſter Diener!“ ſagte der Waldhor¬ niſt, „die geben kleines Geld und große Sermone, daß wir nicht ſo unnuͤtz in der Welt herumſchweifen, ſon¬ dern uns beſſer auf die Wiſſenſchaften appliciren ſollen, beſonders wenn ſie in mir den kuͤnftigen Herrn Kon¬ frater wittern. Nein, nein, Clericus clericum non decimat. Aber was giebt es denn da uͤberhaupt fuͤr große Noth? die Herren Profeſſoren ſitzen auch noch im Karlsbade, und halten ſelbſt den Tag nicht ſo ge¬ nau ein.“ — „Ja, distinguendum est inter et inter,“ erwiederte der Andere, „quod licet Jovi, non licet bovi!“
Ich aber merkte nun, daß es Prager Studenten waren, und bekam einen ordentlichen Respekt vor ih¬ nen, beſonders da ihnen das Latein nur ſo wie Waſſer vom Munde floß. — „Iſt der Herr auch ein Studirter?“ fragte mich darauf der Waldhorniſt. Ich erwiederte be¬ ſcheiden, daß ich immer beſondere Luſt zum ſtudieren, aber kein Geld gehabt haͤtte. — „Das thut gar nichts,“ rief der Waldhorniſt, „wir haben auch weder Geld, noch reiche Freundſchaft. Aber ein geſcheuter Kopf
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der Andere, „die Bauern ſind mir grade die Liebſten,
die wiſſen am Beſten wo einen der Schuh druͤckt, und
nehmens nicht ſo genau, wenn man manchmal eine
falſche Note blaͤſt.“ — „Das macht, Du haſt kein point
d'honneur,“ verſetzte der Waldhorniſt, „odi profa¬
num vulgus et arceo, ſagt der Lateiner.“ — „Nun,
Kirchen aber muß es auf der Tour doch geben,“ meinte
der Dritte, „ſo kehren wir bei den Herren Pfarrern
ein.“ — „Gehorſamſter Diener!“ ſagte der Waldhor¬
niſt, „die geben kleines Geld und große Sermone, daß
wir nicht ſo unnuͤtz in der Welt herumſchweifen, ſon¬
dern uns beſſer auf die Wiſſenſchaften appliciren ſollen,
beſonders wenn ſie in mir den kuͤnftigen Herrn Kon¬
frater wittern. Nein, nein, Clericus clericum non
decimat. Aber was giebt es denn da uͤberhaupt fuͤr
große Noth? die Herren Profeſſoren ſitzen auch noch
im Karlsbade, und halten ſelbſt den Tag nicht ſo ge¬
nau ein.“ — „Ja, distinguendum est inter et inter,“
erwiederte der Andere, „quod licet Jovi, non licet
bovi!“
Ich aber merkte nun, daß es Prager Studenten
waren, und bekam einen ordentlichen Respekt vor ih¬
nen, beſonders da ihnen das Latein nur ſo wie Waſſer
vom Munde floß. — „Iſt der Herr auch ein Studirter?“
fragte mich darauf der Waldhorniſt. Ich erwiederte be¬
ſcheiden, daß ich immer beſondere Luſt zum ſtudieren,
aber kein Geld gehabt haͤtte. — „Das thut gar nichts,“
rief der Waldhorniſt, „wir haben auch weder Geld,
noch reiche Freundſchaft. Aber ein geſcheuter Kopf
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Im Unterschied zur Novelle „Aus dem Leben eines T… [mehr]
Im Unterschied zur Novelle „Aus dem Leben eines Taugenichts“ erschien die Novelle „Das Marmorbild“ erstmalig 1819 im „Frauentaschenbuch für das Jahr 1819“ herausgegeben von Friedrich de La Motte-Fouqué.
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Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_taugenichts_1826/122>, abgerufen am 14.08.2024.
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