läutete es zur Messe, daß die Klänge über dem Ge¬ wühle wunderbar in der klaren Luft durcheinander hallten. Ich war wie betrunken von Freude und von dem Rumor, und rannte in meiner Fröhlichkeit im¬ mer grade fort, bis ich zuletzt gar nicht mehr wußte, wo ich stand. Es war wie verzaubert, als wäre der stille Platz mit dem Brunnen, und der Garten, und das Haus bloß ein Traum gewesen, und beim hellen Tageslicht alles wieder von der Erde verschwunden.
Fragen konnte ich nicht, denn ich wußte den Na¬ men des Platzes nicht. Endlich fing es auch an sehr schwül zu werden, die Sonnenstrahlen schossen recht wie sengende Pfeile auf das Pflaster, die Leute verkro¬ chen sich in die Häuser, die Jalousien wurden überall wieder zugemacht, und es war auf einmal wie ausge¬ storben auf den Straßen. Ich warf mich zuletzt ganz verzweifelt vor einem großen schönen Hause hin, vor dem ein Balkon mit Säulen breiten Schatten warf, und betrachtete bald die stille Stadt, die in der plötz¬ lichen Einsamkeit bei heller Mittagstunde ordentlich schauerlich aussah, bald wieder den tiefblauen, ganz wolkenlosen Himmel, bis ich endlich vor großer Er¬ müdung gar einschlummerte. Da träumte mir, ich läge bei meinem Dorfe auf einer einsamen grünen Wiese, ein warmer Sommerregen sprühte und glänzte in der Sonne, die so eben hinter den Bergen unter¬ ging, und wie die Regentropfen auf den Rasen fielen, waren es lauter schöne bunte Blumen, so daß ich da¬ von ganz überschüttet war.
laͤutete es zur Meſſe, daß die Klaͤnge uͤber dem Ge¬ wuͤhle wunderbar in der klaren Luft durcheinander hallten. Ich war wie betrunken von Freude und von dem Rumor, und rannte in meiner Froͤhlichkeit im¬ mer grade fort, bis ich zuletzt gar nicht mehr wußte, wo ich ſtand. Es war wie verzaubert, als waͤre der ſtille Platz mit dem Brunnen, und der Garten, und das Haus bloß ein Traum geweſen, und beim hellen Tageslicht alles wieder von der Erde verſchwunden.
Fragen konnte ich nicht, denn ich wußte den Na¬ men des Platzes nicht. Endlich fing es auch an ſehr ſchwuͤl zu werden, die Sonnenſtrahlen ſchoſſen recht wie ſengende Pfeile auf das Pflaſter, die Leute verkro¬ chen ſich in die Haͤuſer, die Jalouſien wurden uͤberall wieder zugemacht, und es war auf einmal wie ausge¬ ſtorben auf den Straßen. Ich warf mich zuletzt ganz verzweifelt vor einem großen ſchoͤnen Hauſe hin, vor dem ein Balkon mit Saͤulen breiten Schatten warf, und betrachtete bald die ſtille Stadt, die in der ploͤtz¬ lichen Einſamkeit bei heller Mittagſtunde ordentlich ſchauerlich ausſah, bald wieder den tiefblauen, ganz wolkenloſen Himmel, bis ich endlich vor großer Er¬ muͤdung gar einſchlummerte. Da traͤumte mir, ich laͤge bei meinem Dorfe auf einer einſamen gruͤnen Wieſe, ein warmer Sommerregen ſpruͤhte und glaͤnzte in der Sonne, die ſo eben hinter den Bergen unter¬ ging, und wie die Regentropfen auf den Raſen fielen, waren es lauter ſchoͤne bunte Blumen, ſo daß ich da¬ von ganz uͤberſchuͤttet war.
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laͤutete es zur Meſſe, daß die Klaͤnge uͤber dem Ge¬
wuͤhle wunderbar in der klaren Luft durcheinander
hallten. Ich war wie betrunken von Freude und von
dem Rumor, und rannte in meiner Froͤhlichkeit im¬
mer grade fort, bis ich zuletzt gar nicht mehr wußte,
wo ich ſtand. Es war wie verzaubert, als waͤre der
ſtille Platz mit dem Brunnen, und der Garten, und
das Haus bloß ein Traum geweſen, und beim hellen
Tageslicht alles wieder von der Erde verſchwunden.
Fragen konnte ich nicht, denn ich wußte den Na¬
men des Platzes nicht. Endlich fing es auch an ſehr
ſchwuͤl zu werden, die Sonnenſtrahlen ſchoſſen recht
wie ſengende Pfeile auf das Pflaſter, die Leute verkro¬
chen ſich in die Haͤuſer, die Jalouſien wurden uͤberall
wieder zugemacht, und es war auf einmal wie ausge¬
ſtorben auf den Straßen. Ich warf mich zuletzt ganz
verzweifelt vor einem großen ſchoͤnen Hauſe hin, vor
dem ein Balkon mit Saͤulen breiten Schatten warf,
und betrachtete bald die ſtille Stadt, die in der ploͤtz¬
lichen Einſamkeit bei heller Mittagſtunde ordentlich
ſchauerlich ausſah, bald wieder den tiefblauen, ganz
wolkenloſen Himmel, bis ich endlich vor großer Er¬
muͤdung gar einſchlummerte. Da traͤumte mir, ich
laͤge bei meinem Dorfe auf einer einſamen gruͤnen
Wieſe, ein warmer Sommerregen ſpruͤhte und glaͤnzte
in der Sonne, die ſo eben hinter den Bergen unter¬
ging, und wie die Regentropfen auf den Raſen fielen,
waren es lauter ſchoͤne bunte Blumen, ſo daß ich da¬
von ganz uͤberſchuͤttet war.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Im Unterschied zur Novelle „Aus dem Leben eines T… [mehr]
Im Unterschied zur Novelle „Aus dem Leben eines Taugenichts“ erschien die Novelle „Das Marmorbild“ erstmalig 1819 im „Frauentaschenbuch für das Jahr 1819“ herausgegeben von Friedrich de La Motte-Fouqué.
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Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_taugenichts_1826/102>, abgerufen am 17.02.2025.
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