Eichendorff, Joseph von: Die Glücksritter. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 87–159. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.wie man ihn mit Recht genannt hat, fester gezeichnet, als bei seinen Vorgängern; doch gelangt man auch bei ihm vor lauter "Waldesrauschen," "Brunnenplätschern" und "Posthornschmettern" nicht zu eigentlicher Wirklichkeit. Darum fühlt man sich am wohlsten in seinen humoristischen Gebilden, denn der Humor gestattet das Schattenspiel, und die übermüthige Heiterkeit dieser Gebilde verbreitet ein Behagen, das keinen Widerspruch aufkommen läßt. Wer sollte es glauben, daß in einem so ehren- und charakterfesten Geschäftsmanne ein so liebenswürdiger "Taugenichts" steckte, der consequenterweise sich selbst, als "Philister," den Krieg hätte erklären sollen! Aber es ist ein unschuldiges Ausruhen von des Tages Last und Hitze, das im Gedanken, wie lustig es wäre, so durch die Welt kommen zu können, die Wirklichkeit in ein buntes Märchen verwandelt, in welchem der Zufall von der ersten Station zur letzten die Zügel führt, Berg und Thal zusammenkommen und nichts mehr unmöglich scheint. Diese Art Erfindung verfährt wie der Traum, der uns z. B. in einen Wald versetzt und uns dabei zufällig an einen entfernten Freund erinnert: im gleichen Augenblicke, wo wir desselben gedenken, tritt er auch schon hinter dem nächsten Baume hervor. Da jedoch diese an das Märchenhafte grenzenden Zufälle, in die Gegenwart versetzt, den Eindruck der Unglaublichkeit stärker hervorrufen, so ist der Dichter vielleicht noch glücklicher gewesen, indem er die innerlich verwandte Erzählung "Die Glücksritter" in eine ferne wirre Zeit zurück verlegte, in welcher es mit Schicksalswechseln und Abenteuern im Großen und Kleinen so bunt über Eck ging, daß man bei einem daraus herausgegriffenen Bilde auch ein bischen viel Unwahrscheinlichkeit mit in den Kauf nehmen mag: in die Zeit zwischen dem dreißigjährigen Krieg und dem westphälischen Frieden, wie die schulmäßig geläufigen Zeitangaben schnakisch gewendet lauten, die in dieser Form wie man ihn mit Recht genannt hat, fester gezeichnet, als bei seinen Vorgängern; doch gelangt man auch bei ihm vor lauter „Waldesrauschen,“ „Brunnenplätschern“ und „Posthornschmettern“ nicht zu eigentlicher Wirklichkeit. Darum fühlt man sich am wohlsten in seinen humoristischen Gebilden, denn der Humor gestattet das Schattenspiel, und die übermüthige Heiterkeit dieser Gebilde verbreitet ein Behagen, das keinen Widerspruch aufkommen läßt. Wer sollte es glauben, daß in einem so ehren- und charakterfesten Geschäftsmanne ein so liebenswürdiger „Taugenichts“ steckte, der consequenterweise sich selbst, als „Philister,“ den Krieg hätte erklären sollen! Aber es ist ein unschuldiges Ausruhen von des Tages Last und Hitze, das im Gedanken, wie lustig es wäre, so durch die Welt kommen zu können, die Wirklichkeit in ein buntes Märchen verwandelt, in welchem der Zufall von der ersten Station zur letzten die Zügel führt, Berg und Thal zusammenkommen und nichts mehr unmöglich scheint. Diese Art Erfindung verfährt wie der Traum, der uns z. B. in einen Wald versetzt und uns dabei zufällig an einen entfernten Freund erinnert: im gleichen Augenblicke, wo wir desselben gedenken, tritt er auch schon hinter dem nächsten Baume hervor. Da jedoch diese an das Märchenhafte grenzenden Zufälle, in die Gegenwart versetzt, den Eindruck der Unglaublichkeit stärker hervorrufen, so ist der Dichter vielleicht noch glücklicher gewesen, indem er die innerlich verwandte Erzählung „Die Glücksritter“ in eine ferne wirre Zeit zurück verlegte, in welcher es mit Schicksalswechseln und Abenteuern im Großen und Kleinen so bunt über Eck ging, daß man bei einem daraus herausgegriffenen Bilde auch ein bischen viel Unwahrscheinlichkeit mit in den Kauf nehmen mag: in die Zeit zwischen dem dreißigjährigen Krieg und dem westphälischen Frieden, wie die schulmäßig geläufigen Zeitangaben schnakisch gewendet lauten, die in dieser Form <TEI> <text> <front> <div type="preface"> <p><pb facs="#f0007"/> wie man ihn mit Recht genannt hat, fester gezeichnet, als bei seinen Vorgängern; doch gelangt man auch bei ihm vor lauter „Waldesrauschen,“ „Brunnenplätschern“ und „Posthornschmettern“ nicht zu eigentlicher Wirklichkeit. 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B. in einen Wald versetzt und uns dabei zufällig an einen entfernten Freund erinnert: im gleichen Augenblicke, wo wir desselben gedenken, tritt er auch schon hinter dem nächsten Baume hervor.</p><lb/> <p>Da jedoch diese an das Märchenhafte grenzenden Zufälle, in die Gegenwart versetzt, den Eindruck der Unglaublichkeit stärker hervorrufen, so ist der Dichter vielleicht noch glücklicher gewesen, indem er die innerlich verwandte Erzählung „Die Glücksritter“ in eine ferne wirre Zeit zurück verlegte, in welcher es mit Schicksalswechseln und Abenteuern im Großen und Kleinen so bunt über Eck ging, daß man bei einem daraus herausgegriffenen Bilde auch ein bischen viel Unwahrscheinlichkeit mit in den Kauf nehmen mag: in die Zeit zwischen dem dreißigjährigen Krieg und dem westphälischen Frieden, wie die schulmäßig geläufigen Zeitangaben schnakisch gewendet lauten, die in dieser Form<lb/></p> </div> </front> </text> </TEI> [0007]
wie man ihn mit Recht genannt hat, fester gezeichnet, als bei seinen Vorgängern; doch gelangt man auch bei ihm vor lauter „Waldesrauschen,“ „Brunnenplätschern“ und „Posthornschmettern“ nicht zu eigentlicher Wirklichkeit. Darum fühlt man sich am wohlsten in seinen humoristischen Gebilden, denn der Humor gestattet das Schattenspiel, und die übermüthige Heiterkeit dieser Gebilde verbreitet ein Behagen, das keinen Widerspruch aufkommen läßt.
Wer sollte es glauben, daß in einem so ehren- und charakterfesten Geschäftsmanne ein so liebenswürdiger „Taugenichts“ steckte, der consequenterweise sich selbst, als „Philister,“ den Krieg hätte erklären sollen! Aber es ist ein unschuldiges Ausruhen von des Tages Last und Hitze, das im Gedanken, wie lustig es wäre, so durch die Welt kommen zu können, die Wirklichkeit in ein buntes Märchen verwandelt, in welchem der Zufall von der ersten Station zur letzten die Zügel führt, Berg und Thal zusammenkommen und nichts mehr unmöglich scheint. Diese Art Erfindung verfährt wie der Traum, der uns z. B. in einen Wald versetzt und uns dabei zufällig an einen entfernten Freund erinnert: im gleichen Augenblicke, wo wir desselben gedenken, tritt er auch schon hinter dem nächsten Baume hervor.
Da jedoch diese an das Märchenhafte grenzenden Zufälle, in die Gegenwart versetzt, den Eindruck der Unglaublichkeit stärker hervorrufen, so ist der Dichter vielleicht noch glücklicher gewesen, indem er die innerlich verwandte Erzählung „Die Glücksritter“ in eine ferne wirre Zeit zurück verlegte, in welcher es mit Schicksalswechseln und Abenteuern im Großen und Kleinen so bunt über Eck ging, daß man bei einem daraus herausgegriffenen Bilde auch ein bischen viel Unwahrscheinlichkeit mit in den Kauf nehmen mag: in die Zeit zwischen dem dreißigjährigen Krieg und dem westphälischen Frieden, wie die schulmäßig geläufigen Zeitangaben schnakisch gewendet lauten, die in dieser Form
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