Eichendorff, Joseph von: Die Glücksritter. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 87–159. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.6. Viel Lärm um Nichts. Währenddeß ruhte schon Alles im Schloß, nur Klarinett konnte vor den vielen schlagenden Nachtigallen im Garten nicht einschlafen. Der Mond schien hell durchs ganze Zimmer, manchmal bewegte die Zugluft die alten Tapeten, und wo sie zerrissen, waren auf den kahlen Wänden, dem Stammbuch müßiger Soldaten, überall Gesichter und Figuren ungeschickt mit Kohle gemalt. Seitwärts, in einen weiten damastenen Schlafrock gehüllt, saß er auf dem schweren Himmelbett, an dem Himmel und Betten fehlten, und dachte über seine immer näher heranrückende Vermählung nach. -- Jetzt öffnete er ungeduldig ein Fenster, der frische Waldhauch wehte ihn plötzlich über die Dächer an, da war's, als wollten die rauschenden Wipfel ihn an ein Lied erinnern, das er früher gar oft in solcher nächtlichen Einsamkeit gesungen. Er besann sich lange, dann stimmte er, halb singend, halb sprechend, leise vor sich an: Es ist ein Klang gekommen Herüber durch die Luft. Die Weise wollte ihm durchaus nicht einfallen -- Der Wind hat's gebracht und genommen -- Er ärgerte sich, daß er hier Alles verlernt, was ihm sonst lieb gewesen, es wurde ihm so heiß und angst, er schob's auf den ungewohnten Ungarwein und 6. Viel Lärm um Nichts. Währenddeß ruhte schon Alles im Schloß, nur Klarinett konnte vor den vielen schlagenden Nachtigallen im Garten nicht einschlafen. Der Mond schien hell durchs ganze Zimmer, manchmal bewegte die Zugluft die alten Tapeten, und wo sie zerrissen, waren auf den kahlen Wänden, dem Stammbuch müßiger Soldaten, überall Gesichter und Figuren ungeschickt mit Kohle gemalt. Seitwärts, in einen weiten damastenen Schlafrock gehüllt, saß er auf dem schweren Himmelbett, an dem Himmel und Betten fehlten, und dachte über seine immer näher heranrückende Vermählung nach. — Jetzt öffnete er ungeduldig ein Fenster, der frische Waldhauch wehte ihn plötzlich über die Dächer an, da war's, als wollten die rauschenden Wipfel ihn an ein Lied erinnern, das er früher gar oft in solcher nächtlichen Einsamkeit gesungen. Er besann sich lange, dann stimmte er, halb singend, halb sprechend, leise vor sich an: Es ist ein Klang gekommen Herüber durch die Luft. Die Weise wollte ihm durchaus nicht einfallen — Der Wind hat's gebracht und genommen — Er ärgerte sich, daß er hier Alles verlernt, was ihm sonst lieb gewesen, es wurde ihm so heiß und angst, er schob's auf den ungewohnten Ungarwein und <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="5"> <pb facs="#f0067"/> </div> <div type="chapter" n="6"> <head>6. Viel Lärm um Nichts.</head> <p>Währenddeß ruhte schon Alles im Schloß, nur Klarinett konnte vor den vielen schlagenden Nachtigallen im Garten nicht einschlafen. Der Mond schien hell durchs ganze Zimmer, manchmal bewegte die Zugluft die alten Tapeten, und wo sie zerrissen, waren auf den kahlen Wänden, dem Stammbuch müßiger Soldaten, überall Gesichter und Figuren ungeschickt mit Kohle gemalt. Seitwärts, in einen weiten damastenen Schlafrock gehüllt, saß er auf dem schweren Himmelbett, an dem Himmel und Betten fehlten, und dachte über seine immer näher heranrückende Vermählung nach. — Jetzt öffnete er ungeduldig ein Fenster, der frische Waldhauch wehte ihn plötzlich über die Dächer an, da war's, als wollten die rauschenden Wipfel ihn an ein Lied erinnern, das er früher gar oft in solcher nächtlichen Einsamkeit gesungen. Er besann sich lange, dann stimmte er, halb singend, halb sprechend, leise vor sich an:</p><lb/> <lg type="poem"> <l>Es ist ein Klang gekommen</l><lb/> <l>Herüber durch die Luft.</l><lb/> </lg> <p>Die Weise wollte ihm durchaus nicht einfallen —</p><lb/> <lg type="poem"> <l>Der Wind hat's gebracht und genommen —</l><lb/> </lg> <p>Er ärgerte sich, daß er hier Alles verlernt, was ihm sonst lieb gewesen, es wurde ihm so heiß und angst, er schob's auf den ungewohnten Ungarwein und<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0067]
6. Viel Lärm um Nichts. Währenddeß ruhte schon Alles im Schloß, nur Klarinett konnte vor den vielen schlagenden Nachtigallen im Garten nicht einschlafen. Der Mond schien hell durchs ganze Zimmer, manchmal bewegte die Zugluft die alten Tapeten, und wo sie zerrissen, waren auf den kahlen Wänden, dem Stammbuch müßiger Soldaten, überall Gesichter und Figuren ungeschickt mit Kohle gemalt. Seitwärts, in einen weiten damastenen Schlafrock gehüllt, saß er auf dem schweren Himmelbett, an dem Himmel und Betten fehlten, und dachte über seine immer näher heranrückende Vermählung nach. — Jetzt öffnete er ungeduldig ein Fenster, der frische Waldhauch wehte ihn plötzlich über die Dächer an, da war's, als wollten die rauschenden Wipfel ihn an ein Lied erinnern, das er früher gar oft in solcher nächtlichen Einsamkeit gesungen. Er besann sich lange, dann stimmte er, halb singend, halb sprechend, leise vor sich an:
Es ist ein Klang gekommen
Herüber durch die Luft.
Die Weise wollte ihm durchaus nicht einfallen —
Der Wind hat's gebracht und genommen —
Er ärgerte sich, daß er hier Alles verlernt, was ihm sonst lieb gewesen, es wurde ihm so heiß und angst, er schob's auf den ungewohnten Ungarwein und
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Zitationshilfe: | Eichendorff, Joseph von: Die Glücksritter. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 87–159. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_gluecksritter_1910/67>, abgerufen am 17.02.2025. |