Eichendorff, Joseph von: Die Glücksritter. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 87–159. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.witterregen. Und so ließ er denn auch Alles gut sein und wollte mit Grübeln das Glück nicht versuchen, das ihm so unversehens über den Kopf gewachsen. Dem Suppius aber ging es über den seinigen weg, ohne daß er's merkte. Jeden Morgen putzte er sich, mit Rath und Beistand des muthwilligen Klarinett, auf das Sorgfältigste heraus und probirte vor dem Wandspiegel insgeheim artige Stellungen. Aber bis zu Mittag war doch Alles wieder schief und verschoben, das vornehme Kleid der guten Lebensart saß ihm, als wär' er in der Eile mit einem Arm in den falschen Aermel gefahren. Manchmal fielen ihm auch plötzlich die Wissenschaften wieder ein, da erschrak er sehr und verwünschte alle Abenteuer, die er doch immer selber wieder anzettelte. Dann ergriff er hastig das dicke Buch, das in der Tasche seines Serenadenrockes mitgekommen, damit setzte er sich in die abgelegensten Winkel des Gartens ins Gras und schlug das Kapitel auf, wo er in Halle stehen geblieben. Aber der alte Ungarwein aus dem Schloßkeller war stärker als er, der ließ die Buchstaben auf magyarisch vor ihm tanzen und drückte ihm jedesmal die Augen zu und die Nase ins Buch. Und wenn er aufwachte, steckte zu seinem Erstaunen das Zeichen im Buch immer beim unrechten Paragraphen, auch glaubte er auf dem Rasen Spuren von Damenschuhen zu bemerken, als hätten ihn Elfen im Schlafe besucht; ja das Einemal lag, statt des Zeichens, ein ganzer Strauß brennender Liebe zwischen den Blättern. witterregen. Und so ließ er denn auch Alles gut sein und wollte mit Grübeln das Glück nicht versuchen, das ihm so unversehens über den Kopf gewachsen. Dem Suppius aber ging es über den seinigen weg, ohne daß er's merkte. Jeden Morgen putzte er sich, mit Rath und Beistand des muthwilligen Klarinett, auf das Sorgfältigste heraus und probirte vor dem Wandspiegel insgeheim artige Stellungen. Aber bis zu Mittag war doch Alles wieder schief und verschoben, das vornehme Kleid der guten Lebensart saß ihm, als wär' er in der Eile mit einem Arm in den falschen Aermel gefahren. Manchmal fielen ihm auch plötzlich die Wissenschaften wieder ein, da erschrak er sehr und verwünschte alle Abenteuer, die er doch immer selber wieder anzettelte. Dann ergriff er hastig das dicke Buch, das in der Tasche seines Serenadenrockes mitgekommen, damit setzte er sich in die abgelegensten Winkel des Gartens ins Gras und schlug das Kapitel auf, wo er in Halle stehen geblieben. Aber der alte Ungarwein aus dem Schloßkeller war stärker als er, der ließ die Buchstaben auf magyarisch vor ihm tanzen und drückte ihm jedesmal die Augen zu und die Nase ins Buch. Und wenn er aufwachte, steckte zu seinem Erstaunen das Zeichen im Buch immer beim unrechten Paragraphen, auch glaubte er auf dem Rasen Spuren von Damenschuhen zu bemerken, als hätten ihn Elfen im Schlafe besucht; ja das Einemal lag, statt des Zeichens, ein ganzer Strauß brennender Liebe zwischen den Blättern. <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="4"> <p><pb facs="#f0053"/> witterregen. Und so ließ er denn auch Alles gut sein und wollte mit Grübeln das Glück nicht versuchen, das ihm so unversehens über den Kopf gewachsen.</p><lb/> <p>Dem Suppius aber ging es über den seinigen weg, ohne daß er's merkte. Jeden Morgen putzte er sich, mit Rath und Beistand des muthwilligen Klarinett, auf das Sorgfältigste heraus und probirte vor dem Wandspiegel insgeheim artige Stellungen. Aber bis zu Mittag war doch Alles wieder schief und verschoben, das vornehme Kleid der guten Lebensart saß ihm, als wär' er in der Eile mit einem Arm in den falschen Aermel gefahren. Manchmal fielen ihm auch plötzlich die Wissenschaften wieder ein, da erschrak er sehr und verwünschte alle Abenteuer, die er doch immer selber wieder anzettelte. Dann ergriff er hastig das dicke Buch, das in der Tasche seines Serenadenrockes mitgekommen, damit setzte er sich in die abgelegensten Winkel des Gartens ins Gras und schlug das Kapitel auf, wo er in Halle stehen geblieben. Aber der alte Ungarwein aus dem Schloßkeller war stärker als er, der ließ die Buchstaben auf magyarisch vor ihm tanzen und drückte ihm jedesmal die Augen zu und die Nase ins Buch. Und wenn er aufwachte, steckte zu seinem Erstaunen das Zeichen im Buch immer beim unrechten Paragraphen, auch glaubte er auf dem Rasen Spuren von Damenschuhen zu bemerken, als hätten ihn Elfen im Schlafe besucht; ja das Einemal lag, statt des Zeichens, ein ganzer Strauß brennender Liebe zwischen den Blättern.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [0053]
witterregen. Und so ließ er denn auch Alles gut sein und wollte mit Grübeln das Glück nicht versuchen, das ihm so unversehens über den Kopf gewachsen.
Dem Suppius aber ging es über den seinigen weg, ohne daß er's merkte. Jeden Morgen putzte er sich, mit Rath und Beistand des muthwilligen Klarinett, auf das Sorgfältigste heraus und probirte vor dem Wandspiegel insgeheim artige Stellungen. Aber bis zu Mittag war doch Alles wieder schief und verschoben, das vornehme Kleid der guten Lebensart saß ihm, als wär' er in der Eile mit einem Arm in den falschen Aermel gefahren. Manchmal fielen ihm auch plötzlich die Wissenschaften wieder ein, da erschrak er sehr und verwünschte alle Abenteuer, die er doch immer selber wieder anzettelte. Dann ergriff er hastig das dicke Buch, das in der Tasche seines Serenadenrockes mitgekommen, damit setzte er sich in die abgelegensten Winkel des Gartens ins Gras und schlug das Kapitel auf, wo er in Halle stehen geblieben. Aber der alte Ungarwein aus dem Schloßkeller war stärker als er, der ließ die Buchstaben auf magyarisch vor ihm tanzen und drückte ihm jedesmal die Augen zu und die Nase ins Buch. Und wenn er aufwachte, steckte zu seinem Erstaunen das Zeichen im Buch immer beim unrechten Paragraphen, auch glaubte er auf dem Rasen Spuren von Damenschuhen zu bemerken, als hätten ihn Elfen im Schlafe besucht; ja das Einemal lag, statt des Zeichens, ein ganzer Strauß brennender Liebe zwischen den Blättern.
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Zitationshilfe: | Eichendorff, Joseph von: Die Glücksritter. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 87–159. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_gluecksritter_1910/53>, abgerufen am 16.07.2024. |