Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eichendorff, Joseph von: Gedichte. Berlin, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite
Mandelkerngedicht.
Zwischen Akten, dunkeln Wänden
Bannt mich, Freiheitbegehrenden,
Nun des Lebens strenge Pflicht,
Und aus Schränken, Akten-Schichten
Lachen mir die beleidigten
Musen in das Amts-Gesicht.
Als an Lenz und Morgenröthe
Noch das Herz sich erlabete,
O du stilles, heit'res Glück!
Wie ich nun auch heiß mich sehne,
Ach, aus dieser Sandebene
Führt kein Weg dahin zurück.
Als der letzte Balkentreter
Steh' ich armer Enterbeter
In des Staates Symphonie,
Ach, in diesem Schwall von Tönen
Wo fänd' ich da des eigenen
Herzens süße Melodie?
Ein Gedicht soll ich Euch spenden:
Nun, so geht mit dem Leidenden
Nicht zu strenge ins Gericht!
Nehmt den Willen für Gewährung,
Kühnen Reim für Begeisterung.
Diesen Unsinn als Gedicht!

Mandelkerngedicht.
Zwiſchen Akten, dunkeln Waͤnden
Bannt mich, Freiheitbegehrenden,
Nun des Lebens ſtrenge Pflicht,
Und aus Schraͤnken, Akten-Schichten
Lachen mir die beleidigten
Muſen in das Amts-Geſicht.
Als an Lenz und Morgenroͤthe
Noch das Herz ſich erlabete,
O du ſtilles, heit'res Gluͤck!
Wie ich nun auch heiß mich ſehne,
Ach, aus dieſer Sandebene
Fuͤhrt kein Weg dahin zuruͤck.
Als der letzte Balkentreter
Steh' ich armer Enterbeter
In des Staates Symphonie,
Ach, in dieſem Schwall von Toͤnen
Wo faͤnd' ich da des eigenen
Herzens ſuͤße Melodie?
Ein Gedicht ſoll ich Euch ſpenden:
Nun, ſo geht mit dem Leidenden
Nicht zu ſtrenge ins Gericht!
Nehmt den Willen fuͤr Gewaͤhrung,
Kuͤhnen Reim fuͤr Begeiſterung.
Dieſen Unſinn als Gedicht!

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0095" n="77"/>
        </div>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Mandelkerngedicht.</hi><lb/>
          </head>
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <l><hi rendition="#in">Z</hi>wi&#x017F;chen Akten, dunkeln Wa&#x0364;nden</l><lb/>
              <l>Bannt mich, Freiheitbegehr<hi rendition="#g">enden</hi>,</l><lb/>
              <l>Nun des Lebens &#x017F;trenge Pflicht,</l><lb/>
              <l>Und aus Schra&#x0364;nken, Akten-Schichten</l><lb/>
              <l>Lachen mir die beleid<hi rendition="#g">igten</hi></l><lb/>
              <l>Mu&#x017F;en in das Amts-Ge&#x017F;icht.</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="2">
              <l>Als an Lenz und Morgenro&#x0364;the</l><lb/>
              <l>Noch das Herz &#x017F;ich erlab<hi rendition="#g">ete</hi>,</l><lb/>
              <l>O du &#x017F;tilles, heit'res Glu&#x0364;ck!</l><lb/>
              <l>Wie ich nun auch heiß mich &#x017F;ehne,</l><lb/>
              <l>Ach, aus die&#x017F;er Sandeb<hi rendition="#g">ene</hi></l><lb/>
              <l>Fu&#x0364;hrt kein Weg dahin zuru&#x0364;ck.</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="3">
              <l>Als der letzte Balkentreter</l><lb/>
              <l>Steh' ich armer Enterb<hi rendition="#g">eter</hi></l><lb/>
              <l>In des Staates Symphonie,</l><lb/>
              <l>Ach, in die&#x017F;em Schwall von To&#x0364;nen</l><lb/>
              <l>Wo fa&#x0364;nd' ich da des eige<hi rendition="#g">nen</hi></l><lb/>
              <l>Herzens &#x017F;u&#x0364;ße Melodie?</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="4">
              <l>Ein Gedicht &#x017F;oll ich Euch &#x017F;penden:</l><lb/>
              <l>Nun, &#x017F;o geht mit dem Leid<hi rendition="#g">enden</hi></l><lb/>
              <l>Nicht zu &#x017F;trenge ins Gericht!</l><lb/>
              <l>Nehmt den Willen fu&#x0364;r Gewa&#x0364;hrung,</l><lb/>
              <l>Ku&#x0364;hnen Reim fu&#x0364;r Begei&#x017F;t<hi rendition="#g">erung</hi>.</l><lb/>
              <l>Die&#x017F;en Un&#x017F;inn als Gedicht!</l><lb/>
            </lg>
          </lg>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[77/0095] Mandelkerngedicht. Zwiſchen Akten, dunkeln Waͤnden Bannt mich, Freiheitbegehrenden, Nun des Lebens ſtrenge Pflicht, Und aus Schraͤnken, Akten-Schichten Lachen mir die beleidigten Muſen in das Amts-Geſicht. Als an Lenz und Morgenroͤthe Noch das Herz ſich erlabete, O du ſtilles, heit'res Gluͤck! Wie ich nun auch heiß mich ſehne, Ach, aus dieſer Sandebene Fuͤhrt kein Weg dahin zuruͤck. Als der letzte Balkentreter Steh' ich armer Enterbeter In des Staates Symphonie, Ach, in dieſem Schwall von Toͤnen Wo faͤnd' ich da des eigenen Herzens ſuͤße Melodie? Ein Gedicht ſoll ich Euch ſpenden: Nun, ſo geht mit dem Leidenden Nicht zu ſtrenge ins Gericht! Nehmt den Willen fuͤr Gewaͤhrung, Kuͤhnen Reim fuͤr Begeiſterung. Dieſen Unſinn als Gedicht!

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_gedichte_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_gedichte_1837/95
Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Gedichte. Berlin, 1837, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_gedichte_1837/95>, abgerufen am 22.12.2024.