Eichendorff, Joseph von: Gedichte. Berlin, 1837.Nun durch die Bergeseinsamkeit Sie wie zum Himmel steigen,Kein Glockenklang mehr reicht so weit, Sie sehn im öden Schweigen Die Länder hinter sich verblühn, Schon Sterne durch die Wipfel glühn. Der Führer jetzt die Fackel sacht Erhebt und schweigend schreitet,Bei ihrem Schein die stille Nacht Gleichwie ein Dom sich weitet, Wo unsichtbare Hände baun -- Den Wandrer faßt ein heimlich Graun. Er sprach: was bringt der Wind herauf So fremden Laut getragen,Als hört' ich ferner Ströme Lauf, Dazwischen Glocken schlagen? "Das ist des Nachtgesanges Wehn, Sie loben Gott in stillen Höh'n." Der Wandrer drauf: ich kann nicht mehr -- Ist's Morgen, der so blendet?Was leuchten dort für Länder her? -- Sein Freund die Fackel wendet: "Nun ruh zum letztenmale aus, Wenn du erwachst, sind wir zu Haus." Nun durch die Bergeseinſamkeit Sie wie zum Himmel ſteigen,Kein Glockenklang mehr reicht ſo weit, Sie ſehn im oͤden Schweigen Die Laͤnder hinter ſich verbluͤhn, Schon Sterne durch die Wipfel gluͤhn. Der Fuͤhrer jetzt die Fackel ſacht Erhebt und ſchweigend ſchreitet,Bei ihrem Schein die ſtille Nacht Gleichwie ein Dom ſich weitet, Wo unſichtbare Haͤnde baun — Den Wandrer faßt ein heimlich Graun. Er ſprach: was bringt der Wind herauf So fremden Laut getragen,Als hoͤrt' ich ferner Stroͤme Lauf, Dazwiſchen Glocken ſchlagen? „Das iſt des Nachtgeſanges Wehn, Sie loben Gott in ſtillen Hoͤh'n.“ Der Wandrer drauf: ich kann nicht mehr — Iſt's Morgen, der ſo blendet?Was leuchten dort fuͤr Laͤnder her? — Sein Freund die Fackel wendet: „Nun ruh zum letztenmale aus, Wenn du erwachſt, ſind wir zu Haus.“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0076" n="58"/> <lg n="5"> <l rendition="#et">Nun durch die Bergeseinſamkeit</l><lb/> <l>Sie wie zum Himmel ſteigen,</l><lb/> <l>Kein Glockenklang mehr reicht ſo weit,</l><lb/> <l>Sie ſehn im oͤden Schweigen</l><lb/> <l>Die Laͤnder hinter ſich verbluͤhn,</l><lb/> <l>Schon Sterne durch die Wipfel gluͤhn.</l><lb/> </lg> <lg n="6"> <l rendition="#et">Der Fuͤhrer jetzt die Fackel ſacht</l><lb/> <l>Erhebt und ſchweigend ſchreitet,</l><lb/> <l>Bei ihrem Schein die ſtille Nacht</l><lb/> <l>Gleichwie ein Dom ſich weitet,</l><lb/> <l>Wo unſichtbare Haͤnde baun —</l><lb/> <l>Den Wandrer faßt ein heimlich Graun.</l><lb/> </lg> <lg n="7"> <l rendition="#et">Er ſprach: was bringt der Wind herauf</l><lb/> <l>So fremden Laut getragen,</l><lb/> <l>Als hoͤrt' ich ferner Stroͤme Lauf,</l><lb/> <l>Dazwiſchen Glocken ſchlagen?</l><lb/> <l>„Das iſt des Nachtgeſanges Wehn,</l><lb/> <l>Sie loben Gott in ſtillen Hoͤh'n.“</l><lb/> </lg> <lg n="8"> <l rendition="#et">Der Wandrer drauf: ich kann nicht mehr —</l><lb/> <l>Iſt's Morgen, der ſo blendet?</l><lb/> <l>Was leuchten dort fuͤr Laͤnder her? —</l><lb/> <l>Sein Freund die Fackel wendet:</l><lb/> <l>„Nun ruh zum letztenmale aus,</l><lb/> <l>Wenn du erwachſt, ſind wir zu Haus.“</l><lb/> </lg> </lg> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [58/0076]
Nun durch die Bergeseinſamkeit
Sie wie zum Himmel ſteigen,
Kein Glockenklang mehr reicht ſo weit,
Sie ſehn im oͤden Schweigen
Die Laͤnder hinter ſich verbluͤhn,
Schon Sterne durch die Wipfel gluͤhn.
Der Fuͤhrer jetzt die Fackel ſacht
Erhebt und ſchweigend ſchreitet,
Bei ihrem Schein die ſtille Nacht
Gleichwie ein Dom ſich weitet,
Wo unſichtbare Haͤnde baun —
Den Wandrer faßt ein heimlich Graun.
Er ſprach: was bringt der Wind herauf
So fremden Laut getragen,
Als hoͤrt' ich ferner Stroͤme Lauf,
Dazwiſchen Glocken ſchlagen?
„Das iſt des Nachtgeſanges Wehn,
Sie loben Gott in ſtillen Hoͤh'n.“
Der Wandrer drauf: ich kann nicht mehr —
Iſt's Morgen, der ſo blendet?
Was leuchten dort fuͤr Laͤnder her? —
Sein Freund die Fackel wendet:
„Nun ruh zum letztenmale aus,
Wenn du erwachſt, ſind wir zu Haus.“
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