Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eichendorff, Joseph von: Gedichte. Berlin, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite
Der Götter Irrfahrt.

Nach einer Volkssage der Tonga-Inseln.

I.
Unten endlos nichts als Wasser,
Droben Himmel still und weit,
Nur das Götterland, das blasse,
Lag in Meereseinsamkeit,
Wo auf farbenlosen Matten
Gipfel wie in Träumen steh'n,
Und Gestalten ohne Schatten
Ewig lautlos sich ergeh'n.
Zwischen grauen Wolken-Schweifen,
Die verschlafen Berg und Flut
Mit den langen Schleiern streifen,
Hoch der Göttervater ruht.
Heut zu fischen ihn gelüstet,
Und vom zack'gen Felsenhang
In des Meeres grüne Wüste
Senket er die Schnur zum Fang.
Sinnend sitzt er, und es flattern
Bart und Haar im Sturme weit,
Und die Zeit wird ihm so lange
In der stillen Ewigkeit.
Da fühlt er die Angel zucken:
"Ei, das ist ein schwerer Fisch!"
Freudig fängt er an zu rucken,
Stemmt sich, zieht und windet frisch.
26 *
Der Goͤtter Irrfahrt.

Nach einer Volksſage der Tonga-Inſeln.

I.
Unten endlos nichts als Waſſer,
Droben Himmel ſtill und weit,
Nur das Goͤtterland, das blaſſe,
Lag in Meereseinſamkeit,
Wo auf farbenloſen Matten
Gipfel wie in Traͤumen ſteh'n,
Und Geſtalten ohne Schatten
Ewig lautlos ſich ergeh'n.
Zwiſchen grauen Wolken-Schweifen,
Die verſchlafen Berg und Flut
Mit den langen Schleiern ſtreifen,
Hoch der Goͤttervater ruht.
Heut zu fiſchen ihn geluͤſtet,
Und vom zack'gen Felſenhang
In des Meeres gruͤne Wuͤſte
Senket er die Schnur zum Fang.
Sinnend ſitzt er, und es flattern
Bart und Haar im Sturme weit,
Und die Zeit wird ihm ſo lange
In der ſtillen Ewigkeit.
Da fuͤhlt er die Angel zucken:
„Ei, das iſt ein ſchwerer Fiſch!“
Freudig faͤngt er an zu rucken,
Stemmt ſich, zieht und windet friſch.
26 *
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0421" n="403"/>
        </div>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Der Go&#x0364;tter Irrfahrt.</hi><lb/>
          </head>
          <argument>
            <p rendition="#c">Nach einer Volks&#x017F;age der Tonga-In&#x017F;eln.</p>
          </argument><lb/>
          <lg>
            <head><hi rendition="#aq">I</hi>.<lb/></head>
            <lg type="poem">
              <l><hi rendition="#in">U</hi>nten endlos nichts als Wa&#x017F;&#x017F;er,</l><lb/>
              <l>Droben Himmel &#x017F;till und weit,</l><lb/>
              <l>Nur das Go&#x0364;tterland, das bla&#x017F;&#x017F;e,</l><lb/>
              <l>Lag in Meeresein&#x017F;amkeit,</l><lb/>
              <l>Wo auf farbenlo&#x017F;en Matten</l><lb/>
              <l>Gipfel wie in Tra&#x0364;umen &#x017F;teh'n,</l><lb/>
              <l>Und Ge&#x017F;talten ohne Schatten</l><lb/>
              <l>Ewig lautlos &#x017F;ich ergeh'n.</l><lb/>
            </lg>
            <lg type="poem">
              <l>Zwi&#x017F;chen grauen Wolken-Schweifen,</l><lb/>
              <l>Die ver&#x017F;chlafen Berg und Flut</l><lb/>
              <l>Mit den langen Schleiern &#x017F;treifen,</l><lb/>
              <l>Hoch der Go&#x0364;ttervater ruht.</l><lb/>
              <l>Heut zu fi&#x017F;chen ihn gelu&#x0364;&#x017F;tet,</l><lb/>
              <l>Und vom zack'gen Fel&#x017F;enhang</l><lb/>
              <l>In des Meeres gru&#x0364;ne Wu&#x0364;&#x017F;te</l><lb/>
              <l>Senket er die Schnur zum Fang.</l><lb/>
            </lg>
            <lg type="poem">
              <l>Sinnend &#x017F;itzt er, und es flattern</l><lb/>
              <l>Bart und Haar im Sturme weit,</l><lb/>
              <l>Und die Zeit wird ihm &#x017F;o lange</l><lb/>
              <l>In der &#x017F;tillen Ewigkeit.</l><lb/>
              <l>Da fu&#x0364;hlt er die Angel zucken:</l><lb/>
              <l>&#x201E;Ei, das i&#x017F;t ein &#x017F;chwerer Fi&#x017F;ch!&#x201C;</l><lb/>
              <l>Freudig fa&#x0364;ngt er an zu rucken,</l><lb/>
              <l>Stemmt &#x017F;ich, zieht und windet fri&#x017F;ch.</l><lb/>
            </lg>
            <fw place="bottom" type="sig">26 *<lb/></fw>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[403/0421] Der Goͤtter Irrfahrt. Nach einer Volksſage der Tonga-Inſeln. I. Unten endlos nichts als Waſſer, Droben Himmel ſtill und weit, Nur das Goͤtterland, das blaſſe, Lag in Meereseinſamkeit, Wo auf farbenloſen Matten Gipfel wie in Traͤumen ſteh'n, Und Geſtalten ohne Schatten Ewig lautlos ſich ergeh'n. Zwiſchen grauen Wolken-Schweifen, Die verſchlafen Berg und Flut Mit den langen Schleiern ſtreifen, Hoch der Goͤttervater ruht. Heut zu fiſchen ihn geluͤſtet, Und vom zack'gen Felſenhang In des Meeres gruͤne Wuͤſte Senket er die Schnur zum Fang. Sinnend ſitzt er, und es flattern Bart und Haar im Sturme weit, Und die Zeit wird ihm ſo lange In der ſtillen Ewigkeit. Da fuͤhlt er die Angel zucken: „Ei, das iſt ein ſchwerer Fiſch!“ Freudig faͤngt er an zu rucken, Stemmt ſich, zieht und windet friſch. 26 *

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_gedichte_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_gedichte_1837/421
Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Gedichte. Berlin, 1837, S. 403. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_gedichte_1837/421>, abgerufen am 22.12.2024.