Eichendorff, Joseph von: Gedichte. Berlin, 1837.Winter. Wie von Nacht verhangen, Wußt' nicht, was ich will, Schon so lange, lange War ich todtenstill. Liegt die Welt voll Schmerzen, Will's auch draußen schnei'n: Wache auf, mein Herze, Frühling muß es sein! Was mich frech wollt' fassen, 'S ist nur Wogen-Schaum, Falsche Ehr', Noth, Hassen, Welt, ich spür' dich kaum. Breite nur die Flügel Wieder, schönes Roß, Frei laß ich die Zügel, So brich durch, Genoß! Und hat ausgeklungen Liebes-Lust und Leid, Um die wir gerungen In der schönsten Zeit; Nun so trag' mich weiter, Wo das Wünschen aus -- Wie wird mir so heiter, Roß, bring' mich nach Haus! Winter. Wie von Nacht verhangen, Wußt' nicht, was ich will, Schon ſo lange, lange War ich todtenſtill. Liegt die Welt voll Schmerzen, Will's auch draußen ſchnei'n: Wache auf, mein Herze, Fruͤhling muß es ſein! Was mich frech wollt' faſſen, 'S iſt nur Wogen-Schaum, Falſche Ehr', Noth, Haſſen, Welt, ich ſpuͤr' dich kaum. Breite nur die Fluͤgel Wieder, ſchoͤnes Roß, Frei laß ich die Zuͤgel, So brich durch, Genoß! Und hat ausgeklungen Liebes-Luſt und Leid, Um die wir gerungen In der ſchoͤnſten Zeit; Nun ſo trag' mich weiter, Wo das Wuͤnſchen aus — Wie wird mir ſo heiter, Roß, bring' mich nach Haus! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0381" n="363"/> </div> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b #g">Winter</hi> <hi rendition="#b">.</hi><lb/> </head> <lg type="poem"> <l><hi rendition="#in">W</hi>ie von Nacht verhangen,</l><lb/> <l>Wußt' nicht, was ich will,</l><lb/> <l>Schon ſo lange, lange</l><lb/> <l>War ich todtenſtill.</l><lb/> </lg> <lg type="poem"> <l>Liegt die Welt voll Schmerzen,</l><lb/> <l>Will's auch draußen ſchnei'n:</l><lb/> <l>Wache auf, mein Herze,</l><lb/> <l>Fruͤhling muß es ſein!</l><lb/> </lg> <lg type="poem"> <l>Was mich frech wollt' faſſen,</l><lb/> <l>'S iſt nur Wogen-Schaum,</l><lb/> <l>Falſche Ehr', Noth, Haſſen,</l><lb/> <l>Welt, ich ſpuͤr' dich kaum.</l><lb/> </lg> <lg type="poem"> <l>Breite nur die Fluͤgel</l><lb/> <l>Wieder, ſchoͤnes Roß,</l><lb/> <l>Frei laß ich die Zuͤgel,</l><lb/> <l>So brich durch, Genoß!</l><lb/> </lg> <lg type="poem"> <l>Und hat ausgeklungen</l><lb/> <l>Liebes-Luſt und Leid,</l><lb/> <l>Um die wir gerungen</l><lb/> <l>In der ſchoͤnſten Zeit;</l><lb/> </lg> <lg type="poem"> <l>Nun ſo trag' mich weiter,</l><lb/> <l>Wo das Wuͤnſchen aus —</l><lb/> <l>Wie wird mir ſo heiter,</l><lb/> <l>Roß, bring' mich nach Haus!</l><lb/> </lg> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [363/0381]
Winter.
Wie von Nacht verhangen,
Wußt' nicht, was ich will,
Schon ſo lange, lange
War ich todtenſtill.
Liegt die Welt voll Schmerzen,
Will's auch draußen ſchnei'n:
Wache auf, mein Herze,
Fruͤhling muß es ſein!
Was mich frech wollt' faſſen,
'S iſt nur Wogen-Schaum,
Falſche Ehr', Noth, Haſſen,
Welt, ich ſpuͤr' dich kaum.
Breite nur die Fluͤgel
Wieder, ſchoͤnes Roß,
Frei laß ich die Zuͤgel,
So brich durch, Genoß!
Und hat ausgeklungen
Liebes-Luſt und Leid,
Um die wir gerungen
In der ſchoͤnſten Zeit;
Nun ſo trag' mich weiter,
Wo das Wuͤnſchen aus —
Wie wird mir ſo heiter,
Roß, bring' mich nach Haus!
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