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Eichendorff, Joseph von: Gedichte. Berlin, 1837.

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II.
Schon wird es draußen licht auf Berg und Thalen;
Aurora, stille Braut, ihr schönen Strahlen,
Die farb'gen Rauch aus Fluß und Wäldern saugen,
Euch grüßen neu die halbverschlaf'nen Augen.
Verräth'risch, sagt man, sei des Zimmers Schwüle
Wo Nachts ein Mädchen träumte vom Geliebten:
So komm herein, du rothe, frische Kühle,
Fliegt in die blaue Luft, ihr schönen Träume!
Ein furchtsam Kind, im stillen Haus erzogen
Konnt' ich am Abendroth die Blicke weiden,
Tiefathmend in die laue Luft vor Freuden.
Er hat um diese Stille mich betrogen.
Mit stolzen Augen, fremden schönen Worten
Lockt er die Wünsche aus dem stillen Hafen
Wo sie bei Sternenglanze seelig schlafen,
Hinaus ins unbekannte Reich der Wogen;
Da kommen Winde buhlend angeflogen,
Die zarte Hand zwingt nicht die wilden Wellen,
Du mußt, wohin die vollen Segel schwellen.
Da zog er heimlich fort. -- Seit jenem Morgen
Da hatt' ich Noth, hatt' heimlich was zu sorgen.
Wenn nächtlich unten lag die stille Runde,
Einförmig Rauschen herkam von den Wäldern,
Pfeifend der Wind strich durch die öden Felder
Und hin und her in Dörfern bellten Hunde,
Ach! wenn kein glücklich Herz auf Erden wacht
Begrüßten die verweinten Augen manche Nacht!
19
II.
Schon wird es draußen licht auf Berg und Thalen;
Aurora, ſtille Braut, ihr ſchoͤnen Strahlen,
Die farb'gen Rauch aus Fluß und Waͤldern ſaugen,
Euch gruͤßen neu die halbverſchlaf'nen Augen.
Verraͤth'riſch, ſagt man, ſei des Zimmers Schwuͤle
Wo Nachts ein Maͤdchen traͤumte vom Geliebten:
So komm herein, du rothe, friſche Kuͤhle,
Fliegt in die blaue Luft, ihr ſchoͤnen Traͤume!
Ein furchtſam Kind, im ſtillen Haus erzogen
Konnt' ich am Abendroth die Blicke weiden,
Tiefathmend in die laue Luft vor Freuden.
Er hat um dieſe Stille mich betrogen.
Mit ſtolzen Augen, fremden ſchoͤnen Worten
Lockt er die Wuͤnſche aus dem ſtillen Hafen
Wo ſie bei Sternenglanze ſeelig ſchlafen,
Hinaus ins unbekannte Reich der Wogen;
Da kommen Winde buhlend angeflogen,
Die zarte Hand zwingt nicht die wilden Wellen,
Du mußt, wohin die vollen Segel ſchwellen.
Da zog er heimlich fort. — Seit jenem Morgen
Da hatt' ich Noth, hatt' heimlich was zu ſorgen.
Wenn naͤchtlich unten lag die ſtille Runde,
Einfoͤrmig Rauſchen herkam von den Waͤldern,
Pfeifend der Wind ſtrich durch die oͤden Felder
Und hin und her in Doͤrfern bellten Hunde,
Ach! wenn kein gluͤcklich Herz auf Erden wacht
Begruͤßten die verweinten Augen manche Nacht!
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[289/0307] II. Schon wird es draußen licht auf Berg und Thalen; Aurora, ſtille Braut, ihr ſchoͤnen Strahlen, Die farb'gen Rauch aus Fluß und Waͤldern ſaugen, Euch gruͤßen neu die halbverſchlaf'nen Augen. Verraͤth'riſch, ſagt man, ſei des Zimmers Schwuͤle Wo Nachts ein Maͤdchen traͤumte vom Geliebten: So komm herein, du rothe, friſche Kuͤhle, Fliegt in die blaue Luft, ihr ſchoͤnen Traͤume! Ein furchtſam Kind, im ſtillen Haus erzogen Konnt' ich am Abendroth die Blicke weiden, Tiefathmend in die laue Luft vor Freuden. Er hat um dieſe Stille mich betrogen. Mit ſtolzen Augen, fremden ſchoͤnen Worten Lockt er die Wuͤnſche aus dem ſtillen Hafen Wo ſie bei Sternenglanze ſeelig ſchlafen, Hinaus ins unbekannte Reich der Wogen; Da kommen Winde buhlend angeflogen, Die zarte Hand zwingt nicht die wilden Wellen, Du mußt, wohin die vollen Segel ſchwellen. Da zog er heimlich fort. — Seit jenem Morgen Da hatt' ich Noth, hatt' heimlich was zu ſorgen. Wenn naͤchtlich unten lag die ſtille Runde, Einfoͤrmig Rauſchen herkam von den Waͤldern, Pfeifend der Wind ſtrich durch die oͤden Felder Und hin und her in Doͤrfern bellten Hunde, Ach! wenn kein gluͤcklich Herz auf Erden wacht Begruͤßten die verweinten Augen manche Nacht! 19

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Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Gedichte. Berlin, 1837, S. 289. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_gedichte_1837/307>, abgerufen am 25.11.2024.