Steig' aufwärts, Morgenstunde! Zerreiß' die Nacht, daß ich in meinem Wehe Den Himmel wiedersehe, Wo ew'ger Frieden in dem blauen Grunde! Will Licht die Welt erneuen: Mag auch der Schmerz in Thränen sich befreien.
Mein lieber Herzensbruder! Still war der Morgen -- Ein Schiff trug uns beide. Wie war die Welt voll Freude! Du faßtest ritterlich das schwanke Ruder, Uns beide treulich lenkend, Auf froher Fahrt nur einen Stern bedenkend.
Mich irrte manches Schöne, Viel reizte mich und viel mußt' ich vermissen. Von Lust und Schmerz zerrissen, Was so mein Herz hinausgeströmt in Töne: Es waren Wiederspiele Von Deines Busens ewigem Gefühle.
Da ward die Welt so trübe, Rings stiegen Wetter von der Berge Spitzen, Der Himmel borst in Blitzen, Daß neugestärkt sich Deutschland d'raus erhübe. -- Nun ist das Schiff zerschlagen, Wie soll ich ohne Dich die Fluth ertragen! --
An meinen Bruder 1813.
Steig' aufwaͤrts, Morgenſtunde! Zerreiß' die Nacht, daß ich in meinem Wehe Den Himmel wiederſehe, Wo ew'ger Frieden in dem blauen Grunde! Will Licht die Welt erneuen: Mag auch der Schmerz in Thraͤnen ſich befreien.
Mein lieber Herzensbruder! Still war der Morgen — Ein Schiff trug uns beide. Wie war die Welt voll Freude! Du faßteſt ritterlich das ſchwanke Ruder, Uns beide treulich lenkend, Auf froher Fahrt nur einen Stern bedenkend.
Mich irrte manches Schoͤne, Viel reizte mich und viel mußt' ich vermiſſen. Von Luſt und Schmerz zerriſſen, Was ſo mein Herz hinausgeſtroͤmt in Toͤne: Es waren Wiederſpiele Von Deines Buſens ewigem Gefuͤhle.
Da ward die Welt ſo truͤbe, Rings ſtiegen Wetter von der Berge Spitzen, Der Himmel borſt in Blitzen, Daß neugeſtaͤrkt ſich Deutſchland d'raus erhuͤbe. — Nun iſt das Schiff zerſchlagen, Wie ſoll ich ohne Dich die Fluth ertragen! —
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An meinen Bruder 1813.
Steig' aufwaͤrts, Morgenſtunde!
Zerreiß' die Nacht, daß ich in meinem Wehe
Den Himmel wiederſehe,
Wo ew'ger Frieden in dem blauen Grunde!
Will Licht die Welt erneuen:
Mag auch der Schmerz in Thraͤnen ſich befreien.
Mein lieber Herzensbruder!
Still war der Morgen — Ein Schiff trug uns beide.
Wie war die Welt voll Freude!
Du faßteſt ritterlich das ſchwanke Ruder,
Uns beide treulich lenkend,
Auf froher Fahrt nur einen Stern bedenkend.
Mich irrte manches Schoͤne,
Viel reizte mich und viel mußt' ich vermiſſen.
Von Luſt und Schmerz zerriſſen,
Was ſo mein Herz hinausgeſtroͤmt in Toͤne:
Es waren Wiederſpiele
Von Deines Buſens ewigem Gefuͤhle.
Da ward die Welt ſo truͤbe,
Rings ſtiegen Wetter von der Berge Spitzen,
Der Himmel borſt in Blitzen,
Daß neugeſtaͤrkt ſich Deutſchland d'raus erhuͤbe. —
Nun iſt das Schiff zerſchlagen,
Wie ſoll ich ohne Dich die Fluth ertragen! —
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Eichendorff, Joseph von: Gedichte. Berlin, 1837, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_gedichte_1837/188>, abgerufen am 26.02.2025.
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