Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eichendorff, Joseph von: Gedichte. Berlin, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite
Zorn.
1810.
Seh' ich im verfall'nen, dunkeln
Haus die alten Waffen hangen,
Zornig aus dem Roste funkeln,
Wenn der Morgen aufgegangen,
Und den letzten Klang verflogen,
Wo im wilden Zug der Wetter,
Auf's gekreuzte Schwert gebogen,
Einst gehaust des Landes Retter.
Und ein neu Geschlecht von Zwergen
Schwindelnd um die Felsen klettern,
Frech, wenn's sonnig auf den Bergen,
Feige krümmend sich in Wettern,
Ihres Heilands Blut und Thränen
Spottend noch einmal verkaufen,
Ohne Klage, Wunsch und Sehnen
In der Zeiten Strom ersaufen;
Denk' ich dann, wie Du gestanden
Treu, da niemand treu geblieben:
Möcht' ich, über unsre Schande
Tiefentbrannt in zorn'gem Lieben,
Wurzeln in der Felsen Marke,
Und empor zu Himmels Lichten
Stumm anstrebend wie die starke
Riesentanne mich aufrichten.

Zorn.
1810.
Seh' ich im verfall'nen, dunkeln
Haus die alten Waffen hangen,
Zornig aus dem Roſte funkeln,
Wenn der Morgen aufgegangen,
Und den letzten Klang verflogen,
Wo im wilden Zug der Wetter,
Auf's gekreuzte Schwert gebogen,
Einſt gehauſt des Landes Retter.
Und ein neu Geſchlecht von Zwergen
Schwindelnd um die Felſen klettern,
Frech, wenn's ſonnig auf den Bergen,
Feige kruͤmmend ſich in Wettern,
Ihres Heilands Blut und Thraͤnen
Spottend noch einmal verkaufen,
Ohne Klage, Wunſch und Sehnen
In der Zeiten Strom erſaufen;
Denk' ich dann, wie Du geſtanden
Treu, da niemand treu geblieben:
Moͤcht' ich, uͤber unſre Schande
Tiefentbrannt in zorn'gem Lieben,
Wurzeln in der Felſen Marke,
Und empor zu Himmels Lichten
Stumm anſtrebend wie die ſtarke
Rieſentanne mich aufrichten.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0167" n="149"/>
        </div>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#b #g">Zorn</hi><hi rendition="#b">.</hi><lb/>
1810.<lb/></head>
          <lg type="poem">
            <l><hi rendition="#in">S</hi>eh' ich im verfall'nen, dunkeln</l><lb/>
            <l>Haus die alten Waffen hangen,</l><lb/>
            <l>Zornig aus dem Ro&#x017F;te funkeln,</l><lb/>
            <l>Wenn der Morgen aufgegangen,</l><lb/>
          </lg>
          <lg type="poem">
            <l>Und den letzten Klang verflogen,</l><lb/>
            <l>Wo im wilden Zug der Wetter,</l><lb/>
            <l>Auf's gekreuzte Schwert gebogen,</l><lb/>
            <l>Ein&#x017F;t gehau&#x017F;t des Landes Retter.</l><lb/>
          </lg>
          <lg type="poem">
            <l>Und ein neu Ge&#x017F;chlecht von Zwergen</l><lb/>
            <l>Schwindelnd um die Fel&#x017F;en klettern,</l><lb/>
            <l>Frech, wenn's &#x017F;onnig auf den Bergen,</l><lb/>
            <l>Feige kru&#x0364;mmend &#x017F;ich in Wettern,</l><lb/>
          </lg>
          <lg type="poem">
            <l>Ihres Heilands Blut und Thra&#x0364;nen</l><lb/>
            <l>Spottend noch einmal verkaufen,</l><lb/>
            <l>Ohne Klage, Wun&#x017F;ch und Sehnen</l><lb/>
            <l>In der Zeiten Strom er&#x017F;aufen;</l><lb/>
          </lg>
          <lg type="poem">
            <l>Denk' ich dann, wie Du ge&#x017F;tanden</l><lb/>
            <l>Treu, da niemand treu geblieben:</l><lb/>
            <l>Mo&#x0364;cht' ich, u&#x0364;ber un&#x017F;re Schande</l><lb/>
            <l>Tiefentbrannt in zorn'gem Lieben,</l><lb/>
          </lg>
          <lg type="poem">
            <l>Wurzeln in der Fel&#x017F;en Marke,</l><lb/>
            <l>Und empor zu Himmels Lichten</l><lb/>
            <l>Stumm an&#x017F;trebend wie die &#x017F;tarke</l><lb/>
            <l>Rie&#x017F;entanne mich aufrichten.</l><lb/>
          </lg>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[149/0167] Zorn. 1810. Seh' ich im verfall'nen, dunkeln Haus die alten Waffen hangen, Zornig aus dem Roſte funkeln, Wenn der Morgen aufgegangen, Und den letzten Klang verflogen, Wo im wilden Zug der Wetter, Auf's gekreuzte Schwert gebogen, Einſt gehauſt des Landes Retter. Und ein neu Geſchlecht von Zwergen Schwindelnd um die Felſen klettern, Frech, wenn's ſonnig auf den Bergen, Feige kruͤmmend ſich in Wettern, Ihres Heilands Blut und Thraͤnen Spottend noch einmal verkaufen, Ohne Klage, Wunſch und Sehnen In der Zeiten Strom erſaufen; Denk' ich dann, wie Du geſtanden Treu, da niemand treu geblieben: Moͤcht' ich, uͤber unſre Schande Tiefentbrannt in zorn'gem Lieben, Wurzeln in der Felſen Marke, Und empor zu Himmels Lichten Stumm anſtrebend wie die ſtarke Rieſentanne mich aufrichten.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_gedichte_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_gedichte_1837/167
Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Gedichte. Berlin, 1837, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_gedichte_1837/167>, abgerufen am 22.12.2024.