Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eichendorff, Joseph von: Gedichte. Berlin, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite
Der Riese.
Es saß ein Mann gefangen
Auf einem hohen Thurm,
Die Wetterfähnlein klangen
Gar seltsam in den Sturm.
Und draußen hört' er ringen
Verworr'ner Ströme Gang,
Dazwischen Vöglein singen,
Und heller Waffen Klang.
Ein Liedlein scholl gar lustig:
Heisa, so lang Gott will!
Und wilder Menge Tosen,
Dann wieder todtenstill.
So tausend Stimmen irren,
Wie Wind' im Meere geh'n,
Sich theilen und verwirren,
Er konnte nichts versteh'n.
Doch spürt' er, wer ihn grüße
Mit Schaudern und mit Lust,
Es rührt ihm wie ein Riese
Das Leben an die Brust.

Der Rieſe.
Es ſaß ein Mann gefangen
Auf einem hohen Thurm,
Die Wetterfaͤhnlein klangen
Gar ſeltſam in den Sturm.
Und draußen hoͤrt' er ringen
Verworr'ner Stroͤme Gang,
Dazwiſchen Voͤglein ſingen,
Und heller Waffen Klang.
Ein Liedlein ſcholl gar luſtig:
Heiſa, ſo lang Gott will!
Und wilder Menge Toſen,
Dann wieder todtenſtill.
So tauſend Stimmen irren,
Wie Wind' im Meere geh'n,
Sich theilen und verwirren,
Er konnte nichts verſteh'n.
Doch ſpuͤrt' er, wer ihn gruͤße
Mit Schaudern und mit Luſt,
Es ruͤhrt ihm wie ein Rieſe
Das Leben an die Bruſt.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0152" n="134"/>
        </div>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b #g">Der Rie&#x017F;e</hi> <hi rendition="#b">.</hi><lb/>
          </head>
          <lg type="poem">
            <l><hi rendition="#in">E</hi>s &#x017F;aß ein Mann gefangen</l><lb/>
            <l>Auf einem hohen Thurm,</l><lb/>
            <l>Die Wetterfa&#x0364;hnlein klangen</l><lb/>
            <l>Gar &#x017F;elt&#x017F;am in den Sturm.</l><lb/>
          </lg>
          <lg type="poem">
            <l>Und draußen ho&#x0364;rt' er ringen</l><lb/>
            <l>Verworr'ner Stro&#x0364;me Gang,</l><lb/>
            <l>Dazwi&#x017F;chen Vo&#x0364;glein &#x017F;ingen,</l><lb/>
            <l>Und heller Waffen Klang.</l><lb/>
          </lg>
          <lg type="poem">
            <l>Ein Liedlein &#x017F;choll gar lu&#x017F;tig:</l><lb/>
            <l>Hei&#x017F;a, &#x017F;o lang Gott will!</l><lb/>
            <l>Und wilder Menge To&#x017F;en,</l><lb/>
            <l>Dann wieder todten&#x017F;till.</l><lb/>
          </lg>
          <lg type="poem">
            <l>So tau&#x017F;end Stimmen irren,</l><lb/>
            <l>Wie Wind' im Meere geh'n,</l><lb/>
            <l>Sich theilen und verwirren,</l><lb/>
            <l>Er konnte nichts ver&#x017F;teh'n.</l><lb/>
          </lg>
          <lg type="poem">
            <l>Doch &#x017F;pu&#x0364;rt' er, wer ihn gru&#x0364;ße</l><lb/>
            <l>Mit Schaudern und mit Lu&#x017F;t,</l><lb/>
            <l>Es ru&#x0364;hrt ihm wie ein Rie&#x017F;e</l><lb/>
            <l>Das Leben an die Bru&#x017F;t.</l><lb/>
          </lg>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[134/0152] Der Rieſe. Es ſaß ein Mann gefangen Auf einem hohen Thurm, Die Wetterfaͤhnlein klangen Gar ſeltſam in den Sturm. Und draußen hoͤrt' er ringen Verworr'ner Stroͤme Gang, Dazwiſchen Voͤglein ſingen, Und heller Waffen Klang. Ein Liedlein ſcholl gar luſtig: Heiſa, ſo lang Gott will! Und wilder Menge Toſen, Dann wieder todtenſtill. So tauſend Stimmen irren, Wie Wind' im Meere geh'n, Sich theilen und verwirren, Er konnte nichts verſteh'n. Doch ſpuͤrt' er, wer ihn gruͤße Mit Schaudern und mit Luſt, Es ruͤhrt ihm wie ein Rieſe Das Leben an die Bruſt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_gedichte_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_gedichte_1837/152
Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Gedichte. Berlin, 1837, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_gedichte_1837/152>, abgerufen am 22.12.2024.