mit ihren reichen, leuchtenden Gewändern, wie in dem Kelch einer wunderbaren Blume schwebte. Er hörte auf zu singen, als er unten den Fremden gewahrte, und wandte schnell ein munteres Gesicht zwischen um¬ wallenden braunen Locken aus seinem Himmel hinab. -- Glück auf! rief ihm Fortunat, überrascht von der gan¬ zen, unerwarteten Erscheinung, fröhlich zu, das ist eine herrliche Werkstatt! -- Der Maler nickte lächelnd und fuhr in seiner Arbeit fort, kehrte sich dann aber, plötzlich abbrechend, wieder zu Fortunat: Sind Sie nicht gestern Abend mit den Schauspielern gekommen? -- Ja, und zugleich von ihnen abgekommen, ich weiß nicht wie, erwiederte Fortunat. -- O die sind gar nicht weit, sagte der Maler. Und eigentlich ist auch heut Aurora zu schön, um ihr hier in's Gesicht zu klecksen, ich will Sie lieber gleich zu Ihren Kamera¬ den führen. -- Bei diesen Worten hatte er rasch Pin¬ sel und Palette weggelegt, und kam die Leiter herab. Es war ein kecker, vollwangiger Jüngling mit bloßem Hals und knappem, sehr zierlichen deutschen Rock. Er verschloß die Thür, da sie hinaustraten, und führte Fortunaten eilig durch den Baumgang, in welchem gestern Nacht die Schauspielergesellschaft verschwunden war. Das muß ein glückliches Leben sein, sagte er, wie oft hab' ich mir schon gewünscht, so mit fröhlichen Gesellen in's Blaue hineinzuziehen! Wir Maler sind überall an Ort und irdisches Material gebunden. Da
mit ihren reichen, leuchtenden Gewaͤndern, wie in dem Kelch einer wunderbaren Blume ſchwebte. Er hoͤrte auf zu ſingen, als er unten den Fremden gewahrte, und wandte ſchnell ein munteres Geſicht zwiſchen um¬ wallenden braunen Locken aus ſeinem Himmel hinab. — Gluͤck auf! rief ihm Fortunat, uͤberraſcht von der gan¬ zen, unerwarteten Erſcheinung, froͤhlich zu, das iſt eine herrliche Werkſtatt! — Der Maler nickte laͤchelnd und fuhr in ſeiner Arbeit fort, kehrte ſich dann aber, ploͤtzlich abbrechend, wieder zu Fortunat: Sind Sie nicht geſtern Abend mit den Schauſpielern gekommen? — Ja, und zugleich von ihnen abgekommen, ich weiß nicht wie, erwiederte Fortunat. — O die ſind gar nicht weit, ſagte der Maler. Und eigentlich iſt auch heut Aurora zu ſchoͤn, um ihr hier in's Geſicht zu kleckſen, ich will Sie lieber gleich zu Ihren Kamera¬ den fuͤhren. — Bei dieſen Worten hatte er raſch Pin¬ ſel und Palette weggelegt, und kam die Leiter herab. Es war ein kecker, vollwangiger Juͤngling mit bloßem Hals und knappem, ſehr zierlichen deutſchen Rock. Er verſchloß die Thuͤr, da ſie hinaustraten, und fuͤhrte Fortunaten eilig durch den Baumgang, in welchem geſtern Nacht die Schauſpielergeſellſchaft verſchwunden war. Das muß ein gluͤckliches Leben ſein, ſagte er, wie oft hab' ich mir ſchon gewuͤnſcht, ſo mit froͤhlichen Geſellen in's Blaue hineinzuziehen! Wir Maler ſind uͤberall an Ort und irdiſches Material gebunden. Da
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mit ihren reichen, leuchtenden Gewaͤndern, wie in dem
Kelch einer wunderbaren Blume ſchwebte. Er hoͤrte
auf zu ſingen, als er unten den Fremden gewahrte,
und wandte ſchnell ein munteres Geſicht zwiſchen um¬
wallenden braunen Locken aus ſeinem Himmel hinab. —
Gluͤck auf! rief ihm Fortunat, uͤberraſcht von der gan¬
zen, unerwarteten Erſcheinung, froͤhlich zu, das iſt
eine herrliche Werkſtatt! — Der Maler nickte laͤchelnd
und fuhr in ſeiner Arbeit fort, kehrte ſich dann aber,
ploͤtzlich abbrechend, wieder zu Fortunat: Sind Sie
nicht geſtern Abend mit den Schauſpielern gekommen?
— Ja, und zugleich von ihnen abgekommen, ich weiß
nicht wie, erwiederte Fortunat. — O die ſind gar
nicht weit, ſagte der Maler. Und eigentlich iſt auch
heut Aurora zu ſchoͤn, um ihr hier in's Geſicht zu
kleckſen, ich will Sie lieber gleich zu Ihren Kamera¬
den fuͤhren. — Bei dieſen Worten hatte er raſch Pin¬
ſel und Palette weggelegt, und kam die Leiter herab.
Es war ein kecker, vollwangiger Juͤngling mit bloßem
Hals und knappem, ſehr zierlichen deutſchen Rock. Er
verſchloß die Thuͤr, da ſie hinaustraten, und fuͤhrte
Fortunaten eilig durch den Baumgang, in welchem
geſtern Nacht die Schauſpielergeſellſchaft verſchwunden
war. Das muß ein gluͤckliches Leben ſein, ſagte er,
wie oft hab' ich mir ſchon gewuͤnſcht, ſo mit froͤhlichen
Geſellen in's Blaue hineinzuziehen! Wir Maler ſind
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Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/97>, abgerufen am 25.11.2024.
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