der Dorfschenke in das fürstliche Schloß geladen wor¬ den, wie wunderbar da beim Wiederschein Blitze das Schloß in der Nacht aussah, das Getümmel dann im Hofe, und wie darauf ein Bedienter ihn mitten aus dem Gewirre in dieses Gemach gewiesen. Hier hatte er durch das Fenster bemerkt, daß die übri¬ gen Schauspieler nochmals weiterziehen mußten, und beim trüben Schein einiger Windlichter einen dunklen Baumgang hinabgeführt wurden, bis zuletzt die Lich¬ ter, das Rumpeln des Reisewagens und die wohlbe¬ kannten Stimmen sich in dem Plätschern des Regens verloren, der nun plötzlich in Strömen herabstürzte.
Jetzt aber regte sich noch kein Laut, nur draußen blickten einzelne Flüsse und Landschaften mit funkelnden Kirchthürmen schon geheimnißvoll zwischen den hohen Bäumen herauf. Da kleidete Fortunat sich schnell an, und eilte durch das stille Haus die breiten, däm¬ mernden Marmortreppen hinab. Unter einer luftigen Säulenhalle, die von beiden Seiten mit hohen, aus¬ ländischen Blumen besetzt war, trat er in den präch¬ tigen Garten. Hier war nach dem erfrischenden Re¬ gen der Morgen wie ein bunter Teppich ausgebreitet, auf dem das Schloß gleich einer schlummernden Sphinx noch räthselhaft ruhte. -- Er wollte eben tiefer in das Grün hineingehen, als er überrascht in einiger Entfernung folgendes Lied singen hörte:
der Dorfſchenke in das fuͤrſtliche Schloß geladen wor¬ den, wie wunderbar da beim Wiederſchein Blitze das Schloß in der Nacht ausſah, das Getuͤmmel dann im Hofe, und wie darauf ein Bedienter ihn mitten aus dem Gewirre in dieſes Gemach gewieſen. Hier hatte er durch das Fenſter bemerkt, daß die uͤbri¬ gen Schauſpieler nochmals weiterziehen mußten, und beim truͤben Schein einiger Windlichter einen dunklen Baumgang hinabgefuͤhrt wurden, bis zuletzt die Lich¬ ter, das Rumpeln des Reiſewagens und die wohlbe¬ kannten Stimmen ſich in dem Plaͤtſchern des Regens verloren, der nun ploͤtzlich in Stroͤmen herabſtuͤrzte.
Jetzt aber regte ſich noch kein Laut, nur draußen blickten einzelne Fluͤſſe und Landſchaften mit funkelnden Kirchthuͤrmen ſchon geheimnißvoll zwiſchen den hohen Baͤumen herauf. Da kleidete Fortunat ſich ſchnell an, und eilte durch das ſtille Haus die breiten, daͤm¬ mernden Marmortreppen hinab. Unter einer luftigen Saͤulenhalle, die von beiden Seiten mit hohen, aus¬ laͤndiſchen Blumen beſetzt war, trat er in den praͤch¬ tigen Garten. Hier war nach dem erfriſchenden Re¬ gen der Morgen wie ein bunter Teppich ausgebreitet, auf dem das Schloß gleich einer ſchlummernden Sphinx noch raͤthſelhaft ruhte. — Er wollte eben tiefer in das Gruͤn hineingehen, als er uͤberraſcht in einiger Entfernung folgendes Lied ſingen hoͤrte:
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0095"n="88"/>
der Dorfſchenke in das fuͤrſtliche Schloß geladen wor¬<lb/>
den, wie wunderbar da beim Wiederſchein Blitze<lb/>
das Schloß in der Nacht ausſah, das Getuͤmmel<lb/>
dann im Hofe, und wie darauf ein Bedienter ihn<lb/>
mitten aus dem Gewirre in dieſes Gemach gewieſen.<lb/>
Hier hatte er durch das Fenſter bemerkt, daß die uͤbri¬<lb/>
gen Schauſpieler nochmals weiterziehen mußten, und<lb/>
beim truͤben Schein einiger Windlichter einen dunklen<lb/>
Baumgang hinabgefuͤhrt wurden, bis zuletzt die Lich¬<lb/>
ter, das Rumpeln des Reiſewagens und die wohlbe¬<lb/>
kannten Stimmen ſich in dem Plaͤtſchern des Regens<lb/>
verloren, der nun ploͤtzlich in Stroͤmen herabſtuͤrzte.</p><lb/><p>Jetzt aber regte ſich noch kein Laut, nur draußen<lb/>
blickten einzelne Fluͤſſe und Landſchaften mit funkelnden<lb/>
Kirchthuͤrmen ſchon geheimnißvoll zwiſchen den hohen<lb/>
Baͤumen herauf. Da kleidete Fortunat ſich ſchnell<lb/>
an, und eilte durch das ſtille Haus die breiten, daͤm¬<lb/>
mernden Marmortreppen hinab. Unter einer luftigen<lb/>
Saͤulenhalle, die von beiden Seiten mit hohen, aus¬<lb/>
laͤndiſchen Blumen beſetzt war, trat er in den praͤch¬<lb/>
tigen Garten. Hier war nach dem erfriſchenden Re¬<lb/>
gen der Morgen wie ein bunter Teppich ausgebreitet,<lb/>
auf dem das Schloß gleich einer ſchlummernden<lb/>
Sphinx noch raͤthſelhaft ruhte. — Er wollte eben<lb/>
tiefer in das Gruͤn hineingehen, als er uͤberraſcht in<lb/>
einiger Entfernung folgendes Lied ſingen hoͤrte:</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[88/0095]
der Dorfſchenke in das fuͤrſtliche Schloß geladen wor¬
den, wie wunderbar da beim Wiederſchein Blitze
das Schloß in der Nacht ausſah, das Getuͤmmel
dann im Hofe, und wie darauf ein Bedienter ihn
mitten aus dem Gewirre in dieſes Gemach gewieſen.
Hier hatte er durch das Fenſter bemerkt, daß die uͤbri¬
gen Schauſpieler nochmals weiterziehen mußten, und
beim truͤben Schein einiger Windlichter einen dunklen
Baumgang hinabgefuͤhrt wurden, bis zuletzt die Lich¬
ter, das Rumpeln des Reiſewagens und die wohlbe¬
kannten Stimmen ſich in dem Plaͤtſchern des Regens
verloren, der nun ploͤtzlich in Stroͤmen herabſtuͤrzte.
Jetzt aber regte ſich noch kein Laut, nur draußen
blickten einzelne Fluͤſſe und Landſchaften mit funkelnden
Kirchthuͤrmen ſchon geheimnißvoll zwiſchen den hohen
Baͤumen herauf. Da kleidete Fortunat ſich ſchnell
an, und eilte durch das ſtille Haus die breiten, daͤm¬
mernden Marmortreppen hinab. Unter einer luftigen
Saͤulenhalle, die von beiden Seiten mit hohen, aus¬
laͤndiſchen Blumen beſetzt war, trat er in den praͤch¬
tigen Garten. Hier war nach dem erfriſchenden Re¬
gen der Morgen wie ein bunter Teppich ausgebreitet,
auf dem das Schloß gleich einer ſchlummernden
Sphinx noch raͤthſelhaft ruhte. — Er wollte eben
tiefer in das Gruͤn hineingehen, als er uͤberraſcht in
einiger Entfernung folgendes Lied ſingen hoͤrte:
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/95>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.