Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

Stricken und Leitern herbeigeeilt, und es gelang ihnen
endlich, unter größerem Lärm, als eben nöthig war,
die beiden verirrten Schützen glücklich auf die Ebene
zu bringen. Diese waren indeß übel zugerichtet, der
eine hatte den Hut, der andere den Rockschoß droben
gelassen, am abenteuerlichsten sah der Lange aus mit
knappen, grauen Kamaschen und modernem Jagdkleid,
halb Ueberrock halb Frack, fast lauter Tasche. Kaum
aber sahen sie sich unten in Sicherheit, als sie, Ge¬
fahr und Dank vergessend, sogleich mit spitzigen Wor¬
ten aufeinander losgingen. Jeder schob dem andern die
Schuld zu, es schien, als habe die schöne Jägerin, der
sie in verliebter Galanterie nachgesetzt, sie absichtlich
in dieses Klippen-Labyrinth verlockt. -- So schritten
beide, ohne sich um die Schauspieler weiter zu beküm¬
mern, eilend dem Schlosse zu, und man hörte sie noch
weit durch die Dämmerung zanken.

Jetzt aber fegte der Sturm alles zusammen, von
allen Seiten sah man einzelne Jäger an den einsa¬
men Waldesabhängen herniedersteigen. Da begann
es auch im Schlosse sich wundersam zu rühren, Thü¬
ren wurden geöffnet und geschlossen, Bediente in bun¬
ten reichen Livereyen liefen die Marmortreppen auf
und ab, die hellerleuchteten Fenster, hinter denen sich
in prächtigen Gemächern einzelne Frauengestalten be¬
wegten, warfen einen magischen Schein weit über den
dunkeln Garten. Dann wurde auf einmal alles still

Stricken und Leitern herbeigeeilt, und es gelang ihnen
endlich, unter groͤßerem Laͤrm, als eben noͤthig war,
die beiden verirrten Schuͤtzen gluͤcklich auf die Ebene
zu bringen. Dieſe waren indeß uͤbel zugerichtet, der
eine hatte den Hut, der andere den Rockſchoß droben
gelaſſen, am abenteuerlichſten ſah der Lange aus mit
knappen, grauen Kamaſchen und modernem Jagdkleid,
halb Ueberrock halb Frack, faſt lauter Taſche. Kaum
aber ſahen ſie ſich unten in Sicherheit, als ſie, Ge¬
fahr und Dank vergeſſend, ſogleich mit ſpitzigen Wor¬
ten aufeinander losgingen. Jeder ſchob dem andern die
Schuld zu, es ſchien, als habe die ſchoͤne Jaͤgerin, der
ſie in verliebter Galanterie nachgeſetzt, ſie abſichtlich
in dieſes Klippen-Labyrinth verlockt. — So ſchritten
beide, ohne ſich um die Schauſpieler weiter zu bekuͤm¬
mern, eilend dem Schloſſe zu, und man hoͤrte ſie noch
weit durch die Daͤmmerung zanken.

Jetzt aber fegte der Sturm alles zuſammen, von
allen Seiten ſah man einzelne Jaͤger an den einſa¬
men Waldesabhaͤngen herniederſteigen. Da begann
es auch im Schloſſe ſich wunderſam zu ruͤhren, Thuͤ¬
ren wurden geoͤffnet und geſchloſſen, Bediente in bun¬
ten reichen Livereyen liefen die Marmortreppen auf
und ab, die hellerleuchteten Fenſter, hinter denen ſich
in praͤchtigen Gemaͤchern einzelne Frauengeſtalten be¬
wegten, warfen einen magiſchen Schein weit uͤber den
dunkeln Garten. Dann wurde auf einmal alles ſtill

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0092" n="85"/>
Stricken und Leitern herbeigeeilt, und es gelang ihnen<lb/>
endlich, unter gro&#x0364;ßerem La&#x0364;rm, als eben no&#x0364;thig war,<lb/>
die beiden verirrten Schu&#x0364;tzen glu&#x0364;cklich auf die Ebene<lb/>
zu bringen. Die&#x017F;e waren indeß u&#x0364;bel zugerichtet, der<lb/>
eine hatte den Hut, der andere den Rock&#x017F;choß droben<lb/>
gela&#x017F;&#x017F;en, am abenteuerlich&#x017F;ten &#x017F;ah der Lange aus mit<lb/>
knappen, grauen Kama&#x017F;chen und modernem Jagdkleid,<lb/>
halb Ueberrock halb Frack, fa&#x017F;t lauter Ta&#x017F;che. Kaum<lb/>
aber &#x017F;ahen &#x017F;ie &#x017F;ich unten in Sicherheit, als &#x017F;ie, Ge¬<lb/>
fahr und Dank verge&#x017F;&#x017F;end, &#x017F;ogleich mit &#x017F;pitzigen Wor¬<lb/>
ten aufeinander losgingen. Jeder &#x017F;chob dem andern die<lb/>
Schuld zu, es &#x017F;chien, als habe die &#x017F;cho&#x0364;ne Ja&#x0364;gerin, der<lb/>
&#x017F;ie in verliebter Galanterie nachge&#x017F;etzt, &#x017F;ie ab&#x017F;ichtlich<lb/>
in die&#x017F;es Klippen-Labyrinth verlockt. &#x2014; So &#x017F;chritten<lb/>
beide, ohne &#x017F;ich um die Schau&#x017F;pieler weiter zu beku&#x0364;<lb/>
mern, eilend dem Schlo&#x017F;&#x017F;e zu, und man ho&#x0364;rte &#x017F;ie noch<lb/>
weit durch die Da&#x0364;mmerung zanken.</p><lb/>
          <p>Jetzt aber fegte der Sturm alles zu&#x017F;ammen, von<lb/>
allen Seiten &#x017F;ah man einzelne Ja&#x0364;ger an den ein&#x017F;<lb/>
men Waldesabha&#x0364;ngen hernieder&#x017F;teigen. Da begann<lb/>
es auch im Schlo&#x017F;&#x017F;e &#x017F;ich wunder&#x017F;am zu ru&#x0364;hren, Thu&#x0364;¬<lb/>
ren wurden geo&#x0364;ffnet und ge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en, Bediente in bun¬<lb/>
ten reichen Livereyen liefen die Marmortreppen auf<lb/>
und ab, die hellerleuchteten Fen&#x017F;ter, hinter denen &#x017F;ich<lb/>
in pra&#x0364;chtigen Gema&#x0364;chern einzelne Frauenge&#x017F;talten be¬<lb/>
wegten, warfen einen magi&#x017F;chen Schein weit u&#x0364;ber den<lb/>
dunkeln Garten. Dann wurde auf einmal alles &#x017F;till<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[85/0092] Stricken und Leitern herbeigeeilt, und es gelang ihnen endlich, unter groͤßerem Laͤrm, als eben noͤthig war, die beiden verirrten Schuͤtzen gluͤcklich auf die Ebene zu bringen. Dieſe waren indeß uͤbel zugerichtet, der eine hatte den Hut, der andere den Rockſchoß droben gelaſſen, am abenteuerlichſten ſah der Lange aus mit knappen, grauen Kamaſchen und modernem Jagdkleid, halb Ueberrock halb Frack, faſt lauter Taſche. Kaum aber ſahen ſie ſich unten in Sicherheit, als ſie, Ge¬ fahr und Dank vergeſſend, ſogleich mit ſpitzigen Wor¬ ten aufeinander losgingen. Jeder ſchob dem andern die Schuld zu, es ſchien, als habe die ſchoͤne Jaͤgerin, der ſie in verliebter Galanterie nachgeſetzt, ſie abſichtlich in dieſes Klippen-Labyrinth verlockt. — So ſchritten beide, ohne ſich um die Schauſpieler weiter zu bekuͤm¬ mern, eilend dem Schloſſe zu, und man hoͤrte ſie noch weit durch die Daͤmmerung zanken. Jetzt aber fegte der Sturm alles zuſammen, von allen Seiten ſah man einzelne Jaͤger an den einſa¬ men Waldesabhaͤngen herniederſteigen. Da begann es auch im Schloſſe ſich wunderſam zu ruͤhren, Thuͤ¬ ren wurden geoͤffnet und geſchloſſen, Bediente in bun¬ ten reichen Livereyen liefen die Marmortreppen auf und ab, die hellerleuchteten Fenſter, hinter denen ſich in praͤchtigen Gemaͤchern einzelne Frauengeſtalten be¬ wegten, warfen einen magiſchen Schein weit uͤber den dunkeln Garten. Dann wurde auf einmal alles ſtill

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/92
Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/92>, abgerufen am 25.11.2024.