die Wanderer, als diese durch die zierlichen Jägerhäu¬ ser und die im Walde sich kreuzenden Alleen daran erinnert wurden, daß sie dem Ziel ihrer Reise nicht mehr fern seyn konnten. Von weitem vernahm man nun auch Waldhorn-Signale, einzelne Schüsse und Rufen dazwischen, wie das letzte Verhallen einer großen, weitverbreiteten Jagd. Die Gesellschaft wurde nun nach und nach stiller, jeder rückte sorgsam seine Kleidung zurecht und blickte erwartungsvoll vor sich in die Ferne hinaus. Fortunat aber fühlte sich unbehag¬ lich überrascht, da nun das bisherige fröhliche Reise¬ leben plötzlich zum förmlichen Metier werden sollte.
Jetzt senkte sich der Weg allmälig in's Thal hinab, da sahen sie eine luftige Säulenhalle, rothe Ziegeldächer und stille Wasserspiegel wechselnd aus der Tiefe aufblicken, immer geheimnißvoller, je weiter sie kamen, schimmerte es bald da, bald dort zwischen dem Grün herauf, durch die Wipfel aber leuchtete ein Gewitter, das sie im Walde nicht bemerkt hatten. Auf einmal schrieen die Frauenzimmer kreischend auf, denn grade über ihnen, wie aus den Lüften, ließen sich plötzlich fremde Stimmen vernehmen und auf der, in viele Klüfte zerspaltenen, fast unzugänglichen Fel¬ senwand erblickte man zwei Schützen, die sich offenbar dort zwischen den Steinen verstiegen hatten. Der eine, ein kleiner, dicker runder Mann, der immer da, wo man ihn am wenigsten vermuthete, wie ein Kürbis
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die Wanderer, als dieſe durch die zierlichen Jaͤgerhaͤu¬ ſer und die im Walde ſich kreuzenden Alleen daran erinnert wurden, daß ſie dem Ziel ihrer Reiſe nicht mehr fern ſeyn konnten. Von weitem vernahm man nun auch Waldhorn-Signale, einzelne Schuͤſſe und Rufen dazwiſchen, wie das letzte Verhallen einer großen, weitverbreiteten Jagd. Die Geſellſchaft wurde nun nach und nach ſtiller, jeder ruͤckte ſorgſam ſeine Kleidung zurecht und blickte erwartungsvoll vor ſich in die Ferne hinaus. Fortunat aber fuͤhlte ſich unbehag¬ lich uͤberraſcht, da nun das bisherige froͤhliche Reiſe¬ leben ploͤtzlich zum foͤrmlichen Metier werden ſollte.
Jetzt ſenkte ſich der Weg allmaͤlig in's Thal hinab, da ſahen ſie eine luftige Saͤulenhalle, rothe Ziegeldaͤcher und ſtille Waſſerſpiegel wechſelnd aus der Tiefe aufblicken, immer geheimnißvoller, je weiter ſie kamen, ſchimmerte es bald da, bald dort zwiſchen dem Gruͤn herauf, durch die Wipfel aber leuchtete ein Gewitter, das ſie im Walde nicht bemerkt hatten. Auf einmal ſchrieen die Frauenzimmer kreiſchend auf, denn grade uͤber ihnen, wie aus den Luͤften, ließen ſich ploͤtzlich fremde Stimmen vernehmen und auf der, in viele Kluͤfte zerſpaltenen, faſt unzugaͤnglichen Fel¬ ſenwand erblickte man zwei Schuͤtzen, die ſich offenbar dort zwiſchen den Steinen verſtiegen hatten. Der eine, ein kleiner, dicker runder Mann, der immer da, wo man ihn am wenigſten vermuthete, wie ein Kuͤrbis
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die Wanderer, als dieſe durch die zierlichen Jaͤgerhaͤu¬
ſer und die im Walde ſich kreuzenden Alleen daran
erinnert wurden, daß ſie dem Ziel ihrer Reiſe nicht
mehr fern ſeyn konnten. Von weitem vernahm man
nun auch Waldhorn-Signale, einzelne Schuͤſſe und
Rufen dazwiſchen, wie das letzte Verhallen einer
großen, weitverbreiteten Jagd. Die Geſellſchaft wurde
nun nach und nach ſtiller, jeder ruͤckte ſorgſam ſeine
Kleidung zurecht und blickte erwartungsvoll vor ſich in
die Ferne hinaus. Fortunat aber fuͤhlte ſich unbehag¬
lich uͤberraſcht, da nun das bisherige froͤhliche Reiſe¬
leben ploͤtzlich zum foͤrmlichen Metier werden ſollte.
Jetzt ſenkte ſich der Weg allmaͤlig in's Thal
hinab, da ſahen ſie eine luftige Saͤulenhalle, rothe
Ziegeldaͤcher und ſtille Waſſerſpiegel wechſelnd aus
der Tiefe aufblicken, immer geheimnißvoller, je weiter
ſie kamen, ſchimmerte es bald da, bald dort zwiſchen
dem Gruͤn herauf, durch die Wipfel aber leuchtete
ein Gewitter, das ſie im Walde nicht bemerkt hatten.
Auf einmal ſchrieen die Frauenzimmer kreiſchend auf,
denn grade uͤber ihnen, wie aus den Luͤften, ließen
ſich ploͤtzlich fremde Stimmen vernehmen und auf der,
in viele Kluͤfte zerſpaltenen, faſt unzugaͤnglichen Fel¬
ſenwand erblickte man zwei Schuͤtzen, die ſich offenbar
dort zwiſchen den Steinen verſtiegen hatten. Der
eine, ein kleiner, dicker runder Mann, der immer da,
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Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/90>, abgerufen am 22.11.2024.
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