Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

Fortunat aber, der unterdeß an einem entfernteren
Tisch sein Abendessen verzehrte, war nicht wenig er¬
staunt, als er in Lothario, da er vorhin seine Polizei¬
maske abwarf, und in's volle Licht getreten war, auf
einmal den wunderlichen Cicerone wieder erkannt hatte,
der ihn am ersten Morgen in Hohenstein durch den
Garten begleitet. Er benutzte die plötzliche Stille, um
den alten Bekannten zu begrüßen, Lothario schien über¬
rascht, und sah Fortunaten einen Augenblick durchdrin¬
gend an. -- Hat mich sonst noch jemand dort gesehen?
fragte er endlich, und als Fortunat es verneinte, schien
er noch viele Fragen auf dem Herzen zu haben, besann
sich aber schnell wieder. Ich liebe Hohenstein, sagte
er nach einer kurzen Pause, vor allen andern Orten
und mache, so oft wir in der Nähe vorüberziehen,
einen Abstecher nach dem Garten. -- Doch heut ist's
schon zu spät, wir sprechen wohl noch morgen mehr
davon. -- Hiermit schüttelte er Fortunaten die Hand,
und ging nach dem andern Flügel des Hauses hin.

Fortunat konnte in seiner Kammer lange nicht
einschlafen. Im Hause und unter den Fenstern war
alles still geworden, nur die Bäume neigten sich
rauschend im Winde, während ferne Blitze zuweilen
noch eine plötzliche, gespenstische Helle über den Garten
warfen. Da war es ihm, als nahten sich zwei Ge¬
stalten von ferne dem Hause. Er erkannte Lothario'n,
der mit einem fremden Manne, den er bisher in der

Fortunat aber, der unterdeß an einem entfernteren
Tiſch ſein Abendeſſen verzehrte, war nicht wenig er¬
ſtaunt, als er in Lothario, da er vorhin ſeine Polizei¬
maske abwarf, und in's volle Licht getreten war, auf
einmal den wunderlichen Cicerone wieder erkannt hatte,
der ihn am erſten Morgen in Hohenſtein durch den
Garten begleitet. Er benutzte die ploͤtzliche Stille, um
den alten Bekannten zu begruͤßen, Lothario ſchien uͤber¬
raſcht, und ſah Fortunaten einen Augenblick durchdrin¬
gend an. — Hat mich ſonſt noch jemand dort geſehen?
fragte er endlich, und als Fortunat es verneinte, ſchien
er noch viele Fragen auf dem Herzen zu haben, beſann
ſich aber ſchnell wieder. Ich liebe Hohenſtein, ſagte
er nach einer kurzen Pauſe, vor allen andern Orten
und mache, ſo oft wir in der Naͤhe voruͤberziehen,
einen Abſtecher nach dem Garten. — Doch heut iſt's
ſchon zu ſpaͤt, wir ſprechen wohl noch morgen mehr
davon. — Hiermit ſchuͤttelte er Fortunaten die Hand,
und ging nach dem andern Fluͤgel des Hauſes hin.

Fortunat konnte in ſeiner Kammer lange nicht
einſchlafen. Im Hauſe und unter den Fenſtern war
alles ſtill geworden, nur die Baͤume neigten ſich
rauſchend im Winde, waͤhrend ferne Blitze zuweilen
noch eine ploͤtzliche, geſpenſtiſche Helle uͤber den Garten
warfen. Da war es ihm, als nahten ſich zwei Ge¬
ſtalten von ferne dem Hauſe. Er erkannte Lothario'n,
der mit einem fremden Manne, den er bisher in der

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0081" n="74"/>
          <p>Fortunat aber, der unterdeß an einem entfernteren<lb/>
Ti&#x017F;ch &#x017F;ein Abende&#x017F;&#x017F;en verzehrte, war nicht wenig er¬<lb/>
&#x017F;taunt, als er in Lothario, da er vorhin &#x017F;eine Polizei¬<lb/>
maske abwarf, und in's volle Licht getreten war, auf<lb/>
einmal den wunderlichen Cicerone wieder erkannt hatte,<lb/>
der ihn am er&#x017F;ten Morgen in Hohen&#x017F;tein durch den<lb/>
Garten begleitet. Er benutzte die plo&#x0364;tzliche Stille, um<lb/>
den alten Bekannten zu begru&#x0364;ßen, Lothario &#x017F;chien u&#x0364;ber¬<lb/>
ra&#x017F;cht, und &#x017F;ah Fortunaten einen Augenblick durchdrin¬<lb/>
gend an. &#x2014; Hat mich &#x017F;on&#x017F;t noch jemand dort ge&#x017F;ehen?<lb/>
fragte er endlich, und als Fortunat es verneinte, &#x017F;chien<lb/>
er noch viele Fragen auf dem Herzen zu haben, be&#x017F;ann<lb/>
&#x017F;ich aber &#x017F;chnell wieder. Ich liebe Hohen&#x017F;tein, &#x017F;agte<lb/>
er nach einer kurzen Pau&#x017F;e, vor allen andern Orten<lb/>
und mache, &#x017F;o oft wir in der Na&#x0364;he voru&#x0364;berziehen,<lb/>
einen Ab&#x017F;techer nach dem Garten. &#x2014; Doch heut i&#x017F;t's<lb/>
&#x017F;chon zu &#x017F;pa&#x0364;t, wir &#x017F;prechen wohl noch morgen mehr<lb/>
davon. &#x2014; Hiermit &#x017F;chu&#x0364;ttelte er Fortunaten die Hand,<lb/>
und ging nach dem andern Flu&#x0364;gel des Hau&#x017F;es hin.</p><lb/>
          <p>Fortunat konnte in &#x017F;einer Kammer lange nicht<lb/>
ein&#x017F;chlafen. Im Hau&#x017F;e und unter den Fen&#x017F;tern war<lb/>
alles &#x017F;till geworden, nur die Ba&#x0364;ume neigten &#x017F;ich<lb/>
rau&#x017F;chend im Winde, wa&#x0364;hrend ferne Blitze zuweilen<lb/>
noch eine plo&#x0364;tzliche, ge&#x017F;pen&#x017F;ti&#x017F;che Helle u&#x0364;ber den Garten<lb/>
warfen. Da war es ihm, als nahten &#x017F;ich zwei Ge¬<lb/>
&#x017F;talten von ferne dem Hau&#x017F;e. Er erkannte Lothario'n,<lb/>
der mit einem fremden Manne, den er bisher in der<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[74/0081] Fortunat aber, der unterdeß an einem entfernteren Tiſch ſein Abendeſſen verzehrte, war nicht wenig er¬ ſtaunt, als er in Lothario, da er vorhin ſeine Polizei¬ maske abwarf, und in's volle Licht getreten war, auf einmal den wunderlichen Cicerone wieder erkannt hatte, der ihn am erſten Morgen in Hohenſtein durch den Garten begleitet. Er benutzte die ploͤtzliche Stille, um den alten Bekannten zu begruͤßen, Lothario ſchien uͤber¬ raſcht, und ſah Fortunaten einen Augenblick durchdrin¬ gend an. — Hat mich ſonſt noch jemand dort geſehen? fragte er endlich, und als Fortunat es verneinte, ſchien er noch viele Fragen auf dem Herzen zu haben, beſann ſich aber ſchnell wieder. Ich liebe Hohenſtein, ſagte er nach einer kurzen Pauſe, vor allen andern Orten und mache, ſo oft wir in der Naͤhe voruͤberziehen, einen Abſtecher nach dem Garten. — Doch heut iſt's ſchon zu ſpaͤt, wir ſprechen wohl noch morgen mehr davon. — Hiermit ſchuͤttelte er Fortunaten die Hand, und ging nach dem andern Fluͤgel des Hauſes hin. Fortunat konnte in ſeiner Kammer lange nicht einſchlafen. Im Hauſe und unter den Fenſtern war alles ſtill geworden, nur die Baͤume neigten ſich rauſchend im Winde, waͤhrend ferne Blitze zuweilen noch eine ploͤtzliche, geſpenſtiſche Helle uͤber den Garten warfen. Da war es ihm, als nahten ſich zwei Ge¬ ſtalten von ferne dem Hauſe. Er erkannte Lothario'n, der mit einem fremden Manne, den er bisher in der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/81
Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/81>, abgerufen am 22.11.2024.