Speis' und Trank und alle die schöne, stille, herrliche Zeit aus Herzensgrund Dank sagen, und hiermit so¬ gleich schon heut Abschied nehmen wolle, da er noch vor Tagesanbruch weiterzuziehen gedenke. Florentine wurde bei diesen Worten ganz roth, sie setzte sich schmollend auf eine entfernte Bank, und Fortunat glaubte zu bemerken, daß ihre abgewendeten Augen von Thränen glänzten. Auch die Andern machten ihm durch ihre aufrichtige Trauer das Herz schwer, denn sie hatten sich alle in der kurzen Zeit schon an seine fröhliche Weise verwöhnt. Er mußte versprechen, wiederzukommen, und ihnen noch ausführlich von den Ländern und Städten erzählen, wohin seine Reise ging; so saßen sie noch lange plaudernd vor der Haus¬ thür beisammen. Beim Schlafengehen endlich flüsterte ihm Florentine noch heimlich zu: Und ich werde doch auf seyn, eh' Sie wegreiten! --
Er hatte alle Fenster des Schlafzimmers offen ge¬ lassen, um den Morgen nicht zu verschlafen. Da war es ihm, als gingen draußen fröhliche Stimmen unter den Fenstern auf und nieder, und riefen immerfort in seinen Schlummer hinein: Frisch auf, schlafe nicht mehr! Wunderbare Berge und Gründe, schimmernde Fernen, frisch auf! und schöne, helle, fröhliche Zeit! -- Er sprang endlich empor, und blickte durchs Fenster. Es war noch Nacht; dennoch kleidete er sich in lang¬ entbehrter Reiselust sogleich an, ging durch das stille
Speiſ’ und Trank und alle die ſchoͤne, ſtille, herrliche Zeit aus Herzensgrund Dank ſagen, und hiermit ſo¬ gleich ſchon heut Abſchied nehmen wolle, da er noch vor Tagesanbruch weiterzuziehen gedenke. Florentine wurde bei dieſen Worten ganz roth, ſie ſetzte ſich ſchmollend auf eine entfernte Bank, und Fortunat glaubte zu bemerken, daß ihre abgewendeten Augen von Thraͤnen glaͤnzten. Auch die Andern machten ihm durch ihre aufrichtige Trauer das Herz ſchwer, denn ſie hatten ſich alle in der kurzen Zeit ſchon an ſeine froͤhliche Weiſe verwoͤhnt. Er mußte verſprechen, wiederzukommen, und ihnen noch ausfuͤhrlich von den Laͤndern und Staͤdten erzaͤhlen, wohin ſeine Reiſe ging; ſo ſaßen ſie noch lange plaudernd vor der Haus¬ thuͤr beiſammen. Beim Schlafengehen endlich fluͤſterte ihm Florentine noch heimlich zu: Und ich werde doch auf ſeyn, eh' Sie wegreiten! —
Er hatte alle Fenſter des Schlafzimmers offen ge¬ laſſen, um den Morgen nicht zu verſchlafen. Da war es ihm, als gingen draußen froͤhliche Stimmen unter den Fenſtern auf und nieder, und riefen immerfort in ſeinen Schlummer hinein: Friſch auf, ſchlafe nicht mehr! Wunderbare Berge und Gruͤnde, ſchimmernde Fernen, friſch auf! und ſchoͤne, helle, froͤhliche Zeit! — Er ſprang endlich empor, und blickte durchs Fenſter. Es war noch Nacht; dennoch kleidete er ſich in lang¬ entbehrter Reiſeluſt ſogleich an, ging durch das ſtille
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Speiſ’ und Trank und alle die ſchoͤne, ſtille, herrliche
Zeit aus Herzensgrund Dank ſagen, und hiermit ſo¬
gleich ſchon heut Abſchied nehmen wolle, da er noch
vor Tagesanbruch weiterzuziehen gedenke. Florentine
wurde bei dieſen Worten ganz roth, ſie ſetzte ſich
ſchmollend auf eine entfernte Bank, und Fortunat
glaubte zu bemerken, daß ihre abgewendeten Augen
von Thraͤnen glaͤnzten. Auch die Andern machten
ihm durch ihre aufrichtige Trauer das Herz ſchwer,
denn ſie hatten ſich alle in der kurzen Zeit ſchon an
ſeine froͤhliche Weiſe verwoͤhnt. Er mußte verſprechen,
wiederzukommen, und ihnen noch ausfuͤhrlich von den
Laͤndern und Staͤdten erzaͤhlen, wohin ſeine Reiſe
ging; ſo ſaßen ſie noch lange plaudernd vor der Haus¬
thuͤr beiſammen. Beim Schlafengehen endlich fluͤſterte
ihm Florentine noch heimlich zu: Und ich werde doch
auf ſeyn, eh' Sie wegreiten! —
Er hatte alle Fenſter des Schlafzimmers offen ge¬
laſſen, um den Morgen nicht zu verſchlafen. Da war
es ihm, als gingen draußen froͤhliche Stimmen unter
den Fenſtern auf und nieder, und riefen immerfort in
ſeinen Schlummer hinein: Friſch auf, ſchlafe nicht
mehr! Wunderbare Berge und Gruͤnde, ſchimmernde
Fernen, friſch auf! und ſchoͤne, helle, froͤhliche Zeit! —
Er ſprang endlich empor, und blickte durchs Fenſter.
Es war noch Nacht; dennoch kleidete er ſich in lang¬
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Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/65>, abgerufen am 22.11.2024.
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