der Ferne. Otto schwieg und schien gefaßter. Walter sagte: er brauche ja darum die Poesie nicht ganz auf¬ zugeben, es bedürfe eines des andern, die Poesie des strengen, ernsten Lebens und das Leben der heiteren Dichtkunst. Aber er fühlte bald, wie albern solcher Trost in solcher Stunde war, und schwieg endlich auch still.
So kamen sie an das Haus, wo sie die Amt¬ mannin in Angst und Thränen fanden. Sie hatte zuletzt gefürchtet, daß Otto in seiner Heftigkeit sich selbst ein Leids angethan, und fiel nun dem Geretteten mit großer Freude um den Hals, die dieser herzlich erwiederte. Es ist vorbei, rief Otto in seiner seltsa¬ men Hast, ihr habt mich nun ganz wieder, und näch¬ stens, will's Gott, ist Examen! -- Du bist ein braver Junge, rief der Amtmann, stoß' an! -- Die Gläser gaben einen hellen Klang, und so endigte der Abend noch in Freuden; die fernen Gewitter hatten sich auch verzogen, und der Himmel glänzte mit tausend Ster¬ nen über den Versöhnten.
der Ferne. Otto ſchwieg und ſchien gefaßter. Walter ſagte: er brauche ja darum die Poeſie nicht ganz auf¬ zugeben, es beduͤrfe eines des andern, die Poeſie des ſtrengen, ernſten Lebens und das Leben der heiteren Dichtkunſt. Aber er fuͤhlte bald, wie albern ſolcher Troſt in ſolcher Stunde war, und ſchwieg endlich auch ſtill.
So kamen ſie an das Haus, wo ſie die Amt¬ mannin in Angſt und Thraͤnen fanden. Sie hatte zuletzt gefuͤrchtet, daß Otto in ſeiner Heftigkeit ſich ſelbſt ein Leids angethan, und fiel nun dem Geretteten mit großer Freude um den Hals, die dieſer herzlich erwiederte. Es iſt vorbei, rief Otto in ſeiner ſeltſa¬ men Haſt, ihr habt mich nun ganz wieder, und naͤch¬ ſtens, will's Gott, iſt Examen! — Du biſt ein braver Junge, rief der Amtmann, ſtoß' an! — Die Glaͤſer gaben einen hellen Klang, und ſo endigte der Abend noch in Freuden; die fernen Gewitter hatten ſich auch verzogen, und der Himmel glaͤnzte mit tauſend Ster¬ nen uͤber den Verſoͤhnten.
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der Ferne. Otto ſchwieg und ſchien gefaßter. Walter
ſagte: er brauche ja darum die Poeſie nicht ganz auf¬
zugeben, es beduͤrfe eines des andern, die Poeſie des
ſtrengen, ernſten Lebens und das Leben der heiteren
Dichtkunſt. Aber er fuͤhlte bald, wie albern ſolcher
Troſt in ſolcher Stunde war, und ſchwieg endlich
auch ſtill.
So kamen ſie an das Haus, wo ſie die Amt¬
mannin in Angſt und Thraͤnen fanden. Sie hatte
zuletzt gefuͤrchtet, daß Otto in ſeiner Heftigkeit ſich
ſelbſt ein Leids angethan, und fiel nun dem Geretteten
mit großer Freude um den Hals, die dieſer herzlich
erwiederte. Es iſt vorbei, rief Otto in ſeiner ſeltſa¬
men Haſt, ihr habt mich nun ganz wieder, und naͤch¬
ſtens, will's Gott, iſt Examen! — Du biſt ein braver
Junge, rief der Amtmann, ſtoß' an! — Die Glaͤſer
gaben einen hellen Klang, und ſo endigte der Abend
noch in Freuden; die fernen Gewitter hatten ſich auch
verzogen, und der Himmel glaͤnzte mit tauſend Ster¬
nen uͤber den Verſoͤhnten.
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Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/57>, abgerufen am 22.11.2024.
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