im Ohre klingen. -- Wohl ihm, entgegnete der Be¬ gleiter, er hatte rasch gelebt und stand schon müd' und schlaftrunken im tiefen Abendroth, dort ruht er aus.
Sie traten durch ein halbverfallenes Bogenthor auf einen freien grünen Platz, es schien ein ehemaliger Kloster-Kirchhof zu seyn. Ein neues Grab, so eben erst mit schönem Rasen belegt, schimmerte ihnen thau¬ frisch entgegen. Ein Mönch kniete betend daneben zwischen wilden, bunten Blumen, und Vögel flatterten und sangen lustig in dem jungen Grün, das aus allen Mauerritzen rankte, über die Gräber aber leuchtete auf einmal eine unermeßliche, prächtige Aussicht aus der rauschenden Tiefe herauf. -- Gott gebe jedem Dichter solch ein Grab! rief Fortunat freudig über¬ rascht.
Bei dem Klang seiner Stimme aber hob sich's plötzlich unter den Blumen, er stand wie im Traum -- es war Fiametta. Ist er da! rief sie emporfahrend aus, schüttelte die Locken aus dem Gesicht und sprang fröhlich zu ihm. Nun kam zu seinem Erstaunen auch Walter eilig zwischen den Steinen hervor mit einem Einsiedler und einem Fremden, der Fortunaten mit den klugen, scharfen Augen freundlich betrachtete. Wie haben wir dich gesucht, rief Walter schon von weitem, wer von uns hätte das gedacht! -- Aber Fortunat konnte sich noch gar nichts denken, er blickte verwirrt in dem Kreise umher. Da glänzten unten die Thäler
im Ohre klingen. — Wohl ihm, entgegnete der Be¬ gleiter, er hatte raſch gelebt und ſtand ſchon muͤd' und ſchlaftrunken im tiefen Abendroth, dort ruht er aus.
Sie traten durch ein halbverfallenes Bogenthor auf einen freien gruͤnen Platz, es ſchien ein ehemaliger Kloſter-Kirchhof zu ſeyn. Ein neues Grab, ſo eben erſt mit ſchoͤnem Raſen belegt, ſchimmerte ihnen thau¬ friſch entgegen. Ein Moͤnch kniete betend daneben zwiſchen wilden, bunten Blumen, und Voͤgel flatterten und ſangen luſtig in dem jungen Gruͤn, das aus allen Mauerritzen rankte, uͤber die Graͤber aber leuchtete auf einmal eine unermeßliche, praͤchtige Ausſicht aus der rauſchenden Tiefe herauf. — Gott gebe jedem Dichter ſolch ein Grab! rief Fortunat freudig uͤber¬ raſcht.
Bei dem Klang ſeiner Stimme aber hob ſich's ploͤtzlich unter den Blumen, er ſtand wie im Traum — es war Fiametta. Iſt er da! rief ſie emporfahrend aus, ſchuͤttelte die Locken aus dem Geſicht und ſprang froͤhlich zu ihm. Nun kam zu ſeinem Erſtaunen auch Walter eilig zwiſchen den Steinen hervor mit einem Einſiedler und einem Fremden, der Fortunaten mit den klugen, ſcharfen Augen freundlich betrachtete. Wie haben wir dich geſucht, rief Walter ſchon von weitem, wer von uns haͤtte das gedacht! — Aber Fortunat konnte ſich noch gar nichts denken, er blickte verwirrt in dem Kreiſe umher. Da glaͤnzten unten die Thaͤler
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im Ohre klingen. — Wohl ihm, entgegnete der Be¬
gleiter, er hatte raſch gelebt und ſtand ſchon muͤd'
und ſchlaftrunken im tiefen Abendroth, dort ruht er aus.
Sie traten durch ein halbverfallenes Bogenthor
auf einen freien gruͤnen Platz, es ſchien ein ehemaliger
Kloſter-Kirchhof zu ſeyn. Ein neues Grab, ſo eben
erſt mit ſchoͤnem Raſen belegt, ſchimmerte ihnen thau¬
friſch entgegen. Ein Moͤnch kniete betend daneben
zwiſchen wilden, bunten Blumen, und Voͤgel flatterten
und ſangen luſtig in dem jungen Gruͤn, das aus allen
Mauerritzen rankte, uͤber die Graͤber aber leuchtete
auf einmal eine unermeßliche, praͤchtige Ausſicht aus
der rauſchenden Tiefe herauf. — Gott gebe jedem
Dichter ſolch ein Grab! rief Fortunat freudig uͤber¬
raſcht.
Bei dem Klang ſeiner Stimme aber hob ſich's
ploͤtzlich unter den Blumen, er ſtand wie im Traum —
es war Fiametta. Iſt er da! rief ſie emporfahrend
aus, ſchuͤttelte die Locken aus dem Geſicht und ſprang
froͤhlich zu ihm. Nun kam zu ſeinem Erſtaunen auch
Walter eilig zwiſchen den Steinen hervor mit einem
Einſiedler und einem Fremden, der Fortunaten mit
den klugen, ſcharfen Augen freundlich betrachtete. Wie
haben wir dich geſucht, rief Walter ſchon von weitem,
wer von uns haͤtte das gedacht! — Aber Fortunat
konnte ſich noch gar nichts denken, er blickte verwirrt
in dem Kreiſe umher. Da glaͤnzten unten die Thaͤler
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Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 363. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/370>, abgerufen am 24.11.2024.
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