Klause, doch so, daß er seitwärts die eine Wand im Auge behielt; er traute dem dürren Gesellen im Win¬ kel doch nicht recht, daß er sich nicht unversehens er¬ hübe und murmelnd am Tisch aus dem Buche zu lesen anfing. Draußen aber war es so endlos still, er hörte nur manchmal das Schnauben des Pferdes und den Schrei des Wildes tiefer im Wald, vor ihm streiften durchsichtige Wolken gespensterhaft-leise den Rasen wie Schleppen fliehender Feen.
In dieser Einsamkeit überwältigte endlich der Schlaf den Erschöpften, und als er mitten in der Nacht plötzlich wieder aufwachte, waren die Wetter unterdeß verzogen, der Mond schien prächtig über die Wälder. Da war's ihm, als hörte er in einiger Ent¬ fernung zwei Männer eifrig mit einander sprechen, und im zitternden Mondlicht unter den Bäumen bemerkte er einen riesengroßen Mönch, der mit einem Unbe¬ kannten schnell durch den Wald fort ging. Vor dem Rauschen der Wipfel konnte er nur einzelne abgebro¬ chene Laute vernehmen, er hörte aber deutlich, wie sie im Gespräch mehrmals seinen und Fiametta's Namen nannten. -- Träume ich denn, oder träumt diese phantastische Nacht von mir? -- rief er erschrocken aufspringend aus, aber die Stimmen waren schon weit, und auf der stillen Höh', wo sie sich endlich im Dunkel ganz verloren hatten, sah er nun plötzlich eine Fackel aufleuchten. Mehrere dunkle Gestalten folgten,
Klauſe, doch ſo, daß er ſeitwaͤrts die eine Wand im Auge behielt; er traute dem duͤrren Geſellen im Win¬ kel doch nicht recht, daß er ſich nicht unverſehens er¬ huͤbe und murmelnd am Tiſch aus dem Buche zu leſen anfing. Draußen aber war es ſo endlos ſtill, er hoͤrte nur manchmal das Schnauben des Pferdes und den Schrei des Wildes tiefer im Wald, vor ihm ſtreiften durchſichtige Wolken geſpenſterhaft-leiſe den Raſen wie Schleppen fliehender Feen.
In dieſer Einſamkeit uͤberwaͤltigte endlich der Schlaf den Erſchoͤpften, und als er mitten in der Nacht ploͤtzlich wieder aufwachte, waren die Wetter unterdeß verzogen, der Mond ſchien praͤchtig uͤber die Waͤlder. Da war's ihm, als hoͤrte er in einiger Ent¬ fernung zwei Maͤnner eifrig mit einander ſprechen, und im zitternden Mondlicht unter den Baͤumen bemerkte er einen rieſengroßen Moͤnch, der mit einem Unbe¬ kannten ſchnell durch den Wald fort ging. Vor dem Rauſchen der Wipfel konnte er nur einzelne abgebro¬ chene Laute vernehmen, er hoͤrte aber deutlich, wie ſie im Geſpraͤch mehrmals ſeinen und Fiametta's Namen nannten. — Traͤume ich denn, oder traͤumt dieſe phantaſtiſche Nacht von mir? — rief er erſchrocken aufſpringend aus, aber die Stimmen waren ſchon weit, und auf der ſtillen Hoͤh', wo ſie ſich endlich im Dunkel ganz verloren hatten, ſah er nun ploͤtzlich eine Fackel aufleuchten. Mehrere dunkle Geſtalten folgten,
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Klauſe, doch ſo, daß er ſeitwaͤrts die eine Wand im
Auge behielt; er traute dem duͤrren Geſellen im Win¬
kel doch nicht recht, daß er ſich nicht unverſehens er¬
huͤbe und murmelnd am Tiſch aus dem Buche zu leſen
anfing. Draußen aber war es ſo endlos ſtill, er hoͤrte
nur manchmal das Schnauben des Pferdes und den
Schrei des Wildes tiefer im Wald, vor ihm ſtreiften
durchſichtige Wolken geſpenſterhaft-leiſe den Raſen wie
Schleppen fliehender Feen.
In dieſer Einſamkeit uͤberwaͤltigte endlich der
Schlaf den Erſchoͤpften, und als er mitten in der
Nacht ploͤtzlich wieder aufwachte, waren die Wetter
unterdeß verzogen, der Mond ſchien praͤchtig uͤber die
Waͤlder. Da war's ihm, als hoͤrte er in einiger Ent¬
fernung zwei Maͤnner eifrig mit einander ſprechen, und
im zitternden Mondlicht unter den Baͤumen bemerkte
er einen rieſengroßen Moͤnch, der mit einem Unbe¬
kannten ſchnell durch den Wald fort ging. Vor dem
Rauſchen der Wipfel konnte er nur einzelne abgebro¬
chene Laute vernehmen, er hoͤrte aber deutlich, wie ſie
im Geſpraͤch mehrmals ſeinen und Fiametta's Namen
nannten. — Traͤume ich denn, oder traͤumt dieſe
phantaſtiſche Nacht von mir? — rief er erſchrocken
aufſpringend aus, aber die Stimmen waren ſchon
weit, und auf der ſtillen Hoͤh', wo ſie ſich endlich im
Dunkel ganz verloren hatten, ſah er nun ploͤtzlich eine
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Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 359. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/366>, abgerufen am 23.11.2024.
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