des Morgens auf eine geschickte Art wieder mit ihnen zu vereinigen. --
Als er geendigt hatte, hüllte er sich in sich selbst, um den Hagelschauer freundschaftlicher Vorwürfe ge¬ duldig abzuwarten. Walter aber, aus seiner einför¬ migen Einsamkeit so auf einmal mitten in das roman¬ tischste Abenteuer mit hineingeworfen, rief zu seinem Erstaunen: Deine kleine Marchesin will ich mit Gut und Blut wie meinen Augapfel beschützen, und rannte dann voll Begeisterung sogleich nach dem Hause zu. Unterwegs begegnete ihnen Florentine und fragte, was sie vorhätten? Walter in seiner Freude erwischte sie bloß beim Kopf, küßte sie tüchtig ab und wollte wei¬ ter. Aber sie hielt ihn fest. Thut mir nur nicht so wichtig und geheimnißvoll, sagte sie, merkt' ich's doch längst! -- Walter sah sie groß an. -- Dieser Herr Vetter aus Italien -- fuhr sie fort -- wie er sich gleich Anfangs vorsichtig auf den Stuhl setzte, als wollt' er sich die Röcke nicht zerknittern -- sein Gang, die Stimme -- dann -- hier stockte sie plötzlich -- Nun? fragte Fortunat. -- Dann sah er Sie einmal lange, lange an, als Sie eben mit den Andern spra¬ chen und Niemand Acht gab. -- Jetzt standen sie eben auf einer freien Anhöhe. Jenseits von den Wald¬ bergen leuchtete die alte Burg in der Morgensonne herüber, wo Florentine ihm auf jener Spazierfahrt einmal flüchtig einen Kuß gegeben hatte -- sie dachten
des Morgens auf eine geſchickte Art wieder mit ihnen zu vereinigen. —
Als er geendigt hatte, huͤllte er ſich in ſich ſelbſt, um den Hagelſchauer freundſchaftlicher Vorwuͤrfe ge¬ duldig abzuwarten. Walter aber, aus ſeiner einfoͤr¬ migen Einſamkeit ſo auf einmal mitten in das roman¬ tiſchſte Abenteuer mit hineingeworfen, rief zu ſeinem Erſtaunen: Deine kleine Marcheſin will ich mit Gut und Blut wie meinen Augapfel beſchuͤtzen, und rannte dann voll Begeiſterung ſogleich nach dem Hauſe zu. Unterwegs begegnete ihnen Florentine und fragte, was ſie vorhaͤtten? Walter in ſeiner Freude erwiſchte ſie bloß beim Kopf, kuͤßte ſie tuͤchtig ab und wollte wei¬ ter. Aber ſie hielt ihn feſt. Thut mir nur nicht ſo wichtig und geheimnißvoll, ſagte ſie, merkt' ich's doch laͤngſt! — Walter ſah ſie groß an. — Dieſer Herr Vetter aus Italien — fuhr ſie fort — wie er ſich gleich Anfangs vorſichtig auf den Stuhl ſetzte, als wollt' er ſich die Roͤcke nicht zerknittern — ſein Gang, die Stimme — dann — hier ſtockte ſie ploͤtzlich — Nun? fragte Fortunat. — Dann ſah er Sie einmal lange, lange an, als Sie eben mit den Andern ſpra¬ chen und Niemand Acht gab. — Jetzt ſtanden ſie eben auf einer freien Anhoͤhe. Jenſeits von den Wald¬ bergen leuchtete die alte Burg in der Morgenſonne heruͤber, wo Florentine ihm auf jener Spazierfahrt einmal fluͤchtig einen Kuß gegeben hatte — ſie dachten
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des Morgens auf eine geſchickte Art wieder mit ihnen
zu vereinigen. —
Als er geendigt hatte, huͤllte er ſich in ſich ſelbſt,
um den Hagelſchauer freundſchaftlicher Vorwuͤrfe ge¬
duldig abzuwarten. Walter aber, aus ſeiner einfoͤr¬
migen Einſamkeit ſo auf einmal mitten in das roman¬
tiſchſte Abenteuer mit hineingeworfen, rief zu ſeinem
Erſtaunen: Deine kleine Marcheſin will ich mit Gut
und Blut wie meinen Augapfel beſchuͤtzen, und rannte
dann voll Begeiſterung ſogleich nach dem Hauſe zu.
Unterwegs begegnete ihnen Florentine und fragte, was
ſie vorhaͤtten? Walter in ſeiner Freude erwiſchte ſie
bloß beim Kopf, kuͤßte ſie tuͤchtig ab und wollte wei¬
ter. Aber ſie hielt ihn feſt. Thut mir nur nicht ſo
wichtig und geheimnißvoll, ſagte ſie, merkt' ich's doch
laͤngſt! — Walter ſah ſie groß an. — Dieſer Herr
Vetter aus Italien — fuhr ſie fort — wie er ſich
gleich Anfangs vorſichtig auf den Stuhl ſetzte, als
wollt' er ſich die Roͤcke nicht zerknittern — ſein Gang,
die Stimme — dann — hier ſtockte ſie ploͤtzlich —
Nun? fragte Fortunat. — Dann ſah er Sie einmal
lange, lange an, als Sie eben mit den Andern ſpra¬
chen und Niemand Acht gab. — Jetzt ſtanden ſie
eben auf einer freien Anhoͤhe. Jenſeits von den Wald¬
bergen leuchtete die alte Burg in der Morgenſonne
heruͤber, wo Florentine ihm auf jener Spazierfahrt
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Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 348. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/355>, abgerufen am 23.11.2024.
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