herum -- er erkennt mit freudigem Schrecken die rei¬ sende Dame von heut Abend im Walde.
Sie sah ihn erstaunt an, indem sie seine Hand losließ. Dann bemerkte sie eine ihrer Rosen, die er noch im Knopfloch trug, eine flüchtige Röthe flog über ihr schönes Gesicht. Aber, sagte sie kopfschüttelnd, wie haben Sie mich denn so bald aufgefunden? Er er¬ zählte nun sein Erwachen auf dem Berge, seine Un¬ ruhe darauf, und den Streifzug durch die schöne Nacht. Aber sie war ganz zerstreut, sie schien auf etwas zu sinnen. Dann sprang sie schnell zur Thür hinaus, er hörte sie draußen lebhaft mit Jemand sprechen.
In dieser seltsamen Lage schaute er betroffen im Zimmer umher. Eine Alabaster-Lampe beleuchtete wunderbar das kostbarste Geräth, auf dem eine Gui¬ tarre und aufgeschlagene Notenhefte unordentlich her¬ umlagen. Hohe, ausländische Gewächse rankten sich schlangenartig an den Wänden empor und hingen mit ihren glühenden Blüthen in die träumerische Dämme¬ rung herein, als spiegelten sie sich in dem reichen Tep¬ pich am Boden.
Armer Junge! du wirst recht müde sein, sagte jetzt die Unbekannte, indem sie fröhlich wieder herein¬ trat und ihn auf den Divan niederzog. Sie setzte sich dicht neben ihn, ein Bein über das andere geschlagen, er mußte ihr erzählen, woher er gekommen, wer er sei, und was er hier treibe. -- Also so sieht ein Dichter
herum — er erkennt mit freudigem Schrecken die rei¬ ſende Dame von heut Abend im Walde.
Sie ſah ihn erſtaunt an, indem ſie ſeine Hand losließ. Dann bemerkte ſie eine ihrer Roſen, die er noch im Knopfloch trug, eine fluͤchtige Roͤthe flog uͤber ihr ſchoͤnes Geſicht. Aber, ſagte ſie kopfſchuͤttelnd, wie haben Sie mich denn ſo bald aufgefunden? Er er¬ zaͤhlte nun ſein Erwachen auf dem Berge, ſeine Un¬ ruhe darauf, und den Streifzug durch die ſchoͤne Nacht. Aber ſie war ganz zerſtreut, ſie ſchien auf etwas zu ſinnen. Dann ſprang ſie ſchnell zur Thuͤr hinaus, er hoͤrte ſie draußen lebhaft mit Jemand ſprechen.
In dieſer ſeltſamen Lage ſchaute er betroffen im Zimmer umher. Eine Alabaſter-Lampe beleuchtete wunderbar das koſtbarſte Geraͤth, auf dem eine Gui¬ tarre und aufgeſchlagene Notenhefte unordentlich her¬ umlagen. Hohe, auslaͤndiſche Gewaͤchſe rankten ſich ſchlangenartig an den Waͤnden empor und hingen mit ihren gluͤhenden Bluͤthen in die traͤumeriſche Daͤmme¬ rung herein, als ſpiegelten ſie ſich in dem reichen Tep¬ pich am Boden.
Armer Junge! du wirſt recht muͤde ſein, ſagte jetzt die Unbekannte, indem ſie froͤhlich wieder herein¬ trat und ihn auf den Divan niederzog. Sie ſetzte ſich dicht neben ihn, ein Bein uͤber das andere geſchlagen, er mußte ihr erzaͤhlen, woher er gekommen, wer er ſei, und was er hier treibe. — Alſo ſo ſieht ein Dichter
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0318"n="311"/>
herum — er erkennt mit freudigem Schrecken die rei¬<lb/>ſende Dame von heut Abend im Walde.</p><lb/><p>Sie ſah ihn erſtaunt an, indem ſie ſeine Hand<lb/>
losließ. Dann bemerkte ſie eine ihrer Roſen, die er<lb/>
noch im Knopfloch trug, eine fluͤchtige Roͤthe flog uͤber<lb/>
ihr ſchoͤnes Geſicht. Aber, ſagte ſie kopfſchuͤttelnd, wie<lb/>
haben Sie mich denn ſo bald aufgefunden? Er er¬<lb/>
zaͤhlte nun ſein Erwachen auf dem Berge, ſeine Un¬<lb/>
ruhe darauf, und den Streifzug durch die ſchoͤne Nacht.<lb/>
Aber ſie war ganz zerſtreut, ſie ſchien auf etwas zu<lb/>ſinnen. Dann ſprang ſie ſchnell zur Thuͤr hinaus, er<lb/>
hoͤrte ſie draußen lebhaft mit Jemand ſprechen.</p><lb/><p>In dieſer ſeltſamen Lage ſchaute er betroffen im<lb/>
Zimmer umher. Eine Alabaſter-Lampe beleuchtete<lb/>
wunderbar das koſtbarſte Geraͤth, auf dem eine Gui¬<lb/>
tarre und aufgeſchlagene Notenhefte unordentlich her¬<lb/>
umlagen. Hohe, auslaͤndiſche Gewaͤchſe rankten ſich<lb/>ſchlangenartig an den Waͤnden empor und hingen mit<lb/>
ihren gluͤhenden Bluͤthen in die traͤumeriſche Daͤmme¬<lb/>
rung herein, als ſpiegelten ſie ſich in dem reichen Tep¬<lb/>
pich am Boden.</p><lb/><p>Armer Junge! du wirſt recht muͤde ſein, ſagte<lb/>
jetzt die Unbekannte, indem ſie froͤhlich wieder herein¬<lb/>
trat und ihn auf den Divan niederzog. Sie ſetzte ſich<lb/>
dicht neben ihn, ein Bein uͤber das andere geſchlagen,<lb/>
er mußte ihr erzaͤhlen, woher er gekommen, wer er ſei,<lb/>
und was er hier treibe. — Alſo ſo ſieht ein Dichter<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[311/0318]
herum — er erkennt mit freudigem Schrecken die rei¬
ſende Dame von heut Abend im Walde.
Sie ſah ihn erſtaunt an, indem ſie ſeine Hand
losließ. Dann bemerkte ſie eine ihrer Roſen, die er
noch im Knopfloch trug, eine fluͤchtige Roͤthe flog uͤber
ihr ſchoͤnes Geſicht. Aber, ſagte ſie kopfſchuͤttelnd, wie
haben Sie mich denn ſo bald aufgefunden? Er er¬
zaͤhlte nun ſein Erwachen auf dem Berge, ſeine Un¬
ruhe darauf, und den Streifzug durch die ſchoͤne Nacht.
Aber ſie war ganz zerſtreut, ſie ſchien auf etwas zu
ſinnen. Dann ſprang ſie ſchnell zur Thuͤr hinaus, er
hoͤrte ſie draußen lebhaft mit Jemand ſprechen.
In dieſer ſeltſamen Lage ſchaute er betroffen im
Zimmer umher. Eine Alabaſter-Lampe beleuchtete
wunderbar das koſtbarſte Geraͤth, auf dem eine Gui¬
tarre und aufgeſchlagene Notenhefte unordentlich her¬
umlagen. Hohe, auslaͤndiſche Gewaͤchſe rankten ſich
ſchlangenartig an den Waͤnden empor und hingen mit
ihren gluͤhenden Bluͤthen in die traͤumeriſche Daͤmme¬
rung herein, als ſpiegelten ſie ſich in dem reichen Tep¬
pich am Boden.
Armer Junge! du wirſt recht muͤde ſein, ſagte
jetzt die Unbekannte, indem ſie froͤhlich wieder herein¬
trat und ihn auf den Divan niederzog. Sie ſetzte ſich
dicht neben ihn, ein Bein uͤber das andere geſchlagen,
er mußte ihr erzaͤhlen, woher er gekommen, wer er ſei,
und was er hier treibe. — Alſo ſo ſieht ein Dichter
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 311. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/318>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.