lich zwischen den Gebüschen hin, sonst war alles still. Neugierig ging er weiter in die dunklen Schatten der alten Bäume hinein, der Mondschein glänzte seitwärts über die Rasenplätze. Da bemerkte er einen Weiher, von Trauerweiden umhangen, eine weiße Statue schim¬ merte durch die Zweige herüber: eine Nymphe, die halbabgewandt am Weiher auf ihrem Arme ruhte, den andern verschlafen über das Haupt gelehnt. -- Er wollte eben näher hinzutreten, als plötzlich tiefer aus dem Garten ein heller Lichtschimmer durch die Bäume funkelte und eben so schnell wieder verschwand. Er¬ schrocken, zögernd, wandte er sich zurück, er suchte das Pförtchen wieder, aber die Streiflichter des Mondes und die schwankenden Schatten der Bäume dazwischen verwirrten ihn ganz, und eh' er sich besinnen konnte, stand er vor den Marmorstufen eines hohen, alterthüm¬ lichen Palastes. In demselben Augenblick schüttelt sich der Fliederstrauch über ihm, daß er ganz von Thau und Blüten verschneit wird, er hört ein heimliches Ki¬ chern hinter sich, eine schlanke, weiße Mädchengestalt guckt verstohlen durch die Zweige und faßt ihn schnell an der Hand. Siehst du, das ist der Willkomm, weil du mich überrascht hast, flüstert sie mit der lieblichsten Stimme, das ist ja prächtig, daß du schon heute kommst. So führt sie, vorangehend, den Erstaunten über die Stufen durch eine dunkle Halle, plötzlich tre¬ ten sie in ein erleuchtetes Gemach, sie wendet sich rasch
lich zwiſchen den Gebuͤſchen hin, ſonſt war alles ſtill. Neugierig ging er weiter in die dunklen Schatten der alten Baͤume hinein, der Mondſchein glaͤnzte ſeitwaͤrts uͤber die Raſenplaͤtze. Da bemerkte er einen Weiher, von Trauerweiden umhangen, eine weiße Statue ſchim¬ merte durch die Zweige heruͤber: eine Nymphe, die halbabgewandt am Weiher auf ihrem Arme ruhte, den andern verſchlafen uͤber das Haupt gelehnt. — Er wollte eben naͤher hinzutreten, als ploͤtzlich tiefer aus dem Garten ein heller Lichtſchimmer durch die Baͤume funkelte und eben ſo ſchnell wieder verſchwand. Er¬ ſchrocken, zoͤgernd, wandte er ſich zuruͤck, er ſuchte das Pfoͤrtchen wieder, aber die Streiflichter des Mondes und die ſchwankenden Schatten der Baͤume dazwiſchen verwirrten ihn ganz, und eh' er ſich beſinnen konnte, ſtand er vor den Marmorſtufen eines hohen, alterthuͤm¬ lichen Palaſtes. In demſelben Augenblick ſchuͤttelt ſich der Fliederſtrauch uͤber ihm, daß er ganz von Thau und Bluͤten verſchneit wird, er hoͤrt ein heimliches Ki¬ chern hinter ſich, eine ſchlanke, weiße Maͤdchengeſtalt guckt verſtohlen durch die Zweige und faßt ihn ſchnell an der Hand. Siehſt du, das iſt der Willkomm, weil du mich uͤberraſcht haſt, fluͤſtert ſie mit der lieblichſten Stimme, das iſt ja praͤchtig, daß du ſchon heute kommſt. So fuͤhrt ſie, vorangehend, den Erſtaunten uͤber die Stufen durch eine dunkle Halle, ploͤtzlich tre¬ ten ſie in ein erleuchtetes Gemach, ſie wendet ſich raſch
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lich zwiſchen den Gebuͤſchen hin, ſonſt war alles ſtill.
Neugierig ging er weiter in die dunklen Schatten der
alten Baͤume hinein, der Mondſchein glaͤnzte ſeitwaͤrts
uͤber die Raſenplaͤtze. Da bemerkte er einen Weiher,
von Trauerweiden umhangen, eine weiße Statue ſchim¬
merte durch die Zweige heruͤber: eine Nymphe, die
halbabgewandt am Weiher auf ihrem Arme ruhte, den
andern verſchlafen uͤber das Haupt gelehnt. — Er
wollte eben naͤher hinzutreten, als ploͤtzlich tiefer aus
dem Garten ein heller Lichtſchimmer durch die Baͤume
funkelte und eben ſo ſchnell wieder verſchwand. Er¬
ſchrocken, zoͤgernd, wandte er ſich zuruͤck, er ſuchte das
Pfoͤrtchen wieder, aber die Streiflichter des Mondes
und die ſchwankenden Schatten der Baͤume dazwiſchen
verwirrten ihn ganz, und eh' er ſich beſinnen konnte,
ſtand er vor den Marmorſtufen eines hohen, alterthuͤm¬
lichen Palaſtes. In demſelben Augenblick ſchuͤttelt ſich
der Fliederſtrauch uͤber ihm, daß er ganz von Thau
und Bluͤten verſchneit wird, er hoͤrt ein heimliches Ki¬
chern hinter ſich, eine ſchlanke, weiße Maͤdchengeſtalt
guckt verſtohlen durch die Zweige und faßt ihn ſchnell
an der Hand. Siehſt du, das iſt der Willkomm, weil
du mich uͤberraſcht haſt, fluͤſtert ſie mit der lieblichſten
Stimme, das iſt ja praͤchtig, daß du ſchon heute
kommſt. So fuͤhrt ſie, vorangehend, den Erſtaunten
uͤber die Stufen durch eine dunkle Halle, ploͤtzlich tre¬
ten ſie in ein erleuchtetes Gemach, ſie wendet ſich raſch
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Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 310. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/317>, abgerufen am 22.11.2024.
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