Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

sich alle drei auf den Weg nach dem Kloster machten.
Der Eremit schritt mit einer Fackel auf einem schma¬
len, halbverwachsenen Fußsteige voran, die Andern
folgten schweigend und erwartungsvoll. Unterwegs
fragte Manfred den Doctor, wo er denn seine kleine
Frau gelassen? -- Sie ist unter die Husaren gegan¬
gen, sagte Dryander trocken und mochte durchaus nicht
nähere Auskunft geben.

So waren sie, nach einem mühseligen Gange, zu
der Ruine gekommen, der Wiederschein der Fackel, als
sie durch das Thor gingen, beleuchtete den stillen Klo¬
sterhof mit seinen alten Bäumen und dem verfallenen
Brunnen in der Mitte. Ihr Führer sah sich nach
allen Seiten um. Sollte er noch im Gebirge seyn?
sagte er und öffnete knarrend eine eichene Thür. Sie
kamen in eine kleine Halle, aber auch dort war Nie¬
mand zu finden. Nur ein Strohsack auf dem Boden,
ein Kreuz auf dem Tisch und einige Bücher bezeichne¬
ten Vitalis Wohnung, durch das verfallene Fenster
aber sah wunderbar die Nacht herein. Als sie an die
Oeffnung traten, flatterte verstörtes Nachtgevögel scheu
aus den Mauerritzen empor, einzelne Mauerstücke hat¬
ten unter ihren Füßen sich abgelöst, sie lauschten, wie
es schallend tiefer und immer tiefer hinabrollte. Da
trat auf einmal der Mond drüben zwischen den Wol¬
ken hervor, sie sahen nichts als stille Schlünde unter

ſich alle drei auf den Weg nach dem Kloſter machten.
Der Eremit ſchritt mit einer Fackel auf einem ſchma¬
len, halbverwachſenen Fußſteige voran, die Andern
folgten ſchweigend und erwartungsvoll. Unterwegs
fragte Manfred den Doctor, wo er denn ſeine kleine
Frau gelaſſen? — Sie iſt unter die Huſaren gegan¬
gen, ſagte Dryander trocken und mochte durchaus nicht
naͤhere Auskunft geben.

So waren ſie, nach einem muͤhſeligen Gange, zu
der Ruine gekommen, der Wiederſchein der Fackel, als
ſie durch das Thor gingen, beleuchtete den ſtillen Klo¬
ſterhof mit ſeinen alten Baͤumen und dem verfallenen
Brunnen in der Mitte. Ihr Fuͤhrer ſah ſich nach
allen Seiten um. Sollte er noch im Gebirge ſeyn?
ſagte er und oͤffnete knarrend eine eichene Thuͤr. Sie
kamen in eine kleine Halle, aber auch dort war Nie¬
mand zu finden. Nur ein Strohſack auf dem Boden,
ein Kreuz auf dem Tiſch und einige Buͤcher bezeichne¬
ten Vitalis Wohnung, durch das verfallene Fenſter
aber ſah wunderbar die Nacht herein. Als ſie an die
Oeffnung traten, flatterte verſtoͤrtes Nachtgevoͤgel ſcheu
aus den Mauerritzen empor, einzelne Mauerſtuͤcke hat¬
ten unter ihren Fuͤßen ſich abgeloͤſt, ſie lauſchten, wie
es ſchallend tiefer und immer tiefer hinabrollte. Da
trat auf einmal der Mond druͤben zwiſchen den Wol¬
ken hervor, ſie ſahen nichts als ſtille Schluͤnde unter

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0293" n="286"/>
&#x017F;ich alle drei auf den Weg nach dem Klo&#x017F;ter machten.<lb/>
Der Eremit &#x017F;chritt mit einer Fackel auf einem &#x017F;chma¬<lb/>
len, halbverwach&#x017F;enen Fuß&#x017F;teige voran, die Andern<lb/>
folgten &#x017F;chweigend und erwartungsvoll. Unterwegs<lb/>
fragte Manfred den Doctor, wo er denn &#x017F;eine kleine<lb/>
Frau gela&#x017F;&#x017F;en? &#x2014; Sie i&#x017F;t unter die Hu&#x017F;aren gegan¬<lb/>
gen, &#x017F;agte Dryander trocken und mochte durchaus nicht<lb/>
na&#x0364;here Auskunft geben.</p><lb/>
          <p>So waren &#x017F;ie, nach einem mu&#x0364;h&#x017F;eligen Gange, zu<lb/>
der Ruine gekommen, der Wieder&#x017F;chein der Fackel, als<lb/>
&#x017F;ie durch das Thor gingen, beleuchtete den &#x017F;tillen Klo¬<lb/>
&#x017F;terhof mit &#x017F;einen alten Ba&#x0364;umen und dem verfallenen<lb/>
Brunnen in der Mitte. Ihr Fu&#x0364;hrer &#x017F;ah &#x017F;ich nach<lb/>
allen Seiten um. Sollte er noch im Gebirge &#x017F;eyn?<lb/>
&#x017F;agte er und o&#x0364;ffnete knarrend eine eichene Thu&#x0364;r. Sie<lb/>
kamen in eine kleine Halle, aber auch dort war Nie¬<lb/>
mand zu finden. Nur ein Stroh&#x017F;ack auf dem Boden,<lb/>
ein Kreuz auf dem Ti&#x017F;ch und einige Bu&#x0364;cher bezeichne¬<lb/>
ten Vitalis Wohnung, durch das verfallene Fen&#x017F;ter<lb/>
aber &#x017F;ah wunderbar die Nacht herein. Als &#x017F;ie an die<lb/>
Oeffnung traten, flatterte ver&#x017F;to&#x0364;rtes Nachtgevo&#x0364;gel &#x017F;cheu<lb/>
aus den Mauerritzen empor, einzelne Mauer&#x017F;tu&#x0364;cke hat¬<lb/>
ten unter ihren Fu&#x0364;ßen &#x017F;ich abgelo&#x0364;&#x017F;t, &#x017F;ie lau&#x017F;chten, wie<lb/>
es &#x017F;challend tiefer und immer tiefer hinabrollte. Da<lb/>
trat auf einmal der Mond dru&#x0364;ben zwi&#x017F;chen den Wol¬<lb/>
ken hervor, &#x017F;ie &#x017F;ahen nichts als &#x017F;tille Schlu&#x0364;nde unter<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[286/0293] ſich alle drei auf den Weg nach dem Kloſter machten. Der Eremit ſchritt mit einer Fackel auf einem ſchma¬ len, halbverwachſenen Fußſteige voran, die Andern folgten ſchweigend und erwartungsvoll. Unterwegs fragte Manfred den Doctor, wo er denn ſeine kleine Frau gelaſſen? — Sie iſt unter die Huſaren gegan¬ gen, ſagte Dryander trocken und mochte durchaus nicht naͤhere Auskunft geben. So waren ſie, nach einem muͤhſeligen Gange, zu der Ruine gekommen, der Wiederſchein der Fackel, als ſie durch das Thor gingen, beleuchtete den ſtillen Klo¬ ſterhof mit ſeinen alten Baͤumen und dem verfallenen Brunnen in der Mitte. Ihr Fuͤhrer ſah ſich nach allen Seiten um. Sollte er noch im Gebirge ſeyn? ſagte er und oͤffnete knarrend eine eichene Thuͤr. Sie kamen in eine kleine Halle, aber auch dort war Nie¬ mand zu finden. Nur ein Strohſack auf dem Boden, ein Kreuz auf dem Tiſch und einige Buͤcher bezeichne¬ ten Vitalis Wohnung, durch das verfallene Fenſter aber ſah wunderbar die Nacht herein. Als ſie an die Oeffnung traten, flatterte verſtoͤrtes Nachtgevoͤgel ſcheu aus den Mauerritzen empor, einzelne Mauerſtuͤcke hat¬ ten unter ihren Fuͤßen ſich abgeloͤſt, ſie lauſchten, wie es ſchallend tiefer und immer tiefer hinabrollte. Da trat auf einmal der Mond druͤben zwiſchen den Wol¬ ken hervor, ſie ſahen nichts als ſtille Schluͤnde unter

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/293
Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/293>, abgerufen am 16.07.2024.