wandte, in dem wir sogleich Fräulein Gertrud als alte Bekannte vom fürstlichen Schlosse wieder begrü¬ ßen. Die Kleine begann unmittelbar nach der ersten Verständigung, mit der Lebhaftigkeit eines jungen Sinnes, dem alles noch neu ist, von ihrer romanti¬ schen Fahrt durch's Gebirge, von dem Unfall mit dem Wagen und andern Abenteuern zu erzählen, wobei sie deutlich merken ließ, daß dem Baron eigentlich ein unverdientes Glück widerfahre, den berühmten Dichter Dryander bei sich beherbergen zu können. Der Letztere aber, dem die Beschreibung zu schön und zu lang zu werden schien, war schnell wieder in den Hof zurück¬ geeilt, um Pfeife und Tabacksbeutel aus dem Wagen zu holen. -- Und so sah sich denn Manfred allein mit der hübschen jungen Frau in einer seltsamen Lage; denn wenn er sie, nach ihrer ganzen Erscheinung, als ein lebenslustiges, verliebtes Landfräulein zu nehmen geneigt war, so wandelte sie nun auf einmal die Farbe, und brach, zu seiner Verwunderung, ästhetische Discurse vom Zaun. Und je länger er schwieg, je fröhlicher gerieth sie, in der sichtbaren Lust, dem Land¬ junker zu imponiren, wie ein munterer Wasserfall un¬ aufhaltsam in eine plauderselige Gelehrsamkeit, unbe¬ kümmert Zeiten, Autoren und Bücher durcheinander vermengend.
Ein Lachen hinter ihnen unterbrach hier plötzlich die sonderbare Unterhaltung. Es war Dryander, der
wandte, in dem wir ſogleich Fraͤulein Gertrud als alte Bekannte vom fuͤrſtlichen Schloſſe wieder begruͤ¬ ßen. Die Kleine begann unmittelbar nach der erſten Verſtaͤndigung, mit der Lebhaftigkeit eines jungen Sinnes, dem alles noch neu iſt, von ihrer romanti¬ ſchen Fahrt durch's Gebirge, von dem Unfall mit dem Wagen und andern Abenteuern zu erzaͤhlen, wobei ſie deutlich merken ließ, daß dem Baron eigentlich ein unverdientes Gluͤck widerfahre, den beruͤhmten Dichter Dryander bei ſich beherbergen zu koͤnnen. Der Letztere aber, dem die Beſchreibung zu ſchoͤn und zu lang zu werden ſchien, war ſchnell wieder in den Hof zuruͤck¬ geeilt, um Pfeife und Tabacksbeutel aus dem Wagen zu holen. — Und ſo ſah ſich denn Manfred allein mit der huͤbſchen jungen Frau in einer ſeltſamen Lage; denn wenn er ſie, nach ihrer ganzen Erſcheinung, als ein lebensluſtiges, verliebtes Landfraͤulein zu nehmen geneigt war, ſo wandelte ſie nun auf einmal die Farbe, und brach, zu ſeiner Verwunderung, aͤſthetiſche Discurſe vom Zaun. Und je laͤnger er ſchwieg, je froͤhlicher gerieth ſie, in der ſichtbaren Luſt, dem Land¬ junker zu imponiren, wie ein munterer Waſſerfall un¬ aufhaltſam in eine plauderſelige Gelehrſamkeit, unbe¬ kuͤmmert Zeiten, Autoren und Buͤcher durcheinander vermengend.
Ein Lachen hinter ihnen unterbrach hier ploͤtzlich die ſonderbare Unterhaltung. Es war Dryander, der
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wandte, in dem wir ſogleich Fraͤulein Gertrud als
alte Bekannte vom fuͤrſtlichen Schloſſe wieder begruͤ¬
ßen. Die Kleine begann unmittelbar nach der erſten
Verſtaͤndigung, mit der Lebhaftigkeit eines jungen
Sinnes, dem alles noch neu iſt, von ihrer romanti¬
ſchen Fahrt durch's Gebirge, von dem Unfall mit dem
Wagen und andern Abenteuern zu erzaͤhlen, wobei ſie
deutlich merken ließ, daß dem Baron eigentlich ein
unverdientes Gluͤck widerfahre, den beruͤhmten Dichter
Dryander bei ſich beherbergen zu koͤnnen. Der Letztere
aber, dem die Beſchreibung zu ſchoͤn und zu lang zu
werden ſchien, war ſchnell wieder in den Hof zuruͤck¬
geeilt, um Pfeife und Tabacksbeutel aus dem Wagen
zu holen. — Und ſo ſah ſich denn Manfred allein
mit der huͤbſchen jungen Frau in einer ſeltſamen Lage;
denn wenn er ſie, nach ihrer ganzen Erſcheinung, als
ein lebensluſtiges, verliebtes Landfraͤulein zu nehmen
geneigt war, ſo wandelte ſie nun auf einmal die
Farbe, und brach, zu ſeiner Verwunderung, aͤſthetiſche
Discurſe vom Zaun. Und je laͤnger er ſchwieg, je
froͤhlicher gerieth ſie, in der ſichtbaren Luſt, dem Land¬
junker zu imponiren, wie ein munterer Waſſerfall un¬
aufhaltſam in eine plauderſelige Gelehrſamkeit, unbe¬
kuͤmmert Zeiten, Autoren und Buͤcher durcheinander
vermengend.
Ein Lachen hinter ihnen unterbrach hier ploͤtzlich
die ſonderbare Unterhaltung. Es war Dryander, der
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Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 266. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/273>, abgerufen am 24.11.2024.
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