Die Lerche weckt sie bald -- So will ich treu verträumen Die Nacht im stillen Wald.
Und wie er aufblickte, hörte er wirklich schon den Klang einer früherwachten Lerche durch den Himmel schweifen. Frisch auf! rief er fröhlich Waltern zu, frisch auf, ich wittre Morgenluft! Walter erhob sich taumelnd, und konnte sich lange nicht in dem wunder¬ lichen Schlafsaal zurechtfinden. Der kurze Schlummer hatte ihn neu gestärkt und verwandelt, er schämte sich seines gestrigen Mißmuths, und bald saßen die beiden Freunde wieder rüstig zu Pferde, um, wo möglich, noch vor Tagesanbruch aus dem Labyrinth der Wälder herauszukommen.
Nach einem kurzen Ritt hatten sie die Freude, unerwartet wieder einen ordentlichen Weg zu erreichen. Land! Land! rief endlich Walter vergnügt aus, dort¬ hin zu liegt Hohenstein! -- Sie verdoppelten nun ihre Eile, und gelangten bald völlig aus dem Walde in das weite, geheimnißvolle Land hinaus. Immer tiefer und freudiger stiegen sie von den Bergen in das Blüten¬ meer, schon hörten sie von fern eine Thurmuhr schla¬ gen, zahllose Nachtigallen schlugen überall in den Gär¬ ten. Am Ausgang des Gebirges schien ein großes Dorf zu liegen, zerstreute Hügel, dunkele Baumgruppen, und ein hohes prächtiges Schloß hoben sich nach und nach aus der verworrenen Dämmerung, alles noch unkennt¬
Schon ruͤhrt ſichs in den Baͤumen,
Die Lerche weckt ſie bald — So will ich treu vertraͤumen Die Nacht im ſtillen Wald.
Und wie er aufblickte, hoͤrte er wirklich ſchon den Klang einer fruͤherwachten Lerche durch den Himmel ſchweifen. Friſch auf! rief er froͤhlich Waltern zu, friſch auf, ich wittre Morgenluft! Walter erhob ſich taumelnd, und konnte ſich lange nicht in dem wunder¬ lichen Schlafſaal zurechtfinden. Der kurze Schlummer hatte ihn neu geſtaͤrkt und verwandelt, er ſchaͤmte ſich ſeines geſtrigen Mißmuths, und bald ſaßen die beiden Freunde wieder ruͤſtig zu Pferde, um, wo moͤglich, noch vor Tagesanbruch aus dem Labyrinth der Waͤlder herauszukommen.
Nach einem kurzen Ritt hatten ſie die Freude, unerwartet wieder einen ordentlichen Weg zu erreichen. Land! Land! rief endlich Walter vergnuͤgt aus, dort¬ hin zu liegt Hohenſtein! — Sie verdoppelten nun ihre Eile, und gelangten bald voͤllig aus dem Walde in das weite, geheimnißvolle Land hinaus. Immer tiefer und freudiger ſtiegen ſie von den Bergen in das Bluͤten¬ meer, ſchon hoͤrten ſie von fern eine Thurmuhr ſchla¬ gen, zahlloſe Nachtigallen ſchlugen uͤberall in den Gaͤr¬ ten. Am Ausgang des Gebirges ſchien ein großes Dorf zu liegen, zerſtreute Huͤgel, dunkele Baumgruppen, und ein hohes praͤchtiges Schloß hoben ſich nach und nach aus der verworrenen Daͤmmerung, alles noch unkennt¬
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Schon ruͤhrt ſichs in den Baͤumen,
Die Lerche weckt ſie bald —
So will ich treu vertraͤumen
Die Nacht im ſtillen Wald.
Und wie er aufblickte, hoͤrte er wirklich ſchon den
Klang einer fruͤherwachten Lerche durch den Himmel
ſchweifen. Friſch auf! rief er froͤhlich Waltern zu,
friſch auf, ich wittre Morgenluft! Walter erhob ſich
taumelnd, und konnte ſich lange nicht in dem wunder¬
lichen Schlafſaal zurechtfinden. Der kurze Schlummer
hatte ihn neu geſtaͤrkt und verwandelt, er ſchaͤmte ſich
ſeines geſtrigen Mißmuths, und bald ſaßen die beiden
Freunde wieder ruͤſtig zu Pferde, um, wo moͤglich,
noch vor Tagesanbruch aus dem Labyrinth der Waͤlder
herauszukommen.
Nach einem kurzen Ritt hatten ſie die Freude,
unerwartet wieder einen ordentlichen Weg zu erreichen.
Land! Land! rief endlich Walter vergnuͤgt aus, dort¬
hin zu liegt Hohenſtein! — Sie verdoppelten nun ihre
Eile, und gelangten bald voͤllig aus dem Walde in das
weite, geheimnißvolle Land hinaus. Immer tiefer und
freudiger ſtiegen ſie von den Bergen in das Bluͤten¬
meer, ſchon hoͤrten ſie von fern eine Thurmuhr ſchla¬
gen, zahlloſe Nachtigallen ſchlugen uͤberall in den Gaͤr¬
ten. Am Ausgang des Gebirges ſchien ein großes Dorf
zu liegen, zerſtreute Huͤgel, dunkele Baumgruppen, und
ein hohes praͤchtiges Schloß hoben ſich nach und nach
aus der verworrenen Daͤmmerung, alles noch unkennt¬
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Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/25>, abgerufen am 21.11.2024.
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