seiner fernen Heimath zu. -- Wunderbar, sagte er zu sich selbst, schon in meiner Kindheit, wie oft bei stiller Nacht im Traume, hört' ich der fernen Roma Glocken schallen, und nun da ich hier bin, hör' ich sie wie da¬ mals wieder aus weiter, weiter Ferne, als gäb' es noch eine andere Roma weit hinter diesen dunkelen Hügeln. --
In dieser Zeit traf es sich, daß in der Nähe von Rom auf dem Lande eine Kirchweihe gefeiert wurde. Annidi dünkte sich zu vornehm, um an dem Feste Theil zu nehmen. Otto aber, den es heimlich verdroß, warf einmal alle Papiere und Bücher bei Seite und eilte hinaus in's Freie. Es war in den ersten linden Herbsttagen, ein warmer Regen hatte die Gegend er¬ frischt, Otto athmete tief auf, es war ihm, als wan¬ derte er wieder nach Hohenstein. Je tiefer er in's Thal hinabstieg, je belebter wurden allmählich Busch und Felder, bunte Züge von Reitern und Spaziergän¬ gern schlangen sich wie Blumenkränze durch's Grün, von den Waldeswiesen schimmerten farbige Zelte, zwi¬ schen denen zerstreute Gruppen fröhlich lagerten, wäh¬ rend luftige Gestalten im Ballspiel über den Rasen hin und her schwebten. Mitten in dieser Wirrung aber bemerkte Otto einen schlanken Zitterbuben, der auf seinem geschmückten Pferde langsam über die be¬ glänzte Au dahinritt. Ein voller Kranz von frischem Weinlaub umschloß seinen Hut, von dem bunte Bän¬
ſeiner fernen Heimath zu. — Wunderbar, ſagte er zu ſich ſelbſt, ſchon in meiner Kindheit, wie oft bei ſtiller Nacht im Traume, hoͤrt' ich der fernen Roma Glocken ſchallen, und nun da ich hier bin, hoͤr' ich ſie wie da¬ mals wieder aus weiter, weiter Ferne, als gaͤb' es noch eine andere Roma weit hinter dieſen dunkelen Huͤgeln. —
In dieſer Zeit traf es ſich, daß in der Naͤhe von Rom auf dem Lande eine Kirchweihe gefeiert wurde. Annidi duͤnkte ſich zu vornehm, um an dem Feſte Theil zu nehmen. Otto aber, den es heimlich verdroß, warf einmal alle Papiere und Buͤcher bei Seite und eilte hinaus in's Freie. Es war in den erſten linden Herbſttagen, ein warmer Regen hatte die Gegend er¬ friſcht, Otto athmete tief auf, es war ihm, als wan¬ derte er wieder nach Hohenſtein. Je tiefer er in's Thal hinabſtieg, je belebter wurden allmaͤhlich Buſch und Felder, bunte Zuͤge von Reitern und Spaziergaͤn¬ gern ſchlangen ſich wie Blumenkraͤnze durch's Gruͤn, von den Waldeswieſen ſchimmerten farbige Zelte, zwi¬ ſchen denen zerſtreute Gruppen froͤhlich lagerten, waͤh¬ rend luftige Geſtalten im Ballſpiel uͤber den Raſen hin und her ſchwebten. Mitten in dieſer Wirrung aber bemerkte Otto einen ſchlanken Zitterbuben, der auf ſeinem geſchmuͤckten Pferde langſam uͤber die be¬ glaͤnzte Au dahinritt. Ein voller Kranz von friſchem Weinlaub umſchloß ſeinen Hut, von dem bunte Baͤn¬
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ſeiner fernen Heimath zu. — Wunderbar, ſagte er zu
ſich ſelbſt, ſchon in meiner Kindheit, wie oft bei ſtiller
Nacht im Traume, hoͤrt' ich der fernen Roma Glocken
ſchallen, und nun da ich hier bin, hoͤr' ich ſie wie da¬
mals wieder aus weiter, weiter Ferne, als gaͤb' es
noch eine andere Roma weit hinter dieſen dunkelen
Huͤgeln. —
In dieſer Zeit traf es ſich, daß in der Naͤhe von
Rom auf dem Lande eine Kirchweihe gefeiert wurde.
Annidi duͤnkte ſich zu vornehm, um an dem Feſte
Theil zu nehmen. Otto aber, den es heimlich verdroß,
warf einmal alle Papiere und Buͤcher bei Seite und
eilte hinaus in's Freie. Es war in den erſten linden
Herbſttagen, ein warmer Regen hatte die Gegend er¬
friſcht, Otto athmete tief auf, es war ihm, als wan¬
derte er wieder nach Hohenſtein. Je tiefer er in's
Thal hinabſtieg, je belebter wurden allmaͤhlich Buſch
und Felder, bunte Zuͤge von Reitern und Spaziergaͤn¬
gern ſchlangen ſich wie Blumenkraͤnze durch's Gruͤn,
von den Waldeswieſen ſchimmerten farbige Zelte, zwi¬
ſchen denen zerſtreute Gruppen froͤhlich lagerten, waͤh¬
rend luftige Geſtalten im Ballſpiel uͤber den Raſen
hin und her ſchwebten. Mitten in dieſer Wirrung
aber bemerkte Otto einen ſchlanken Zitterbuben, der
auf ſeinem geſchmuͤckten Pferde langſam uͤber die be¬
glaͤnzte Au dahinritt. Ein voller Kranz von friſchem
Weinlaub umſchloß ſeinen Hut, von dem bunte Baͤn¬
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Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 231. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/238>, abgerufen am 22.11.2024.
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