Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

Eingange stehen, da er Fiametta, gleichfalls schlummernd,
drin erblickte. Sie ruhte auf dem rechten Arme, das
Gesicht von den losgelösten Locken halb verdeckt, heiter
athmend, wie ein schönes Kind. Einige abgebrochene
Worte hielten ihn fest. Sie sprach im Schlaf, immer
deutlicher und zusammenhängender, aber zu seinem
Erstaunen ganz in der ausländischen Weise, wie er
selbst das Italienische zu sprechen pflegte. In wun¬
derlichem Dialog hörte er nun, wie er aus ihrem eigenen
Munde ihr gestand, daß er sich nur so kalt stelle, daß er
sie aber eigentlich herzlich liebe. -- Er erschrak, daß sie
so aus seiner Seele redete. -- Nun lachte sie in sich,
und entgegnete fröhlich: das wisse sie ja lange schon!
-- Dann sprach sie leise, immer leiser, als spräch' sie
ihm in's Ohr, er konnte nichts verstehen, bis sie zu¬
letzt, tief aufseufzend, sich zu regen begann.

Fortunat eilte ganz verwirrt nach dem Schlosse
zurück, schon rührte sich's wieder in allen Straßen,
der Postillon draußen mahnte zur Abreise, er warf
sich schweigend in den Wagen, und das lieblichste
Räthsel, das er nicht zu lösen wußte, erfüllte seine
ganze Seele.


Eingange ſtehen, da er Fiametta, gleichfalls ſchlummernd,
drin erblickte. Sie ruhte auf dem rechten Arme, das
Geſicht von den losgeloͤſten Locken halb verdeckt, heiter
athmend, wie ein ſchoͤnes Kind. Einige abgebrochene
Worte hielten ihn feſt. Sie ſprach im Schlaf, immer
deutlicher und zuſammenhaͤngender, aber zu ſeinem
Erſtaunen ganz in der auslaͤndiſchen Weiſe, wie er
ſelbſt das Italieniſche zu ſprechen pflegte. In wun¬
derlichem Dialog hoͤrte er nun, wie er aus ihrem eigenen
Munde ihr geſtand, daß er ſich nur ſo kalt ſtelle, daß er
ſie aber eigentlich herzlich liebe. — Er erſchrak, daß ſie
ſo aus ſeiner Seele redete. — Nun lachte ſie in ſich,
und entgegnete froͤhlich: das wiſſe ſie ja lange ſchon!
— Dann ſprach ſie leiſe, immer leiſer, als ſpraͤch' ſie
ihm in's Ohr, er konnte nichts verſtehen, bis ſie zu¬
letzt, tief aufſeufzend, ſich zu regen begann.

Fortunat eilte ganz verwirrt nach dem Schloſſe
zuruͤck, ſchon ruͤhrte ſich's wieder in allen Straßen,
der Poſtillon draußen mahnte zur Abreiſe, er warf
ſich ſchweigend in den Wagen, und das lieblichſte
Raͤthſel, das er nicht zu loͤſen wußte, erfuͤllte ſeine
ganze Seele.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0233" n="226"/>
Eingange &#x017F;tehen, da er Fiametta, gleichfalls &#x017F;chlummernd,<lb/>
drin erblickte. Sie ruhte auf dem rechten Arme, das<lb/>
Ge&#x017F;icht von den losgelo&#x0364;&#x017F;ten Locken halb verdeckt, heiter<lb/>
athmend, wie ein &#x017F;cho&#x0364;nes Kind. Einige abgebrochene<lb/>
Worte hielten ihn fe&#x017F;t. Sie &#x017F;prach im Schlaf, immer<lb/>
deutlicher und zu&#x017F;ammenha&#x0364;ngender, aber zu &#x017F;einem<lb/>
Er&#x017F;taunen ganz in der ausla&#x0364;ndi&#x017F;chen Wei&#x017F;e, wie er<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t das Italieni&#x017F;che zu &#x017F;prechen pflegte. In wun¬<lb/>
derlichem Dialog ho&#x0364;rte er nun, wie er aus ihrem eigenen<lb/>
Munde ihr ge&#x017F;tand, daß er &#x017F;ich nur &#x017F;o kalt &#x017F;telle, daß er<lb/>
&#x017F;ie aber eigentlich herzlich liebe. &#x2014; Er er&#x017F;chrak, daß &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;o aus &#x017F;einer Seele redete. &#x2014; Nun lachte &#x017F;ie in &#x017F;ich,<lb/>
und entgegnete fro&#x0364;hlich: das wi&#x017F;&#x017F;e &#x017F;ie ja lange &#x017F;chon!<lb/>
&#x2014; Dann &#x017F;prach &#x017F;ie lei&#x017F;e, immer lei&#x017F;er, als &#x017F;pra&#x0364;ch' &#x017F;ie<lb/>
ihm in's Ohr, er konnte nichts ver&#x017F;tehen, bis &#x017F;ie zu¬<lb/>
letzt, tief auf&#x017F;eufzend, &#x017F;ich zu regen begann.</p><lb/>
          <p>Fortunat eilte ganz verwirrt nach dem Schlo&#x017F;&#x017F;e<lb/>
zuru&#x0364;ck, &#x017F;chon ru&#x0364;hrte &#x017F;ich's wieder in allen Straßen,<lb/>
der Po&#x017F;tillon draußen mahnte zur Abrei&#x017F;e, er warf<lb/>
&#x017F;ich &#x017F;chweigend in den Wagen, und das lieblich&#x017F;te<lb/>
Ra&#x0364;th&#x017F;el, das er nicht zu lo&#x0364;&#x017F;en wußte, erfu&#x0364;llte &#x017F;eine<lb/>
ganze Seele.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[226/0233] Eingange ſtehen, da er Fiametta, gleichfalls ſchlummernd, drin erblickte. Sie ruhte auf dem rechten Arme, das Geſicht von den losgeloͤſten Locken halb verdeckt, heiter athmend, wie ein ſchoͤnes Kind. Einige abgebrochene Worte hielten ihn feſt. Sie ſprach im Schlaf, immer deutlicher und zuſammenhaͤngender, aber zu ſeinem Erſtaunen ganz in der auslaͤndiſchen Weiſe, wie er ſelbſt das Italieniſche zu ſprechen pflegte. In wun¬ derlichem Dialog hoͤrte er nun, wie er aus ihrem eigenen Munde ihr geſtand, daß er ſich nur ſo kalt ſtelle, daß er ſie aber eigentlich herzlich liebe. — Er erſchrak, daß ſie ſo aus ſeiner Seele redete. — Nun lachte ſie in ſich, und entgegnete froͤhlich: das wiſſe ſie ja lange ſchon! — Dann ſprach ſie leiſe, immer leiſer, als ſpraͤch' ſie ihm in's Ohr, er konnte nichts verſtehen, bis ſie zu¬ letzt, tief aufſeufzend, ſich zu regen begann. Fortunat eilte ganz verwirrt nach dem Schloſſe zuruͤck, ſchon ruͤhrte ſich's wieder in allen Straßen, der Poſtillon draußen mahnte zur Abreiſe, er warf ſich ſchweigend in den Wagen, und das lieblichſte Raͤthſel, das er nicht zu loͤſen wußte, erfuͤllte ſeine ganze Seele.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/233
Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/233>, abgerufen am 21.11.2024.