Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

mit einem ungeheuren Knall, daß die Stücke meilen¬
weit auseinander fliegen. Sie hatten schon lange dar¬
unter gestemmt, und nun, wie wenn ein Champagner¬
stöpsel unverhofft losgeht, kamen auf einmal Guerillas,
Schloßsoldaten und Alguazils, die einen mit den Ell¬
bogen, die andern mit den Stiefeln voraus, mit un¬
glaublicher Vehemenz aus dem Loche senkrecht empor¬
geflogen, und so wie einer auf das Dach wieder nie¬
derfiel, fuhr er seinem Nachbar gleich wieder in die
Haare, so verbissen waren sie unter einander. Die
verliebte Königin, da sie nun alles verloren sieht, faßt
mich beim Arme und rasch mit mir fort an den Rand
der Zinne; aber Ihr wißt, ich hielt niemals viel auf
Kleider, mein ganzer Aermel läßt oben in der Naht
los, und die Königin stürzt sich mit meinem Aermel
in den Abgrund hinab, in der Luft noch: Don Grund¬
linghio! rufend. --Unterdeß bekommt mein Lord plötz¬
lich seinen englischen Spleen. Eh' ich's mich versehe,
duckt er sich kopfüber in das Bassin der Wasserkunst.
Das war nun aber so klein und seicht, daß ihm die
Lederhosen oben trocken heraushingen. Ich schreie, die
gestörten Goldfische stoßen wüthend auf seinen Backen¬
bart, alles umsonst! er stampft und stopft sich selber
immer tiefer hinein, und ersäuft sich so mit aller Ge¬
walt. Es war ein kritischer Moment, Feinde ringsum,
ich ziehe schnell mein Schwerdt und mähe mich von
Etage zu Etage hinunter, ein umgefallener Alguazil

mit einem ungeheuren Knall, daß die Stuͤcke meilen¬
weit auseinander fliegen. Sie hatten ſchon lange dar¬
unter geſtemmt, und nun, wie wenn ein Champagner¬
ſtoͤpſel unverhofft losgeht, kamen auf einmal Guerillas,
Schloßſoldaten und Alguazils, die einen mit den Ell¬
bogen, die andern mit den Stiefeln voraus, mit un¬
glaublicher Vehemenz aus dem Loche ſenkrecht empor¬
geflogen, und ſo wie einer auf das Dach wieder nie¬
derfiel, fuhr er ſeinem Nachbar gleich wieder in die
Haare, ſo verbiſſen waren ſie unter einander. Die
verliebte Koͤnigin, da ſie nun alles verloren ſieht, faßt
mich beim Arme und raſch mit mir fort an den Rand
der Zinne; aber Ihr wißt, ich hielt niemals viel auf
Kleider, mein ganzer Aermel laͤßt oben in der Naht
los, und die Koͤnigin ſtuͤrzt ſich mit meinem Aermel
in den Abgrund hinab, in der Luft noch: Don Grund¬
linghio! rufend. —Unterdeß bekommt mein Lord ploͤtz¬
lich ſeinen engliſchen Spleen. Eh' ich's mich verſehe,
duckt er ſich kopfuͤber in das Baſſin der Waſſerkunſt.
Das war nun aber ſo klein und ſeicht, daß ihm die
Lederhoſen oben trocken heraushingen. Ich ſchreie, die
geſtoͤrten Goldfiſche ſtoßen wuͤthend auf ſeinen Backen¬
bart, alles umſonſt! er ſtampft und ſtopft ſich ſelber
immer tiefer hinein, und erſaͤuft ſich ſo mit aller Ge¬
walt. Es war ein kritiſcher Moment, Feinde ringsum,
ich ziehe ſchnell mein Schwerdt und maͤhe mich von
Etage zu Etage hinunter, ein umgefallener Alguazil

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0220" n="213"/>
mit einem ungeheuren Knall, daß die Stu&#x0364;cke meilen¬<lb/>
weit auseinander fliegen. Sie hatten &#x017F;chon lange dar¬<lb/>
unter ge&#x017F;temmt, und nun, wie wenn ein Champagner¬<lb/>
&#x017F;to&#x0364;p&#x017F;el unverhofft losgeht, kamen auf einmal Guerillas,<lb/>
Schloß&#x017F;oldaten und Alguazils, die einen mit den Ell¬<lb/>
bogen, die andern mit den Stiefeln voraus, mit un¬<lb/>
glaublicher Vehemenz aus dem Loche &#x017F;enkrecht empor¬<lb/>
geflogen, und &#x017F;o wie einer auf das Dach wieder nie¬<lb/>
derfiel, fuhr er &#x017F;einem Nachbar gleich wieder in die<lb/>
Haare, &#x017F;o verbi&#x017F;&#x017F;en waren &#x017F;ie unter einander. Die<lb/>
verliebte Ko&#x0364;nigin, da &#x017F;ie nun alles verloren &#x017F;ieht, faßt<lb/>
mich beim Arme und ra&#x017F;ch mit mir fort an den Rand<lb/>
der Zinne; aber Ihr wißt, ich hielt niemals viel auf<lb/>
Kleider, mein ganzer Aermel la&#x0364;ßt oben in der Naht<lb/>
los, und die Ko&#x0364;nigin &#x017F;tu&#x0364;rzt &#x017F;ich mit meinem Aermel<lb/>
in den Abgrund hinab, in der Luft noch: Don Grund¬<lb/>
linghio! rufend. &#x2014;Unterdeß bekommt mein Lord plo&#x0364;tz¬<lb/>
lich &#x017F;einen engli&#x017F;chen Spleen. Eh' ich's mich ver&#x017F;ehe,<lb/>
duckt er &#x017F;ich kopfu&#x0364;ber in das Ba&#x017F;&#x017F;in der Wa&#x017F;&#x017F;erkun&#x017F;t.<lb/>
Das war nun aber &#x017F;o klein und &#x017F;eicht, daß ihm die<lb/>
Lederho&#x017F;en oben trocken heraushingen. Ich &#x017F;chreie, die<lb/>
ge&#x017F;to&#x0364;rten Goldfi&#x017F;che &#x017F;toßen wu&#x0364;thend auf &#x017F;einen Backen¬<lb/>
bart, alles um&#x017F;on&#x017F;t! er &#x017F;tampft und &#x017F;topft &#x017F;ich &#x017F;elber<lb/>
immer tiefer hinein, und er&#x017F;a&#x0364;uft &#x017F;ich &#x017F;o mit aller Ge¬<lb/>
walt. Es war ein kriti&#x017F;cher Moment, Feinde ringsum,<lb/>
ich ziehe &#x017F;chnell mein Schwerdt und ma&#x0364;he mich von<lb/>
Etage zu Etage hinunter, ein umgefallener Alguazil<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[213/0220] mit einem ungeheuren Knall, daß die Stuͤcke meilen¬ weit auseinander fliegen. Sie hatten ſchon lange dar¬ unter geſtemmt, und nun, wie wenn ein Champagner¬ ſtoͤpſel unverhofft losgeht, kamen auf einmal Guerillas, Schloßſoldaten und Alguazils, die einen mit den Ell¬ bogen, die andern mit den Stiefeln voraus, mit un¬ glaublicher Vehemenz aus dem Loche ſenkrecht empor¬ geflogen, und ſo wie einer auf das Dach wieder nie¬ derfiel, fuhr er ſeinem Nachbar gleich wieder in die Haare, ſo verbiſſen waren ſie unter einander. Die verliebte Koͤnigin, da ſie nun alles verloren ſieht, faßt mich beim Arme und raſch mit mir fort an den Rand der Zinne; aber Ihr wißt, ich hielt niemals viel auf Kleider, mein ganzer Aermel laͤßt oben in der Naht los, und die Koͤnigin ſtuͤrzt ſich mit meinem Aermel in den Abgrund hinab, in der Luft noch: Don Grund¬ linghio! rufend. —Unterdeß bekommt mein Lord ploͤtz¬ lich ſeinen engliſchen Spleen. Eh' ich's mich verſehe, duckt er ſich kopfuͤber in das Baſſin der Waſſerkunſt. Das war nun aber ſo klein und ſeicht, daß ihm die Lederhoſen oben trocken heraushingen. Ich ſchreie, die geſtoͤrten Goldfiſche ſtoßen wuͤthend auf ſeinen Backen¬ bart, alles umſonſt! er ſtampft und ſtopft ſich ſelber immer tiefer hinein, und erſaͤuft ſich ſo mit aller Ge¬ walt. Es war ein kritiſcher Moment, Feinde ringsum, ich ziehe ſchnell mein Schwerdt und maͤhe mich von Etage zu Etage hinunter, ein umgefallener Alguazil

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/220
Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/220>, abgerufen am 22.11.2024.