Runde -- so dacht' ich denn: laß sie fahren! und setzte meine Ermahnungen ruhig wieder fort. Aber es dauerte nicht lange, so war der junge Proselyt darüber eingeschlafen. Der Jesuit dagegen, wie es die Art dieses schlauen Ordens ist, wich mir mit sophistischen Redensarten bald rechts bald links aus, dann zog er eine Flasche guten schweren Weines aus der Wagen¬ tasche und trank mir zu. Ich kam immer mehr ins Feuer, wir disputirten und tranken, ich verbreitete mich ausführlich über Aufklärung, Mönchthum, dicke Finsterniß et cetera, aber Gott weiß, wie das zuging, es war mir, wie ich so fortsprach, als schritt' ich in der Rage unserem Säculum um einige Jahrhunderte so unaufhaltsam vor, daß ich meine Gedanken gar nicht mehr halten konnte, vergeblich blickte ich unver¬ wandt auf den dreieckigen Hut des Kutschers vor mir, Bäume und Dörfer und Wälder und Gedanken flogen und verwickelten sich mir im Mondschein durcheinander, nur manchmal hört' ich noch den Jesuiten dazwischen schnarchen, bis mir zuletzt selbst alle Sinne vergingen. -- Als ich wieder aufwachte, war der Jesuit und Proselyt und Wagen und alles fort, und ich liege rück¬ lings auf einem Rasenkanapee an der Chaussee in der angenehmsten Morgenkühle. Aber wie lieg' ich da! In einem kompletten Jesuiter-Rokolor mit unzähligen Knöpfen vom Kinn bis an die Fußspitzen, und ein kleines schwarzes Barett auf dem Haupt!
Runde — ſo dacht' ich denn: laß ſie fahren! und ſetzte meine Ermahnungen ruhig wieder fort. Aber es dauerte nicht lange, ſo war der junge Proſelyt daruͤber eingeſchlafen. Der Jeſuit dagegen, wie es die Art dieſes ſchlauen Ordens iſt, wich mir mit ſophiſtiſchen Redensarten bald rechts bald links aus, dann zog er eine Flaſche guten ſchweren Weines aus der Wagen¬ taſche und trank mir zu. Ich kam immer mehr ins Feuer, wir disputirten und tranken, ich verbreitete mich ausfuͤhrlich uͤber Aufklaͤrung, Moͤnchthum, dicke Finſterniß et cetera, aber Gott weiß, wie das zuging, es war mir, wie ich ſo fortſprach, als ſchritt' ich in der Rage unſerem Saͤculum um einige Jahrhunderte ſo unaufhaltſam vor, daß ich meine Gedanken gar nicht mehr halten konnte, vergeblich blickte ich unver¬ wandt auf den dreieckigen Hut des Kutſchers vor mir, Baͤume und Doͤrfer und Waͤlder und Gedanken flogen und verwickelten ſich mir im Mondſchein durcheinander, nur manchmal hoͤrt' ich noch den Jeſuiten dazwiſchen ſchnarchen, bis mir zuletzt ſelbſt alle Sinne vergingen. — Als ich wieder aufwachte, war der Jeſuit und Proſelyt und Wagen und alles fort, und ich liege ruͤck¬ lings auf einem Raſenkanapee an der Chauſſee in der angenehmſten Morgenkuͤhle. Aber wie lieg' ich da! In einem kompletten Jeſuiter-Rokolor mit unzaͤhligen Knoͤpfen vom Kinn bis an die Fußſpitzen, und ein kleines ſchwarzes Barett auf dem Haupt!
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Runde — ſo dacht' ich denn: laß ſie fahren! und ſetzte
meine Ermahnungen ruhig wieder fort. Aber es
dauerte nicht lange, ſo war der junge Proſelyt daruͤber
eingeſchlafen. Der Jeſuit dagegen, wie es die Art
dieſes ſchlauen Ordens iſt, wich mir mit ſophiſtiſchen
Redensarten bald rechts bald links aus, dann zog er
eine Flaſche guten ſchweren Weines aus der Wagen¬
taſche und trank mir zu. Ich kam immer mehr ins
Feuer, wir disputirten und tranken, ich verbreitete
mich ausfuͤhrlich uͤber Aufklaͤrung, Moͤnchthum, dicke
Finſterniß et cetera, aber Gott weiß, wie das zuging,
es war mir, wie ich ſo fortſprach, als ſchritt' ich in
der Rage unſerem Saͤculum um einige Jahrhunderte
ſo unaufhaltſam vor, daß ich meine Gedanken gar
nicht mehr halten konnte, vergeblich blickte ich unver¬
wandt auf den dreieckigen Hut des Kutſchers vor mir,
Baͤume und Doͤrfer und Waͤlder und Gedanken flogen
und verwickelten ſich mir im Mondſchein durcheinander,
nur manchmal hoͤrt' ich noch den Jeſuiten dazwiſchen
ſchnarchen, bis mir zuletzt ſelbſt alle Sinne vergingen.
— Als ich wieder aufwachte, war der Jeſuit und
Proſelyt und Wagen und alles fort, und ich liege ruͤck¬
lings auf einem Raſenkanapee an der Chauſſee in der
angenehmſten Morgenkuͤhle. Aber wie lieg' ich da!
In einem kompletten Jeſuiter-Rokolor mit unzaͤhligen
Knoͤpfen vom Kinn bis an die Fußſpitzen, und ein
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Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/212>, abgerufen am 23.11.2024.
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