Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

und Kordelchen forderte Grundlingen auf, da sie sich
eben alle wie in der Arche Noah so fröhlich zusam¬
mengefunden hätten, bei der schönen, warmen Nacht
seine Lebensgeschichte zum Besten zu geben, was von
den andern mit großem Applaus aufgenommen wurde.

Grundling langte nun aus seinem tiefen Schub¬
sack erst mehrere Stücke eines Pfeifenrohrs hervor, die
er umständlich zusammensetzte, und einen ungeheuern
Pfeifenkopf vollpfropfte, während er auf einem der
umgestürzten Weinfässer Platz nahm. Die andern hat¬
ten sich, um dem Qualme des schlechten Tabacks zu
entgehen, vorsichtig außer dem Winde um ihn her ge¬
setzt, worauf derselbe endlich folgendermaßen begann:

Du wirst dich noch erinnern, Fortunat, wie ich
in Heidelberg mich so in die Wissenschaften verbissen
hatte, daß ich gar nicht mehr loskommen konnte. --
Allerdings, erwiederte Fortunat, du und dein grün¬
gräulicher Mantel hatten schon mehrere Studentengene¬
rationen überlebt, als ich dort ankam. Du warst ein
hartnäckiger Kantianer, und standst, noch immerfort
nach der Aufklärung hinweisend, wie ein alter Meilen¬
zeiger, den man mitten im Kornfelde vergessen, nach¬
dem Fichte und Schelling längst andere Straßen ge¬
zogen hatten. Du verachtetest damals uns Jüngere
unsäglich, die wir den neuen Weg eingeschlagen. --
Nun bei Gott, das thu' ich auch jetzt noch, rief Grund¬
ing, indem er dicke Tabackswolken von sich stieß. --

und Kordelchen forderte Grundlingen auf, da ſie ſich
eben alle wie in der Arche Noah ſo froͤhlich zuſam¬
mengefunden haͤtten, bei der ſchoͤnen, warmen Nacht
ſeine Lebensgeſchichte zum Beſten zu geben, was von
den andern mit großem Applaus aufgenommen wurde.

Grundling langte nun aus ſeinem tiefen Schub¬
ſack erſt mehrere Stuͤcke eines Pfeifenrohrs hervor, die
er umſtaͤndlich zuſammenſetzte, und einen ungeheuern
Pfeifenkopf vollpfropfte, waͤhrend er auf einem der
umgeſtuͤrzten Weinfaͤſſer Platz nahm. Die andern hat¬
ten ſich, um dem Qualme des ſchlechten Tabacks zu
entgehen, vorſichtig außer dem Winde um ihn her ge¬
ſetzt, worauf derſelbe endlich folgendermaßen begann:

Du wirſt dich noch erinnern, Fortunat, wie ich
in Heidelberg mich ſo in die Wiſſenſchaften verbiſſen
hatte, daß ich gar nicht mehr loskommen konnte. —
Allerdings, erwiederte Fortunat, du und dein gruͤn¬
graͤulicher Mantel hatten ſchon mehrere Studentengene¬
rationen uͤberlebt, als ich dort ankam. Du warſt ein
hartnaͤckiger Kantianer, und ſtandſt, noch immerfort
nach der Aufklaͤrung hinweiſend, wie ein alter Meilen¬
zeiger, den man mitten im Kornfelde vergeſſen, nach¬
dem Fichte und Schelling laͤngſt andere Straßen ge¬
zogen hatten. Du verachteteſt damals uns Juͤngere
unſaͤglich, die wir den neuen Weg eingeſchlagen. —
Nun bei Gott, das thu' ich auch jetzt noch, rief Grund¬
ing, indem er dicke Tabackswolken von ſich ſtieß. —

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0209" n="202"/>
und Kordelchen forderte Grundlingen auf, da &#x017F;ie &#x017F;ich<lb/>
eben alle wie in der Arche Noah &#x017F;o fro&#x0364;hlich zu&#x017F;am¬<lb/>
mengefunden ha&#x0364;tten, bei der &#x017F;cho&#x0364;nen, warmen Nacht<lb/>
&#x017F;eine Lebensge&#x017F;chichte zum Be&#x017F;ten zu geben, was von<lb/>
den andern mit großem Applaus aufgenommen wurde.</p><lb/>
          <p>Grundling langte nun aus &#x017F;einem tiefen Schub¬<lb/>
&#x017F;ack er&#x017F;t mehrere Stu&#x0364;cke eines Pfeifenrohrs hervor, die<lb/>
er um&#x017F;ta&#x0364;ndlich zu&#x017F;ammen&#x017F;etzte, und einen ungeheuern<lb/>
Pfeifenkopf vollpfropfte, wa&#x0364;hrend er auf einem der<lb/>
umge&#x017F;tu&#x0364;rzten Weinfa&#x0364;&#x017F;&#x017F;er Platz nahm. Die andern hat¬<lb/>
ten &#x017F;ich, um dem Qualme des &#x017F;chlechten Tabacks zu<lb/>
entgehen, vor&#x017F;ichtig außer dem Winde um ihn her ge¬<lb/>
&#x017F;etzt, worauf der&#x017F;elbe endlich folgendermaßen begann:</p><lb/>
          <p>Du wir&#x017F;t dich noch erinnern, Fortunat, wie ich<lb/>
in Heidelberg mich &#x017F;o in die Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaften verbi&#x017F;&#x017F;en<lb/>
hatte, daß ich gar nicht mehr loskommen konnte. &#x2014;<lb/>
Allerdings, erwiederte Fortunat, du und dein gru&#x0364;<lb/>
gra&#x0364;ulicher Mantel hatten &#x017F;chon mehrere Studentengene¬<lb/>
rationen u&#x0364;berlebt, als ich dort ankam. Du war&#x017F;t ein<lb/>
hartna&#x0364;ckiger Kantianer, und &#x017F;tand&#x017F;t, noch immerfort<lb/>
nach der Aufkla&#x0364;rung hinwei&#x017F;end, wie ein alter Meilen¬<lb/>
zeiger, den man mitten im Kornfelde verge&#x017F;&#x017F;en, nach¬<lb/>
dem Fichte und Schelling la&#x0364;ng&#x017F;t andere Straßen ge¬<lb/>
zogen hatten. Du verachtete&#x017F;t damals uns Ju&#x0364;ngere<lb/>
un&#x017F;a&#x0364;glich, die wir den neuen Weg einge&#x017F;chlagen. &#x2014;<lb/>
Nun bei Gott, das thu' ich auch jetzt noch, rief Grund¬<lb/>
ing, indem er dicke Tabackswolken von &#x017F;ich &#x017F;tieß. &#x2014;<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[202/0209] und Kordelchen forderte Grundlingen auf, da ſie ſich eben alle wie in der Arche Noah ſo froͤhlich zuſam¬ mengefunden haͤtten, bei der ſchoͤnen, warmen Nacht ſeine Lebensgeſchichte zum Beſten zu geben, was von den andern mit großem Applaus aufgenommen wurde. Grundling langte nun aus ſeinem tiefen Schub¬ ſack erſt mehrere Stuͤcke eines Pfeifenrohrs hervor, die er umſtaͤndlich zuſammenſetzte, und einen ungeheuern Pfeifenkopf vollpfropfte, waͤhrend er auf einem der umgeſtuͤrzten Weinfaͤſſer Platz nahm. Die andern hat¬ ten ſich, um dem Qualme des ſchlechten Tabacks zu entgehen, vorſichtig außer dem Winde um ihn her ge¬ ſetzt, worauf derſelbe endlich folgendermaßen begann: Du wirſt dich noch erinnern, Fortunat, wie ich in Heidelberg mich ſo in die Wiſſenſchaften verbiſſen hatte, daß ich gar nicht mehr loskommen konnte. — Allerdings, erwiederte Fortunat, du und dein gruͤn¬ graͤulicher Mantel hatten ſchon mehrere Studentengene¬ rationen uͤberlebt, als ich dort ankam. Du warſt ein hartnaͤckiger Kantianer, und ſtandſt, noch immerfort nach der Aufklaͤrung hinweiſend, wie ein alter Meilen¬ zeiger, den man mitten im Kornfelde vergeſſen, nach¬ dem Fichte und Schelling laͤngſt andere Straßen ge¬ zogen hatten. Du verachteteſt damals uns Juͤngere unſaͤglich, die wir den neuen Weg eingeſchlagen. — Nun bei Gott, das thu' ich auch jetzt noch, rief Grund¬ ing, indem er dicke Tabackswolken von ſich ſtieß. —

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/209
Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/209>, abgerufen am 22.11.2024.