Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

So stand er noch ein Weilchen ganz verwirrt,
dann berichtigte auch er schnell seine Zeche, schwang
sich auf sein Pferd und schlug den Waldpfad ein, den
die geheimnißvolle Erscheinung vor Tagesanbruch ge¬
nommen. Er ritt den ganzen Morgen fort: aber er
fand sie nicht mehr wieder.


Fünfzehntes Kapitel.

Die Sonne war eben über Rom untergegangen,
als Fortunat von den Bergen mit der Adendkühle in
die Stadt einzog. Nur ein Streifen des Meeres in
der Ferne und das Kreuz der Peterskuppel brannten
noch im Wiederschein, dazwischen der Klang unzähliger
Abendglocken, und Gärten, Paläste und einsames Ge¬
birg unten wunderbar zerworfen -- es war ihm, als
zöge er in ein prächtiges Mährchen hinein. -- Ecco
la
! rief auf einmal sein Veturin und hielt still. Sie
standen vor einem großen, altmodischen Palast, wel¬
cher zum Theil unbewohnt schien und in der Dämme¬
rung melancholisch auf den einsamen Platz hernieder¬
schaute, wo hohes Gras aus dem Pflaster drang und
ein Springbrunnen einförmig rauschte. Es war das

So ſtand er noch ein Weilchen ganz verwirrt,
dann berichtigte auch er ſchnell ſeine Zeche, ſchwang
ſich auf ſein Pferd und ſchlug den Waldpfad ein, den
die geheimnißvolle Erſcheinung vor Tagesanbruch ge¬
nommen. Er ritt den ganzen Morgen fort: aber er
fand ſie nicht mehr wieder.


Fünfzehntes Kapitel.

Die Sonne war eben uͤber Rom untergegangen,
als Fortunat von den Bergen mit der Adendkuͤhle in
die Stadt einzog. Nur ein Streifen des Meeres in
der Ferne und das Kreuz der Peterskuppel brannten
noch im Wiederſchein, dazwiſchen der Klang unzaͤhliger
Abendglocken, und Gaͤrten, Palaͤſte und einſames Ge¬
birg unten wunderbar zerworfen — es war ihm, als
zoͤge er in ein praͤchtiges Maͤhrchen hinein. — Ecco
! rief auf einmal ſein Veturin und hielt ſtill. Sie
ſtanden vor einem großen, altmodiſchen Palaſt, wel¬
cher zum Theil unbewohnt ſchien und in der Daͤmme¬
rung melancholiſch auf den einſamen Platz hernieder¬
ſchaute, wo hohes Gras aus dem Pflaſter drang und
ein Springbrunnen einfoͤrmig rauſchte. Es war das

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0193" n="186"/>
          <p>So &#x017F;tand er noch ein Weilchen ganz verwirrt,<lb/>
dann berichtigte auch er &#x017F;chnell &#x017F;eine Zeche, &#x017F;chwang<lb/>
&#x017F;ich auf &#x017F;ein Pferd und &#x017F;chlug den Waldpfad ein, den<lb/>
die geheimnißvolle Er&#x017F;cheinung vor Tagesanbruch ge¬<lb/>
nommen. Er ritt den ganzen Morgen fort: aber er<lb/>
fand &#x017F;ie nicht mehr wieder.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        </div>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#fr #g">Fünfzehntes Kapitel</hi>.<lb/></head>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <p>Die Sonne war eben u&#x0364;ber Rom untergegangen,<lb/>
als Fortunat von den Bergen mit der Adendku&#x0364;hle in<lb/>
die Stadt einzog. Nur ein Streifen des Meeres in<lb/>
der Ferne und das Kreuz der Peterskuppel brannten<lb/>
noch im Wieder&#x017F;chein, dazwi&#x017F;chen der Klang unza&#x0364;hliger<lb/>
Abendglocken, und Ga&#x0364;rten, Pala&#x0364;&#x017F;te und ein&#x017F;ames Ge¬<lb/>
birg unten wunderbar zerworfen &#x2014; es war ihm, als<lb/>
zo&#x0364;ge er in ein pra&#x0364;chtiges Ma&#x0364;hrchen hinein. &#x2014; <hi rendition="#aq">Ecco<lb/></hi>! rief auf einmal &#x017F;ein Veturin und hielt &#x017F;till. Sie<lb/>
&#x017F;tanden vor einem großen, altmodi&#x017F;chen Pala&#x017F;t, wel¬<lb/>
cher zum Theil unbewohnt &#x017F;chien und in der Da&#x0364;mme¬<lb/>
rung melancholi&#x017F;ch auf den ein&#x017F;amen Platz hernieder¬<lb/>
&#x017F;chaute, wo hohes Gras aus dem Pfla&#x017F;ter drang und<lb/>
ein Springbrunnen einfo&#x0364;rmig rau&#x017F;chte. Es war das<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[186/0193] So ſtand er noch ein Weilchen ganz verwirrt, dann berichtigte auch er ſchnell ſeine Zeche, ſchwang ſich auf ſein Pferd und ſchlug den Waldpfad ein, den die geheimnißvolle Erſcheinung vor Tagesanbruch ge¬ nommen. Er ritt den ganzen Morgen fort: aber er fand ſie nicht mehr wieder. Fünfzehntes Kapitel. Die Sonne war eben uͤber Rom untergegangen, als Fortunat von den Bergen mit der Adendkuͤhle in die Stadt einzog. Nur ein Streifen des Meeres in der Ferne und das Kreuz der Peterskuppel brannten noch im Wiederſchein, dazwiſchen der Klang unzaͤhliger Abendglocken, und Gaͤrten, Palaͤſte und einſames Ge¬ birg unten wunderbar zerworfen — es war ihm, als zoͤge er in ein praͤchtiges Maͤhrchen hinein. — Ecco là! rief auf einmal ſein Veturin und hielt ſtill. Sie ſtanden vor einem großen, altmodiſchen Palaſt, wel¬ cher zum Theil unbewohnt ſchien und in der Daͤmme¬ rung melancholiſch auf den einſamen Platz hernieder¬ ſchaute, wo hohes Gras aus dem Pflaſter drang und ein Springbrunnen einfoͤrmig rauſchte. Es war das

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/193
Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/193>, abgerufen am 22.11.2024.