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Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834.

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Jetzt ging der Mond prächtig über den Wäldern
auf. Lothario schaute in die wunderbare Einsamkeit
und sagte halb für sich: So hab' ich's manchmal im
Traume gesehen. -- Juanna aber blickte spähend um¬
her, die Gegend war ihr ganz fremd, einzelne Wol¬
kenschatten flogen darüber, tiefer schimmerten die
Gründe fast heimathlich herauf, wie die Thäler in
Spanien, sie gedachte der schönen Sommernächte unter
den Guerilla's. -- Auf einmal stutzte sie, zwei gesat¬
telte Pferde standen dicht vor ihnen im Walde, und
ehe sie sich besinnen und fragen konnte, hob sie Lotha¬
rio schon auf das eine Roß, schwang sich selbst auf
das andere, und über den mondhellen Waldgrund
nun ging es rasch fort durch die stille, sternklare
Nacht.

Hier blitzte plötzlich eine furchtbare Ahnung durch
Juanna's Seele, sie konnte kein Wort hervorbringen,
dem Unglaublichen finster nachsinnend, während Büsche,
Thäler und ferne Dörfer geheimnißvoll an ihnen vor¬
überflogen. Lothario war wie verwandelt. Juanna!
rief er ihr aus Herzensgrunde zu, blick' um dich, die
Erde ist so still und schön wie eine Brautnacht! Frei
sollst du wohnen auf hohem Schloß, wo die Rehe an
den Abhängen einsam grasen, dort will ich unter dei¬
nem offenen Fenster ruhen in den Sommernächten und
dich in Traum singen, bis die Sterne verlöschen und

Jetzt ging der Mond praͤchtig uͤber den Waͤldern
auf. Lothario ſchaute in die wunderbare Einſamkeit
und ſagte halb fuͤr ſich: So hab' ich's manchmal im
Traume geſehen. — Juanna aber blickte ſpaͤhend um¬
her, die Gegend war ihr ganz fremd, einzelne Wol¬
kenſchatten flogen daruͤber, tiefer ſchimmerten die
Gruͤnde faſt heimathlich herauf, wie die Thaͤler in
Spanien, ſie gedachte der ſchoͤnen Sommernaͤchte unter
den Guerilla's. — Auf einmal ſtutzte ſie, zwei geſat¬
telte Pferde ſtanden dicht vor ihnen im Walde, und
ehe ſie ſich beſinnen und fragen konnte, hob ſie Lotha¬
rio ſchon auf das eine Roß, ſchwang ſich ſelbſt auf
das andere, und uͤber den mondhellen Waldgrund
nun ging es raſch fort durch die ſtille, ſternklare
Nacht.

Hier blitzte ploͤtzlich eine furchtbare Ahnung durch
Juanna's Seele, ſie konnte kein Wort hervorbringen,
dem Unglaublichen finſter nachſinnend, waͤhrend Buͤſche,
Thaͤler und ferne Doͤrfer geheimnißvoll an ihnen vor¬
uͤberflogen. Lothario war wie verwandelt. Juanna!
rief er ihr aus Herzensgrunde zu, blick' um dich, die
Erde iſt ſo ſtill und ſchoͤn wie eine Brautnacht! Frei
ſollſt du wohnen auf hohem Schloß, wo die Rehe an
den Abhaͤngen einſam graſen, dort will ich unter dei¬
nem offenen Fenſter ruhen in den Sommernaͤchten und
dich in Traum ſingen, bis die Sterne verloͤſchen und

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[175/0182] Jetzt ging der Mond praͤchtig uͤber den Waͤldern auf. Lothario ſchaute in die wunderbare Einſamkeit und ſagte halb fuͤr ſich: So hab' ich's manchmal im Traume geſehen. — Juanna aber blickte ſpaͤhend um¬ her, die Gegend war ihr ganz fremd, einzelne Wol¬ kenſchatten flogen daruͤber, tiefer ſchimmerten die Gruͤnde faſt heimathlich herauf, wie die Thaͤler in Spanien, ſie gedachte der ſchoͤnen Sommernaͤchte unter den Guerilla's. — Auf einmal ſtutzte ſie, zwei geſat¬ telte Pferde ſtanden dicht vor ihnen im Walde, und ehe ſie ſich beſinnen und fragen konnte, hob ſie Lotha¬ rio ſchon auf das eine Roß, ſchwang ſich ſelbſt auf das andere, und uͤber den mondhellen Waldgrund nun ging es raſch fort durch die ſtille, ſternklare Nacht. Hier blitzte ploͤtzlich eine furchtbare Ahnung durch Juanna's Seele, ſie konnte kein Wort hervorbringen, dem Unglaublichen finſter nachſinnend, waͤhrend Buͤſche, Thaͤler und ferne Doͤrfer geheimnißvoll an ihnen vor¬ uͤberflogen. Lothario war wie verwandelt. Juanna! rief er ihr aus Herzensgrunde zu, blick' um dich, die Erde iſt ſo ſtill und ſchoͤn wie eine Brautnacht! Frei ſollſt du wohnen auf hohem Schloß, wo die Rehe an den Abhaͤngen einſam graſen, dort will ich unter dei¬ nem offenen Fenſter ruhen in den Sommernaͤchten und dich in Traum ſingen, bis die Sterne verloͤſchen und

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Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/182>, abgerufen am 24.11.2024.