er von den geheimnißvollsten, innersten Gedanken mei¬ ner Seele, ja ich möchte sagen, von dem Waldesrau¬ schen meiner Kindheit wunderbaren Klang giebt. -- Friede dem großen dunklen Gemüth, fuhr er sein Glas erhebend fort, und freudiges Begegnen mit ihm!
Die Freunde hatten über dem lebhaften Gespräch gar nicht bemerkt, daß unterdeß der Platz allmählig öde geworden war. In der wachsenden Stille hörte man nur noch eine Geige aus einiger Entfernung, und dann das einförmige Stampfen von Tanzenden dazwischen herüberschallen. Beides klappte so wenig zusammen, und die Geige wurde so unaufhörlich und entsetzlich schnell gestrichen, daß Fortunat laut auflachte, und ungeachtet Walters Einwendungen sogleich dem Tanzplatze zueilte. Der verworrene Klang kam aus einem niedrigen Häuschen, über dessen Thüre ein Strohbüschel als Wahrzeichen eines Weinschanks im Nachtwinde hin und her baumelte. Walter war in anständiger Ferne stehen geblieben, während For¬ tunat durch das Fenster in die seltsame Tanz-Grube hineinblickte. Ein langes dünnes Licht, das wie ein Peitschenstiel aus einem eisernen Leuchter hervorragte, warf ungewisse Scheine über das dunkle Gewölbe eines Kellers, an dessen Seitenwänden eingeschlafene Trinker über den langen plumpen Tischen umherlagen. In der Mitte tanzten eifrig mehrere Paare lustigen Ge¬ sindels, bald mit den zierlich gebogenen Armen wie
er von den geheimnißvollſten, innerſten Gedanken mei¬ ner Seele, ja ich moͤchte ſagen, von dem Waldesrau¬ ſchen meiner Kindheit wunderbaren Klang giebt. — Friede dem großen dunklen Gemuͤth, fuhr er ſein Glas erhebend fort, und freudiges Begegnen mit ihm!
Die Freunde hatten uͤber dem lebhaften Geſpraͤch gar nicht bemerkt, daß unterdeß der Platz allmaͤhlig oͤde geworden war. In der wachſenden Stille hoͤrte man nur noch eine Geige aus einiger Entfernung, und dann das einfoͤrmige Stampfen von Tanzenden dazwiſchen heruͤberſchallen. Beides klappte ſo wenig zuſammen, und die Geige wurde ſo unaufhoͤrlich und entſetzlich ſchnell geſtrichen, daß Fortunat laut auflachte, und ungeachtet Walters Einwendungen ſogleich dem Tanzplatze zueilte. Der verworrene Klang kam aus einem niedrigen Haͤuschen, uͤber deſſen Thuͤre ein Strohbuͤſchel als Wahrzeichen eines Weinſchanks im Nachtwinde hin und her baumelte. Walter war in anſtaͤndiger Ferne ſtehen geblieben, waͤhrend For¬ tunat durch das Fenſter in die ſeltſame Tanz-Grube hineinblickte. Ein langes duͤnnes Licht, das wie ein Peitſchenſtiel aus einem eiſernen Leuchter hervorragte, warf ungewiſſe Scheine uͤber das dunkle Gewoͤlbe eines Kellers, an deſſen Seitenwaͤnden eingeſchlafene Trinker uͤber den langen plumpen Tiſchen umherlagen. In der Mitte tanzten eifrig mehrere Paare luſtigen Ge¬ ſindels, bald mit den zierlich gebogenen Armen wie
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er von den geheimnißvollſten, innerſten Gedanken mei¬
ner Seele, ja ich moͤchte ſagen, von dem Waldesrau¬
ſchen meiner Kindheit wunderbaren Klang giebt. —
Friede dem großen dunklen Gemuͤth, fuhr er ſein Glas
erhebend fort, und freudiges Begegnen mit ihm!
Die Freunde hatten uͤber dem lebhaften Geſpraͤch
gar nicht bemerkt, daß unterdeß der Platz allmaͤhlig
oͤde geworden war. In der wachſenden Stille hoͤrte
man nur noch eine Geige aus einiger Entfernung,
und dann das einfoͤrmige Stampfen von Tanzenden
dazwiſchen heruͤberſchallen. Beides klappte ſo wenig
zuſammen, und die Geige wurde ſo unaufhoͤrlich und
entſetzlich ſchnell geſtrichen, daß Fortunat laut auflachte,
und ungeachtet Walters Einwendungen ſogleich dem
Tanzplatze zueilte. Der verworrene Klang kam aus
einem niedrigen Haͤuschen, uͤber deſſen Thuͤre ein
Strohbuͤſchel als Wahrzeichen eines Weinſchanks im
Nachtwinde hin und her baumelte. Walter war
in anſtaͤndiger Ferne ſtehen geblieben, waͤhrend For¬
tunat durch das Fenſter in die ſeltſame Tanz-Grube
hineinblickte. Ein langes duͤnnes Licht, das wie ein
Peitſchenſtiel aus einem eiſernen Leuchter hervorragte,
warf ungewiſſe Scheine uͤber das dunkle Gewoͤlbe eines
Kellers, an deſſen Seitenwaͤnden eingeſchlafene Trinker
uͤber den langen plumpen Tiſchen umherlagen. In
der Mitte tanzten eifrig mehrere Paare luſtigen Ge¬
ſindels, bald mit den zierlich gebogenen Armen wie
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Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/18>, abgerufen am 21.11.2024.
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