war ihm, als führe sie unter den Bäumen wie eine kleine Hexe auf dem Kochlöffel davon.
Am folgenden Morgen war er schon frühzeitig auf dem Platz, in Schuh und Strümpfen, einen Klapp¬ hut unter dem Arm. In des Forstmeisters Hause schien noch alles zu schlafen; er trat unbemerkt in den stillen Gartensaal. Dort war eine lange Tafel schon festlich gedeckt, buntes Naschwerk schimmerte zwischen den künstlich gefalteten Servietten, in der Mitte ein prächtiger altmodischer Aufsatz mit Pomeranzenbäum¬ chen von Wachs und porzellanenen Götterfiguren, die sich in dem Spiegelboden, wie in einem Weiher ver¬ doppelten. Er schritt neugierig auf und nieder und kostete alle Teller durch. Dann ging er in den Gar¬ ten, um in der Geschwindigkeit noch die Rede zu me¬ moriren, die er an der Hochzeitstafel halten wollte. Da sangen aber die Vögel so spöttisch und die schlan¬ ken Pappeln im Morgenwind verneigten sich vor ihm, als wollte ihm Alles gratuliren. Von einem umwach¬ senen Hügel konnte er gerade ins Haus seiner Liebsten sehen. Dort war es unterdeß auch schon lebendig ge¬ worden, er sah, wie sich Vettern und Basen im fest¬ lichen Staate versammelten, immer neue Gestalten erschienen an den Fenstern, ein galantes Wirren, Scharren und Knixen flimmernd durch einander, drau¬ ßen wurden Pasteten und ein hoher Baumkuchen ins
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war ihm, als fuͤhre ſie unter den Baͤumen wie eine kleine Hexe auf dem Kochloͤffel davon.
Am folgenden Morgen war er ſchon fruͤhzeitig auf dem Platz, in Schuh und Struͤmpfen, einen Klapp¬ hut unter dem Arm. In des Forſtmeiſters Hauſe ſchien noch alles zu ſchlafen; er trat unbemerkt in den ſtillen Gartenſaal. Dort war eine lange Tafel ſchon feſtlich gedeckt, buntes Naſchwerk ſchimmerte zwiſchen den kuͤnſtlich gefalteten Servietten, in der Mitte ein praͤchtiger altmodiſcher Aufſatz mit Pomeranzenbaͤum¬ chen von Wachs und porzellanenen Goͤtterfiguren, die ſich in dem Spiegelboden, wie in einem Weiher ver¬ doppelten. Er ſchritt neugierig auf und nieder und koſtete alle Teller durch. Dann ging er in den Gar¬ ten, um in der Geſchwindigkeit noch die Rede zu me¬ moriren, die er an der Hochzeitstafel halten wollte. Da ſangen aber die Voͤgel ſo ſpoͤttiſch und die ſchlan¬ ken Pappeln im Morgenwind verneigten ſich vor ihm, als wollte ihm Alles gratuliren. Von einem umwach¬ ſenen Huͤgel konnte er gerade ins Haus ſeiner Liebſten ſehen. Dort war es unterdeß auch ſchon lebendig ge¬ worden, er ſah, wie ſich Vettern und Baſen im feſt¬ lichen Staate verſammelten, immer neue Geſtalten erſchienen an den Fenſtern, ein galantes Wirren, Scharren und Knixen flimmernd durch einander, drau¬ ßen wurden Paſteten und ein hoher Baumkuchen ins
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war ihm, als fuͤhre ſie unter den Baͤumen wie eine
kleine Hexe auf dem Kochloͤffel davon.
Am folgenden Morgen war er ſchon fruͤhzeitig
auf dem Platz, in Schuh und Struͤmpfen, einen Klapp¬
hut unter dem Arm. In des Forſtmeiſters Hauſe
ſchien noch alles zu ſchlafen; er trat unbemerkt in den
ſtillen Gartenſaal. Dort war eine lange Tafel ſchon
feſtlich gedeckt, buntes Naſchwerk ſchimmerte zwiſchen
den kuͤnſtlich gefalteten Servietten, in der Mitte ein
praͤchtiger altmodiſcher Aufſatz mit Pomeranzenbaͤum¬
chen von Wachs und porzellanenen Goͤtterfiguren, die
ſich in dem Spiegelboden, wie in einem Weiher ver¬
doppelten. Er ſchritt neugierig auf und nieder und
koſtete alle Teller durch. Dann ging er in den Gar¬
ten, um in der Geſchwindigkeit noch die Rede zu me¬
moriren, die er an der Hochzeitstafel halten wollte.
Da ſangen aber die Voͤgel ſo ſpoͤttiſch und die ſchlan¬
ken Pappeln im Morgenwind verneigten ſich vor ihm,
als wollte ihm Alles gratuliren. Von einem umwach¬
ſenen Huͤgel konnte er gerade ins Haus ſeiner Liebſten
ſehen. Dort war es unterdeß auch ſchon lebendig ge¬
worden, er ſah, wie ſich Vettern und Baſen im feſt¬
lichen Staate verſammelten, immer neue Geſtalten
erſchienen an den Fenſtern, ein galantes Wirren,
Scharren und Knixen flimmernd durch einander, drau¬
ßen wurden Paſteten und ein hoher Baumkuchen ins
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Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/170>, abgerufen am 24.11.2024.
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