Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

Am wunderlichsten aber war es Dryandern
ergangen. Sein Dichterruf öffnete ihm alle Flügelthü¬
ren des Schlosses, da hatte ihn aber der Hofwind so
wacker gefaßt, daß er bald den Hut sammt dem Kopfe
darüber verloren hätte. Die unverschämte Art, mit
der er sich selbst vergötterte, sein Witz und poetisches
Wetterleuchten dazwischen, blendete, verwirrte und be¬
lebte alles, und eh' man sich dessen versah, hatte der
Fürst ihn bei Hofe angestellt; die Schauspieler mein¬
ten: als lustigen Rath. Er selbst aber nahm die
Sache sehr ernst, hielt einen Bedienten, mit dem er
sich täglich zankte, kleidete sich sorgfältig nach der neue¬
sten Mode, sprach nur französisch zu den Komödian¬
ten, die es nicht verstanden, und wies Lothario's Ge¬
lächter mit gründlicher Verachtung zurück.

Währenddeß hatte auch der junge, schöne Maler
Guido sich immermehr in Kordelchens feingeschlitzte
Augen vertieft, und entdeckte in dem muthwilligen
Mädchen täglich neue, unerhörte, nur von der Gemein¬
heit ihrer Umgebung verschüttete Talente, von denen
sie selber nichts wisse. Strotzend von guten Vor¬
sätzen, voll Selbstvertrauens und jugendlichen Glau¬
bens an Tugend und Liebe, ging er muthig darauf los,
sie aus ihrer Verwilderung mit sich emporzuflügeln. --
Eines Nachmittags saßen beide zusammen in dem alt¬
modischen Ziergarten, der die Wohnung der Schau¬
spieler umgab. Sie strickte einen Strumpf, er las ihr

Am wunderlichſten aber war es Dryandern
ergangen. Sein Dichterruf oͤffnete ihm alle Fluͤgelthuͤ¬
ren des Schloſſes, da hatte ihn aber der Hofwind ſo
wacker gefaßt, daß er bald den Hut ſammt dem Kopfe
daruͤber verloren haͤtte. Die unverſchaͤmte Art, mit
der er ſich ſelbſt vergoͤtterte, ſein Witz und poetiſches
Wetterleuchten dazwiſchen, blendete, verwirrte und be¬
lebte alles, und eh' man ſich deſſen verſah, hatte der
Fuͤrſt ihn bei Hofe angeſtellt; die Schauſpieler mein¬
ten: als luſtigen Rath. Er ſelbſt aber nahm die
Sache ſehr ernſt, hielt einen Bedienten, mit dem er
ſich taͤglich zankte, kleidete ſich ſorgfaͤltig nach der neue¬
ſten Mode, ſprach nur franzoͤſiſch zu den Komoͤdian¬
ten, die es nicht verſtanden, und wies Lothario's Ge¬
laͤchter mit gruͤndlicher Verachtung zuruͤck.

Waͤhrenddeß hatte auch der junge, ſchoͤne Maler
Guido ſich immermehr in Kordelchens feingeſchlitzte
Augen vertieft, und entdeckte in dem muthwilligen
Maͤdchen taͤglich neue, unerhoͤrte, nur von der Gemein¬
heit ihrer Umgebung verſchuͤttete Talente, von denen
ſie ſelber nichts wiſſe. Strotzend von guten Vor¬
ſaͤtzen, voll Selbſtvertrauens und jugendlichen Glau¬
bens an Tugend und Liebe, ging er muthig darauf los,
ſie aus ihrer Verwilderung mit ſich emporzufluͤgeln. —
Eines Nachmittags ſaßen beide zuſammen in dem alt¬
modiſchen Ziergarten, der die Wohnung der Schau¬
ſpieler umgab. Sie ſtrickte einen Strumpf, er las ihr

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0150" n="143"/>
          <p>Am wunderlich&#x017F;ten aber war es <hi rendition="#g">Dryandern</hi><lb/>
ergangen. Sein Dichterruf o&#x0364;ffnete ihm alle Flu&#x0364;gelthu&#x0364;¬<lb/>
ren des Schlo&#x017F;&#x017F;es, da hatte ihn aber der Hofwind &#x017F;o<lb/>
wacker gefaßt, daß er bald den Hut &#x017F;ammt dem Kopfe<lb/>
daru&#x0364;ber verloren ha&#x0364;tte. Die unver&#x017F;cha&#x0364;mte Art, mit<lb/>
der er &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t vergo&#x0364;tterte, &#x017F;ein Witz und poeti&#x017F;ches<lb/>
Wetterleuchten dazwi&#x017F;chen, blendete, verwirrte und be¬<lb/>
lebte alles, und eh' man &#x017F;ich de&#x017F;&#x017F;en ver&#x017F;ah, hatte der<lb/>
Fu&#x0364;r&#x017F;t ihn bei Hofe ange&#x017F;tellt; die Schau&#x017F;pieler mein¬<lb/>
ten: als lu&#x017F;tigen Rath. Er &#x017F;elb&#x017F;t aber nahm die<lb/>
Sache &#x017F;ehr ern&#x017F;t, hielt einen Bedienten, mit dem er<lb/>
&#x017F;ich ta&#x0364;glich zankte, kleidete &#x017F;ich &#x017F;orgfa&#x0364;ltig nach der neue¬<lb/>
&#x017F;ten Mode, &#x017F;prach nur franzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;ch zu den Komo&#x0364;dian¬<lb/>
ten, die es nicht ver&#x017F;tanden, und wies Lothario's Ge¬<lb/>
la&#x0364;chter mit gru&#x0364;ndlicher Verachtung zuru&#x0364;ck.</p><lb/>
          <p>Wa&#x0364;hrenddeß hatte auch der junge, &#x017F;cho&#x0364;ne Maler<lb/><hi rendition="#g">Guido</hi> &#x017F;ich immermehr in Kordelchens feinge&#x017F;chlitzte<lb/>
Augen vertieft, und entdeckte in dem muthwilligen<lb/>
Ma&#x0364;dchen ta&#x0364;glich neue, unerho&#x0364;rte, nur von der Gemein¬<lb/>
heit ihrer Umgebung ver&#x017F;chu&#x0364;ttete Talente, von denen<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;elber nichts wi&#x017F;&#x017F;e. Strotzend von guten Vor¬<lb/>
&#x017F;a&#x0364;tzen, voll Selb&#x017F;tvertrauens und jugendlichen Glau¬<lb/>
bens an Tugend und Liebe, ging er muthig darauf los,<lb/>
&#x017F;ie aus ihrer Verwilderung mit &#x017F;ich emporzuflu&#x0364;geln. &#x2014;<lb/>
Eines Nachmittags &#x017F;aßen beide zu&#x017F;ammen in dem alt¬<lb/>
modi&#x017F;chen Ziergarten, der die Wohnung der Schau¬<lb/>
&#x017F;pieler umgab. Sie &#x017F;trickte einen Strumpf, er las ihr<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[143/0150] Am wunderlichſten aber war es Dryandern ergangen. Sein Dichterruf oͤffnete ihm alle Fluͤgelthuͤ¬ ren des Schloſſes, da hatte ihn aber der Hofwind ſo wacker gefaßt, daß er bald den Hut ſammt dem Kopfe daruͤber verloren haͤtte. Die unverſchaͤmte Art, mit der er ſich ſelbſt vergoͤtterte, ſein Witz und poetiſches Wetterleuchten dazwiſchen, blendete, verwirrte und be¬ lebte alles, und eh' man ſich deſſen verſah, hatte der Fuͤrſt ihn bei Hofe angeſtellt; die Schauſpieler mein¬ ten: als luſtigen Rath. Er ſelbſt aber nahm die Sache ſehr ernſt, hielt einen Bedienten, mit dem er ſich taͤglich zankte, kleidete ſich ſorgfaͤltig nach der neue¬ ſten Mode, ſprach nur franzoͤſiſch zu den Komoͤdian¬ ten, die es nicht verſtanden, und wies Lothario's Ge¬ laͤchter mit gruͤndlicher Verachtung zuruͤck. Waͤhrenddeß hatte auch der junge, ſchoͤne Maler Guido ſich immermehr in Kordelchens feingeſchlitzte Augen vertieft, und entdeckte in dem muthwilligen Maͤdchen taͤglich neue, unerhoͤrte, nur von der Gemein¬ heit ihrer Umgebung verſchuͤttete Talente, von denen ſie ſelber nichts wiſſe. Strotzend von guten Vor¬ ſaͤtzen, voll Selbſtvertrauens und jugendlichen Glau¬ bens an Tugend und Liebe, ging er muthig darauf los, ſie aus ihrer Verwilderung mit ſich emporzufluͤgeln. — Eines Nachmittags ſaßen beide zuſammen in dem alt¬ modiſchen Ziergarten, der die Wohnung der Schau¬ ſpieler umgab. Sie ſtrickte einen Strumpf, er las ihr

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/150
Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/150>, abgerufen am 23.11.2024.