Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

wärts auf einem Frauensattel, auf ihrem Arm über
den Hals des Pferdes gelehnt, und plauderte im Wal¬
desgrün unbekümmert wie ein Kind in ihrer schönen
melodischen Sprache, daß es St. Val war, als hörte
er die ferne Musik wieder in der stillen Abendluft, die
ihn vorhin verlockt hatte. -- Auf einmal richtete sie
sich lauschend auf, man hörte französisch sprechen dicht
unter ihnen. Sie lenkte vorsichtig hin nach den Stim¬
men, und durch das Gebüsch sahen sie einen Trupp
Reiter in ihren weißen Mänteln, die in der Dunkel¬
heit leuchteten, langsam vorüberziehen -- nur ein Laut
von St. Val, und die Gräfin war verloren. -- Sie
aber schaute mit kühner Lust hinab, wie man Nachts
in ein Gewitter sieht, dann, plötzlich sich selbst unter¬
brechend, streckte sie den Fuß gegen St. Val: er sollt'
ihr das Schuhband binden, und lächelte spöttisch, da
er's that." --

"Von diesem Augenblick war er ganz in ihrer
Macht. Sie sagte: sie hätte ihn nur versuchen wol¬
len, ob er's ehrlich meine, sie wisse den Weg besser
als er, sie wolle ihn heimführen. Mit diesen Wor¬
ten lenkte sie rasch herum, und in den Klüften bald
hernieder bald wieder aufwärts, an schwindelnden Ab¬
gründen vorüber, ging es immer tiefer in die Nacht
und die Wälder hinein -- er konnte kaum folgen
durch das Gestrüpp wie ein getreuer Hund, und als
sie endlich unerwartet in's Freie kamen, sah der Ent¬

waͤrts auf einem Frauenſattel, auf ihrem Arm uͤber
den Hals des Pferdes gelehnt, und plauderte im Wal¬
desgruͤn unbekuͤmmert wie ein Kind in ihrer ſchoͤnen
melodiſchen Sprache, daß es St. Val war, als hoͤrte
er die ferne Muſik wieder in der ſtillen Abendluft, die
ihn vorhin verlockt hatte. — Auf einmal richtete ſie
ſich lauſchend auf, man hoͤrte franzoͤſiſch ſprechen dicht
unter ihnen. Sie lenkte vorſichtig hin nach den Stim¬
men, und durch das Gebuͤſch ſahen ſie einen Trupp
Reiter in ihren weißen Maͤnteln, die in der Dunkel¬
heit leuchteten, langſam voruͤberziehen — nur ein Laut
von St. Val, und die Graͤfin war verloren. — Sie
aber ſchaute mit kuͤhner Luſt hinab, wie man Nachts
in ein Gewitter ſieht, dann, ploͤtzlich ſich ſelbſt unter¬
brechend, ſtreckte ſie den Fuß gegen St. Val: er ſollt'
ihr das Schuhband binden, und laͤchelte ſpoͤttiſch, da
er's that.“ —

„Von dieſem Augenblick war er ganz in ihrer
Macht. Sie ſagte: ſie haͤtte ihn nur verſuchen wol¬
len, ob er's ehrlich meine, ſie wiſſe den Weg beſſer
als er, ſie wolle ihn heimfuͤhren. Mit dieſen Wor¬
ten lenkte ſie raſch herum, und in den Kluͤften bald
hernieder bald wieder aufwaͤrts, an ſchwindelnden Ab¬
gruͤnden voruͤber, ging es immer tiefer in die Nacht
und die Waͤlder hinein — er konnte kaum folgen
durch das Geſtruͤpp wie ein getreuer Hund, und als
ſie endlich unerwartet in's Freie kamen, ſah der Ent¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0142" n="135"/>
wa&#x0364;rts auf einem Frauen&#x017F;attel, auf ihrem Arm u&#x0364;ber<lb/>
den Hals des Pferdes gelehnt, und plauderte im Wal¬<lb/>
desgru&#x0364;n unbeku&#x0364;mmert wie ein Kind in ihrer &#x017F;cho&#x0364;nen<lb/>
melodi&#x017F;chen Sprache, daß es St. Val war, als ho&#x0364;rte<lb/>
er die ferne Mu&#x017F;ik wieder in der &#x017F;tillen Abendluft, die<lb/>
ihn vorhin verlockt hatte. &#x2014; Auf einmal richtete &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;ich lau&#x017F;chend auf, man ho&#x0364;rte franzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;ch &#x017F;prechen dicht<lb/>
unter ihnen. Sie lenkte vor&#x017F;ichtig hin nach den Stim¬<lb/>
men, und durch das Gebu&#x0364;&#x017F;ch &#x017F;ahen &#x017F;ie einen Trupp<lb/>
Reiter in ihren weißen Ma&#x0364;nteln, die in der Dunkel¬<lb/>
heit leuchteten, lang&#x017F;am voru&#x0364;berziehen &#x2014; nur ein Laut<lb/>
von St. Val, und die Gra&#x0364;fin war verloren. &#x2014; Sie<lb/>
aber &#x017F;chaute mit ku&#x0364;hner Lu&#x017F;t hinab, wie man Nachts<lb/>
in ein Gewitter &#x017F;ieht, dann, plo&#x0364;tzlich &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t unter¬<lb/>
brechend, &#x017F;treckte &#x017F;ie den Fuß gegen St. Val: er &#x017F;ollt'<lb/>
ihr das Schuhband binden, und la&#x0364;chelte &#x017F;po&#x0364;tti&#x017F;ch, da<lb/>
er's that.&#x201C; &#x2014;</p><lb/>
            <p>&#x201E;Von die&#x017F;em Augenblick war er ganz in ihrer<lb/>
Macht. Sie &#x017F;agte: &#x017F;ie ha&#x0364;tte ihn nur ver&#x017F;uchen wol¬<lb/>
len, ob er's ehrlich meine, &#x017F;ie wi&#x017F;&#x017F;e den Weg be&#x017F;&#x017F;er<lb/>
als er, &#x017F;ie wolle ihn heimfu&#x0364;hren. Mit die&#x017F;en Wor¬<lb/>
ten lenkte &#x017F;ie ra&#x017F;ch herum, und in den Klu&#x0364;ften bald<lb/>
hernieder bald wieder aufwa&#x0364;rts, an &#x017F;chwindelnden Ab¬<lb/>
gru&#x0364;nden voru&#x0364;ber, ging es immer tiefer in die Nacht<lb/>
und die Wa&#x0364;lder hinein &#x2014; er konnte kaum folgen<lb/>
durch das Ge&#x017F;tru&#x0364;pp wie ein getreuer Hund, und als<lb/>
&#x017F;ie endlich unerwartet in's Freie kamen, &#x017F;ah der Ent¬<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[135/0142] waͤrts auf einem Frauenſattel, auf ihrem Arm uͤber den Hals des Pferdes gelehnt, und plauderte im Wal¬ desgruͤn unbekuͤmmert wie ein Kind in ihrer ſchoͤnen melodiſchen Sprache, daß es St. Val war, als hoͤrte er die ferne Muſik wieder in der ſtillen Abendluft, die ihn vorhin verlockt hatte. — Auf einmal richtete ſie ſich lauſchend auf, man hoͤrte franzoͤſiſch ſprechen dicht unter ihnen. Sie lenkte vorſichtig hin nach den Stim¬ men, und durch das Gebuͤſch ſahen ſie einen Trupp Reiter in ihren weißen Maͤnteln, die in der Dunkel¬ heit leuchteten, langſam voruͤberziehen — nur ein Laut von St. Val, und die Graͤfin war verloren. — Sie aber ſchaute mit kuͤhner Luſt hinab, wie man Nachts in ein Gewitter ſieht, dann, ploͤtzlich ſich ſelbſt unter¬ brechend, ſtreckte ſie den Fuß gegen St. Val: er ſollt' ihr das Schuhband binden, und laͤchelte ſpoͤttiſch, da er's that.“ — „Von dieſem Augenblick war er ganz in ihrer Macht. Sie ſagte: ſie haͤtte ihn nur verſuchen wol¬ len, ob er's ehrlich meine, ſie wiſſe den Weg beſſer als er, ſie wolle ihn heimfuͤhren. Mit dieſen Wor¬ ten lenkte ſie raſch herum, und in den Kluͤften bald hernieder bald wieder aufwaͤrts, an ſchwindelnden Ab¬ gruͤnden voruͤber, ging es immer tiefer in die Nacht und die Waͤlder hinein — er konnte kaum folgen durch das Geſtruͤpp wie ein getreuer Hund, und als ſie endlich unerwartet in's Freie kamen, ſah der Ent¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/142
Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/142>, abgerufen am 22.11.2024.