daß ihr die Thränen funkelnd in den schönen Augen stockten. -- Nun, nun, antwortete die Alte, kein schlanker Tiger verwundet so tief, als wenn ihr lacht und ihnen die weißen Zähnchen weist oder einen beim Küssen heimlich damit beißt; keine buntgefleckte Schlange ist so schön und stark, als eure Arme, wenn ihr einen umschlingt. -- Die Gräfin hörte nur halb dar¬ auf und sagte wie in Gedanken: darum habe ich im¬ mer in den alten Büchern meines Vaters gelesen, wie Fürsten und Könige vor Mädchen knieten, und ihnen treu und gehorsam waren bis in den Tod. -- Ach, liebe Amme, du weißt so viele Künste von deinem Va¬ ter, kannst du denn nicht machen, daß alle Männer, die mich sehen, in Liebe entbrennen, und mir folgen müssen? -- Hm, entgegnete die Amme zögernd, wenn nur -- ich wüßte wohl --"
" Die Gräfin aber, deren Seele ganz erfüllt war von dem Gedanken, hatte sie schon am Arm gefaßt, und drängte sie ungeduldig fort: die Nacht sey dunkel und schwül, alles schlafe schon im Schloß, es sey eben die rechte Zeit. -- So gingen sie weiter den stillen Garten entlang bis an's einsamste Ende. Un¬ terwegs sagte die Amme: es ist nichts Geringes, dem Freier, den ich euch zuerst zeigen werde, müßt ihr den Ring vom Finger ziehn -- aber laßt's euch nicht anfechten, wann er etwas bleich und wirre sieht -- den Ring drückt ihr an's Herz bis es blutet, dann
daß ihr die Thraͤnen funkelnd in den ſchoͤnen Augen ſtockten. — Nun, nun, antwortete die Alte, kein ſchlanker Tiger verwundet ſo tief, als wenn ihr lacht und ihnen die weißen Zaͤhnchen weiſt oder einen beim Kuͤſſen heimlich damit beißt; keine buntgefleckte Schlange iſt ſo ſchoͤn und ſtark, als eure Arme, wenn ihr einen umſchlingt. — Die Graͤfin hoͤrte nur halb dar¬ auf und ſagte wie in Gedanken: darum habe ich im¬ mer in den alten Buͤchern meines Vaters geleſen, wie Fuͤrſten und Koͤnige vor Maͤdchen knieten, und ihnen treu und gehorſam waren bis in den Tod. — Ach, liebe Amme, du weißt ſo viele Kuͤnſte von deinem Va¬ ter, kannſt du denn nicht machen, daß alle Maͤnner, die mich ſehen, in Liebe entbrennen, und mir folgen muͤſſen? — Hm, entgegnete die Amme zoͤgernd, wenn nur — ich wuͤßte wohl —“
„ Die Graͤfin aber, deren Seele ganz erfuͤllt war von dem Gedanken, hatte ſie ſchon am Arm gefaßt, und draͤngte ſie ungeduldig fort: die Nacht ſey dunkel und ſchwuͤl, alles ſchlafe ſchon im Schloß, es ſey eben die rechte Zeit. — So gingen ſie weiter den ſtillen Garten entlang bis an's einſamſte Ende. Un¬ terwegs ſagte die Amme: es iſt nichts Geringes, dem Freier, den ich euch zuerſt zeigen werde, muͤßt ihr den Ring vom Finger ziehn — aber laßt's euch nicht anfechten, wann er etwas bleich und wirre ſieht — den Ring druͤckt ihr an's Herz bis es blutet, dann
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daß ihr die Thraͤnen funkelnd in den ſchoͤnen Augen
ſtockten. — Nun, nun, antwortete die Alte, kein
ſchlanker Tiger verwundet ſo tief, als wenn ihr lacht
und ihnen die weißen Zaͤhnchen weiſt oder einen beim
Kuͤſſen heimlich damit beißt; keine buntgefleckte Schlange
iſt ſo ſchoͤn und ſtark, als eure Arme, wenn ihr
einen umſchlingt. — Die Graͤfin hoͤrte nur halb dar¬
auf und ſagte wie in Gedanken: darum habe ich im¬
mer in den alten Buͤchern meines Vaters geleſen, wie
Fuͤrſten und Koͤnige vor Maͤdchen knieten, und ihnen
treu und gehorſam waren bis in den Tod. — Ach,
liebe Amme, du weißt ſo viele Kuͤnſte von deinem Va¬
ter, kannſt du denn nicht machen, daß alle Maͤnner,
die mich ſehen, in Liebe entbrennen, und mir folgen
muͤſſen? — Hm, entgegnete die Amme zoͤgernd, wenn
nur — ich wuͤßte wohl —“
„ Die Graͤfin aber, deren Seele ganz erfuͤllt war
von dem Gedanken, hatte ſie ſchon am Arm gefaßt,
und draͤngte ſie ungeduldig fort: die Nacht ſey dunkel
und ſchwuͤl, alles ſchlafe ſchon im Schloß, es ſey
eben die rechte Zeit. — So gingen ſie weiter den
ſtillen Garten entlang bis an's einſamſte Ende. Un¬
terwegs ſagte die Amme: es iſt nichts Geringes, dem
Freier, den ich euch zuerſt zeigen werde, muͤßt ihr
den Ring vom Finger ziehn — aber laßt's euch nicht
anfechten, wann er etwas bleich und wirre ſieht —
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Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/134>, abgerufen am 23.11.2024.
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