alten zackigen Thürme warfen im Mondschein lange Schatten über den wüsten Schloßgarten, wo wir lagen und unsere Pferde an die verwilderten Hecken ange¬ bunden hatten. Es war alles still in der ganzen Ge¬ gend, von Zeit zu Zeit nur hörte man die Pferde schnauben und die Wachen anrufen aus der Ferne, im Walde schlugen die Nachtigallen, als gäb' es keinen Krieg in der Welt. -- Der Rittmeister, der den Zug führte, ein heiterer Gaskogner, lag rücklings auf sei¬ nen Mantel ausgestreckt, ich glaubte er schliefe, er hatte aber, wie er mir nachher sagte, an seine ferne, schöne Heimath gedacht. Auch richtete er sich gleich darauf schnell und rüstig wieder auf. Hier ist nicht Zeit zum träumen, meinte er, wir müssen auf unserer Hut sein heut' Nacht, denn das ist das Schloß der wilden Spanierin. Und als ich fragte, wer die sey, benutzte er gern die Gelegenheit, sich munter zu erhal¬ ten, und erzählte mir alles ausführlich.
"In diesem Schlosse, sagte er, wohnte ehedem ein Graf aus uraltem Stamm, der nach und nach wohl sich zu beugen verlernt haben mochte. Wenigstens soll der Graf früher den Anforderungen des alten Ho¬ fes jederzeit trotzigen Stolz entgegengesetzt haben bis zu wechselseitiger, bitterer Verstimmung; um so mehr durfte man voraussetzen, daß er der neuen Ordnung der Dinge geneigt sey. Auch fanden ihn die Unsrigen, als sie das Land überzogen, einsam auf seinem Schlosse,
alten zackigen Thuͤrme warfen im Mondſchein lange Schatten uͤber den wuͤſten Schloßgarten, wo wir lagen und unſere Pferde an die verwilderten Hecken ange¬ bunden hatten. Es war alles ſtill in der ganzen Ge¬ gend, von Zeit zu Zeit nur hoͤrte man die Pferde ſchnauben und die Wachen anrufen aus der Ferne, im Walde ſchlugen die Nachtigallen, als gaͤb' es keinen Krieg in der Welt. — Der Rittmeiſter, der den Zug fuͤhrte, ein heiterer Gaskogner, lag ruͤcklings auf ſei¬ nen Mantel ausgeſtreckt, ich glaubte er ſchliefe, er hatte aber, wie er mir nachher ſagte, an ſeine ferne, ſchoͤne Heimath gedacht. Auch richtete er ſich gleich darauf ſchnell und ruͤſtig wieder auf. Hier iſt nicht Zeit zum traͤumen, meinte er, wir muͤſſen auf unſerer Hut ſein heut' Nacht, denn das iſt das Schloß der wilden Spanierin. Und als ich fragte, wer die ſey, benutzte er gern die Gelegenheit, ſich munter zu erhal¬ ten, und erzaͤhlte mir alles ausfuͤhrlich.
„In dieſem Schloſſe, ſagte er, wohnte ehedem ein Graf aus uraltem Stamm, der nach und nach wohl ſich zu beugen verlernt haben mochte. Wenigſtens ſoll der Graf fruͤher den Anforderungen des alten Ho¬ fes jederzeit trotzigen Stolz entgegengeſetzt haben bis zu wechſelſeitiger, bitterer Verſtimmung; um ſo mehr durfte man vorausſetzen, daß er der neuen Ordnung der Dinge geneigt ſey. Auch fanden ihn die Unſrigen, als ſie das Land uͤberzogen, einſam auf ſeinem Schloſſe,
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alten zackigen Thuͤrme warfen im Mondſchein lange
Schatten uͤber den wuͤſten Schloßgarten, wo wir lagen
und unſere Pferde an die verwilderten Hecken ange¬
bunden hatten. Es war alles ſtill in der ganzen Ge¬
gend, von Zeit zu Zeit nur hoͤrte man die Pferde
ſchnauben und die Wachen anrufen aus der Ferne, im
Walde ſchlugen die Nachtigallen, als gaͤb' es keinen
Krieg in der Welt. — Der Rittmeiſter, der den Zug
fuͤhrte, ein heiterer Gaskogner, lag ruͤcklings auf ſei¬
nen Mantel ausgeſtreckt, ich glaubte er ſchliefe, er
hatte aber, wie er mir nachher ſagte, an ſeine ferne,
ſchoͤne Heimath gedacht. Auch richtete er ſich gleich
darauf ſchnell und ruͤſtig wieder auf. Hier iſt nicht
Zeit zum traͤumen, meinte er, wir muͤſſen auf unſerer
Hut ſein heut' Nacht, denn das iſt das Schloß der
wilden Spanierin. Und als ich fragte, wer die ſey,
benutzte er gern die Gelegenheit, ſich munter zu erhal¬
ten, und erzaͤhlte mir alles ausfuͤhrlich.
„In dieſem Schloſſe, ſagte er, wohnte ehedem
ein Graf aus uraltem Stamm, der nach und nach
wohl ſich zu beugen verlernt haben mochte. Wenigſtens
ſoll der Graf fruͤher den Anforderungen des alten Ho¬
fes jederzeit trotzigen Stolz entgegengeſetzt haben bis
zu wechſelſeitiger, bitterer Verſtimmung; um ſo mehr
durfte man vorausſetzen, daß er der neuen Ordnung
der Dinge geneigt ſey. Auch fanden ihn die Unſrigen,
als ſie das Land uͤberzogen, einſam auf ſeinem Schloſſe,
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Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/131>, abgerufen am 22.11.2024.
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