der sich gern bemerklich machen wollte, brachte ein Pack Noten herbei, und stellte sich geschäftig hinter den Stuhl, um die Blätter umzuschlagen. Dem Fräu¬ lein ging es aber wie der Spieluhr, roth bis an die Ohrläppchen, konnte sie keinen vernünftigen Ton her¬ vorbringen. Da warf sie plötzlich das Stutznäschen stolz in die Höh, schob die Noten zur Seite, und sang herzhaft eines von den Volksliedern, wie sie damals noch auf den Bergen im Schwange waren. Da ging, zur Verwunderung des erschrockenen Barons, auf ein¬ mal eine freudige Bewegung durch die ganze Gesell¬ schaft, man verglich sie einem Waldvöglein, sie mußte mehr und immer noch mehr solche Lieder singen. Da¬ zu kam die Neuheit der ganzen Umgebung, das heim¬ liche Gefühl der Sicherheit in der stillen Burg, wäh¬ rend draußen schon der Sturm den Regen an die Fenster peitschte. Die Fürstin fand das alterthümliche Kamin, die tiefen Fensterbogen und Erker entzückend, während der Fürst in dem einen Fenster sich nicht satt sehen konnte an dem tiefen Waldgrund unter dem Schlosse, den die Blitze von Zeit zu Zeit seltsam er¬ leuchteten, so daß der Baron, der lange dort nicht hinausgesehen, endlich selbst neugierig mit hinunter¬ blickte. So war alles in der heitersten Stimmung, als nun noch in dem Kamin ein lustiges Feuer ange¬ zündet wurde; der Prediger konnte mit seiner Gelehr¬ samkeit gar nicht aufkommen, und der Baron fand
der ſich gern bemerklich machen wollte, brachte ein Pack Noten herbei, und ſtellte ſich geſchaͤftig hinter den Stuhl, um die Blaͤtter umzuſchlagen. Dem Fraͤu¬ lein ging es aber wie der Spieluhr, roth bis an die Ohrlaͤppchen, konnte ſie keinen vernuͤnftigen Ton her¬ vorbringen. Da warf ſie ploͤtzlich das Stutznaͤschen ſtolz in die Hoͤh, ſchob die Noten zur Seite, und ſang herzhaft eines von den Volksliedern, wie ſie damals noch auf den Bergen im Schwange waren. Da ging, zur Verwunderung des erſchrockenen Barons, auf ein¬ mal eine freudige Bewegung durch die ganze Geſell¬ ſchaft, man verglich ſie einem Waldvoͤglein, ſie mußte mehr und immer noch mehr ſolche Lieder ſingen. Da¬ zu kam die Neuheit der ganzen Umgebung, das heim¬ liche Gefuͤhl der Sicherheit in der ſtillen Burg, waͤh¬ rend draußen ſchon der Sturm den Regen an die Fenſter peitſchte. Die Fuͤrſtin fand das alterthuͤmliche Kamin, die tiefen Fenſterbogen und Erker entzuͤckend, waͤhrend der Fuͤrſt in dem einen Fenſter ſich nicht ſatt ſehen konnte an dem tiefen Waldgrund unter dem Schloſſe, den die Blitze von Zeit zu Zeit ſeltſam er¬ leuchteten, ſo daß der Baron, der lange dort nicht hinausgeſehen, endlich ſelbſt neugierig mit hinunter¬ blickte. So war alles in der heiterſten Stimmung, als nun noch in dem Kamin ein luſtiges Feuer ange¬ zuͤndet wurde; der Prediger konnte mit ſeiner Gelehr¬ ſamkeit gar nicht aufkommen, und der Baron fand
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der ſich gern bemerklich machen wollte, brachte ein
Pack Noten herbei, und ſtellte ſich geſchaͤftig hinter
den Stuhl, um die Blaͤtter umzuſchlagen. Dem Fraͤu¬
lein ging es aber wie der Spieluhr, roth bis an die
Ohrlaͤppchen, konnte ſie keinen vernuͤnftigen Ton her¬
vorbringen. Da warf ſie ploͤtzlich das Stutznaͤschen
ſtolz in die Hoͤh, ſchob die Noten zur Seite, und ſang
herzhaft eines von den Volksliedern, wie ſie damals
noch auf den Bergen im Schwange waren. Da ging,
zur Verwunderung des erſchrockenen Barons, auf ein¬
mal eine freudige Bewegung durch die ganze Geſell¬
ſchaft, man verglich ſie einem Waldvoͤglein, ſie mußte
mehr und immer noch mehr ſolche Lieder ſingen. Da¬
zu kam die Neuheit der ganzen Umgebung, das heim¬
liche Gefuͤhl der Sicherheit in der ſtillen Burg, waͤh¬
rend draußen ſchon der Sturm den Regen an die
Fenſter peitſchte. Die Fuͤrſtin fand das alterthuͤmliche
Kamin, die tiefen Fenſterbogen und Erker entzuͤckend,
waͤhrend der Fuͤrſt in dem einen Fenſter ſich nicht ſatt
ſehen konnte an dem tiefen Waldgrund unter dem
Schloſſe, den die Blitze von Zeit zu Zeit ſeltſam er¬
leuchteten, ſo daß der Baron, der lange dort nicht
hinausgeſehen, endlich ſelbſt neugierig mit hinunter¬
blickte. So war alles in der heiterſten Stimmung,
als nun noch in dem Kamin ein luſtiges Feuer ange¬
zuͤndet wurde; der Prediger konnte mit ſeiner Gelehr¬
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Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/128>, abgerufen am 24.11.2024.
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