That, kein Schiffer vom Mastkorb blickt so scharf in die Ferne, als ein Landfräulein in der Meeresstille ihrer einförmigen Einsamkeit, denn kaum noch schim¬ mert' es flüchtig von dem Gipfel des gegenüber liegen¬ den Berges herüber. Das Gewitter lag schwer über dem Berge und verdunkelte schon die ganze Gegend, nur der grüne Abhang nach dem Schlosse zu war von der Abendsonne noch hell beschienen. Da sah man auf einmal Federbüsche aus dem Grün nicken, einzelne Reiter flogen über den Plan, immer mehre folgten, Jäger und Frauengestalten auf zierlichen Zeltern, wie wenn der Herbstwind farbige Blätter verstreut; der eine der Reiter schien eine Guitarre im Arm zu haben, man hörte seine Stimme durch die stille Luft bis herüber¬ schallen, andere bliesen auf dem Waldhorn dazu und schossen ihre Flinten ab; so bewegte sich der bunte Zug in der wunderbaren Beleuchtung heiter und eilig den Abhang hinunter -- das Fräulein konnte sich nicht satt seh'n daran.
Wahrhaftig, Seine Durchlaucht mit Ihrer gan¬ zen Literatur! rief der erstaunte Baron aus, indem er die Pfeife schnell weglegte. Jetzt biegen sie in den Hohlweg, es kommt alles hierher. He, Johann! mei¬ nen Hut, meine Uniform! Was das lateinische Rei¬ ter sind! Wo bleibt der Schlingel! Das wollen Jä¬ ger seyn, die Juanna, das Blitzmädel, ist noch der beste Schütz unter ihnen. -- Sie soll immer mitten
That, kein Schiffer vom Maſtkorb blickt ſo ſcharf in die Ferne, als ein Landfraͤulein in der Meeresſtille ihrer einfoͤrmigen Einſamkeit, denn kaum noch ſchim¬ mert' es fluͤchtig von dem Gipfel des gegenuͤber liegen¬ den Berges heruͤber. Das Gewitter lag ſchwer uͤber dem Berge und verdunkelte ſchon die ganze Gegend, nur der gruͤne Abhang nach dem Schloſſe zu war von der Abendſonne noch hell beſchienen. Da ſah man auf einmal Federbuͤſche aus dem Gruͤn nicken, einzelne Reiter flogen uͤber den Plan, immer mehre folgten, Jaͤger und Frauengeſtalten auf zierlichen Zeltern, wie wenn der Herbſtwind farbige Blaͤtter verſtreut; der eine der Reiter ſchien eine Guitarre im Arm zu haben, man hoͤrte ſeine Stimme durch die ſtille Luft bis heruͤber¬ ſchallen, andere blieſen auf dem Waldhorn dazu und ſchoſſen ihre Flinten ab; ſo bewegte ſich der bunte Zug in der wunderbaren Beleuchtung heiter und eilig den Abhang hinunter — das Fraͤulein konnte ſich nicht ſatt ſeh'n daran.
Wahrhaftig, Seine Durchlaucht mit Ihrer gan¬ zen Literatur! rief der erſtaunte Baron aus, indem er die Pfeife ſchnell weglegte. Jetzt biegen ſie in den Hohlweg, es kommt alles hierher. He, Johann! mei¬ nen Hut, meine Uniform! Was das lateiniſche Rei¬ ter ſind! Wo bleibt der Schlingel! Das wollen Jaͤ¬ ger ſeyn, die Juanna, das Blitzmaͤdel, iſt noch der beſte Schuͤtz unter ihnen. — Sie ſoll immer mitten
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0124"n="117"/>
That, kein Schiffer vom Maſtkorb blickt ſo ſcharf in<lb/>
die Ferne, als ein Landfraͤulein in der Meeresſtille<lb/>
ihrer einfoͤrmigen Einſamkeit, denn kaum noch ſchim¬<lb/>
mert' es fluͤchtig von dem Gipfel des gegenuͤber liegen¬<lb/>
den Berges heruͤber. Das Gewitter lag ſchwer uͤber<lb/>
dem Berge und verdunkelte ſchon die ganze Gegend,<lb/>
nur der gruͤne Abhang nach dem Schloſſe zu war von<lb/>
der Abendſonne noch hell beſchienen. Da ſah man<lb/>
auf einmal Federbuͤſche aus dem Gruͤn nicken, einzelne<lb/>
Reiter flogen uͤber den Plan, immer mehre folgten,<lb/>
Jaͤger und Frauengeſtalten auf zierlichen Zeltern, wie<lb/>
wenn der Herbſtwind farbige Blaͤtter verſtreut; der eine<lb/>
der Reiter ſchien eine Guitarre im Arm zu haben, man<lb/>
hoͤrte ſeine Stimme durch die ſtille Luft bis heruͤber¬<lb/>ſchallen, andere blieſen auf dem Waldhorn dazu und<lb/>ſchoſſen ihre Flinten ab; ſo bewegte ſich der bunte Zug<lb/>
in der wunderbaren Beleuchtung heiter und eilig den<lb/>
Abhang hinunter — das Fraͤulein konnte ſich nicht<lb/>ſatt ſeh'n daran.</p><lb/><p>Wahrhaftig, Seine Durchlaucht mit Ihrer gan¬<lb/>
zen Literatur! rief der erſtaunte Baron aus, indem er<lb/>
die Pfeife ſchnell weglegte. Jetzt biegen ſie in den<lb/>
Hohlweg, es kommt alles hierher. He, Johann! mei¬<lb/>
nen Hut, meine Uniform! Was das lateiniſche Rei¬<lb/>
ter ſind! Wo bleibt der Schlingel! Das wollen Jaͤ¬<lb/>
ger ſeyn, die Juanna, das Blitzmaͤdel, iſt noch der<lb/>
beſte Schuͤtz unter ihnen. — Sie ſoll immer mitten<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[117/0124]
That, kein Schiffer vom Maſtkorb blickt ſo ſcharf in
die Ferne, als ein Landfraͤulein in der Meeresſtille
ihrer einfoͤrmigen Einſamkeit, denn kaum noch ſchim¬
mert' es fluͤchtig von dem Gipfel des gegenuͤber liegen¬
den Berges heruͤber. Das Gewitter lag ſchwer uͤber
dem Berge und verdunkelte ſchon die ganze Gegend,
nur der gruͤne Abhang nach dem Schloſſe zu war von
der Abendſonne noch hell beſchienen. Da ſah man
auf einmal Federbuͤſche aus dem Gruͤn nicken, einzelne
Reiter flogen uͤber den Plan, immer mehre folgten,
Jaͤger und Frauengeſtalten auf zierlichen Zeltern, wie
wenn der Herbſtwind farbige Blaͤtter verſtreut; der eine
der Reiter ſchien eine Guitarre im Arm zu haben, man
hoͤrte ſeine Stimme durch die ſtille Luft bis heruͤber¬
ſchallen, andere blieſen auf dem Waldhorn dazu und
ſchoſſen ihre Flinten ab; ſo bewegte ſich der bunte Zug
in der wunderbaren Beleuchtung heiter und eilig den
Abhang hinunter — das Fraͤulein konnte ſich nicht
ſatt ſeh'n daran.
Wahrhaftig, Seine Durchlaucht mit Ihrer gan¬
zen Literatur! rief der erſtaunte Baron aus, indem er
die Pfeife ſchnell weglegte. Jetzt biegen ſie in den
Hohlweg, es kommt alles hierher. He, Johann! mei¬
nen Hut, meine Uniform! Was das lateiniſche Rei¬
ter ſind! Wo bleibt der Schlingel! Das wollen Jaͤ¬
ger ſeyn, die Juanna, das Blitzmaͤdel, iſt noch der
beſte Schuͤtz unter ihnen. — Sie ſoll immer mitten
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/124>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.