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Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834.

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schienenen Gängen weit fort, daß sie die Stimmen
der Schauspieler kaum mehr vernahmen, und Otto
erzählte nun, wie entsetzlich einsam es nun auf Hohen¬
stein geworden, nachdem Walter und Fortunat fortge¬
zogen. Er habe sich gleich nach ihrer Abreise mit red¬
lichem Ernst und Eifer ganz auf die Bücher geworfen,
nichts anderes gedichtet und getrachtet und selbst jede
Erinnerung an sein früheres Leben gewissenhaft ver¬
mieden. Aber, fuhr er fort, die Seele des Dichters
ist wie eine Nachtigall, je tiefer man ihren Käfig ver¬
hängt, je schöner schlägt sie, und ich hörte sie oft in
Träumen wunderbar klagen, aber ich hütete mich wohl,
wenn ich erwachte, dem weiter nachzuhängen. Und
wie nun so der Amtmann täglich um dieselbe Stunde
auf das Feld hinausritt und wieder zurückkehrte, und
Florentine ihre Tauben fütterte und ihre Blumen band,
und ringsum in der ländlichen Stille allmählich alles
wuchs und wuchs, als wollte das Grün die Menschen
begraben -- es war mir nicht anders, als säß' ich
viel hundert Klaftern tief im Meer und hörte die
Abendglocken meiner Heimath von weitem über mir.
So verzehrte ich mich sichtbar selbst, der gute Amt¬
mann sah mich oft insgeheim bedenklich an, die Amt¬
mannin steckte mir die besten Leckerbissen zu, sie dachte,
wenn ich nur erst fetter wäre, so würde schon alles
gut werden. -- In einer schönen Nacht aber träumte
mir von Halle, ich stand auf dem Gibichenstein, die

ſchienenen Gaͤngen weit fort, daß ſie die Stimmen
der Schauſpieler kaum mehr vernahmen, und Otto
erzaͤhlte nun, wie entſetzlich einſam es nun auf Hohen¬
ſtein geworden, nachdem Walter und Fortunat fortge¬
zogen. Er habe ſich gleich nach ihrer Abreiſe mit red¬
lichem Ernſt und Eifer ganz auf die Buͤcher geworfen,
nichts anderes gedichtet und getrachtet und ſelbſt jede
Erinnerung an ſein fruͤheres Leben gewiſſenhaft ver¬
mieden. Aber, fuhr er fort, die Seele des Dichters
iſt wie eine Nachtigall, je tiefer man ihren Kaͤfig ver¬
haͤngt, je ſchoͤner ſchlaͤgt ſie, und ich hoͤrte ſie oft in
Traͤumen wunderbar klagen, aber ich huͤtete mich wohl,
wenn ich erwachte, dem weiter nachzuhaͤngen. Und
wie nun ſo der Amtmann taͤglich um dieſelbe Stunde
auf das Feld hinausritt und wieder zuruͤckkehrte, und
Florentine ihre Tauben fuͤtterte und ihre Blumen band,
und ringsum in der laͤndlichen Stille allmaͤhlich alles
wuchs und wuchs, als wollte das Gruͤn die Menſchen
begraben — es war mir nicht anders, als ſaͤß' ich
viel hundert Klaftern tief im Meer und hoͤrte die
Abendglocken meiner Heimath von weitem uͤber mir.
So verzehrte ich mich ſichtbar ſelbſt, der gute Amt¬
mann ſah mich oft insgeheim bedenklich an, die Amt¬
mannin ſteckte mir die beſten Leckerbiſſen zu, ſie dachte,
wenn ich nur erſt fetter waͤre, ſo wuͤrde ſchon alles
gut werden. — In einer ſchoͤnen Nacht aber traͤumte
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[112/0119] ſchienenen Gaͤngen weit fort, daß ſie die Stimmen der Schauſpieler kaum mehr vernahmen, und Otto erzaͤhlte nun, wie entſetzlich einſam es nun auf Hohen¬ ſtein geworden, nachdem Walter und Fortunat fortge¬ zogen. Er habe ſich gleich nach ihrer Abreiſe mit red¬ lichem Ernſt und Eifer ganz auf die Buͤcher geworfen, nichts anderes gedichtet und getrachtet und ſelbſt jede Erinnerung an ſein fruͤheres Leben gewiſſenhaft ver¬ mieden. Aber, fuhr er fort, die Seele des Dichters iſt wie eine Nachtigall, je tiefer man ihren Kaͤfig ver¬ haͤngt, je ſchoͤner ſchlaͤgt ſie, und ich hoͤrte ſie oft in Traͤumen wunderbar klagen, aber ich huͤtete mich wohl, wenn ich erwachte, dem weiter nachzuhaͤngen. Und wie nun ſo der Amtmann taͤglich um dieſelbe Stunde auf das Feld hinausritt und wieder zuruͤckkehrte, und Florentine ihre Tauben fuͤtterte und ihre Blumen band, und ringsum in der laͤndlichen Stille allmaͤhlich alles wuchs und wuchs, als wollte das Gruͤn die Menſchen begraben — es war mir nicht anders, als ſaͤß' ich viel hundert Klaftern tief im Meer und hoͤrte die Abendglocken meiner Heimath von weitem uͤber mir. So verzehrte ich mich ſichtbar ſelbſt, der gute Amt¬ mann ſah mich oft insgeheim bedenklich an, die Amt¬ mannin ſteckte mir die beſten Leckerbiſſen zu, ſie dachte, wenn ich nur erſt fetter waͤre, ſo wuͤrde ſchon alles gut werden. — In einer ſchoͤnen Nacht aber traͤumte mir von Halle, ich ſtand auf dem Gibichenſtein, die

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Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/119>, abgerufen am 23.11.2024.