springend aus, und gab ihm einen herzhaften Kuß. Pfui! wenn er nur nicht so häßlich wäre! sagte sie dann, sich den Mund schnell abwischend.
Währenddeß hatte sich, ohne von dem Streit No¬ tiz zu nehmen, ein kurzer, runder Mann zu Fortuna¬ ten gesellt, der sich ihm als den fürstlichen Schulrath vorstellte, und in welchem er sogleich den dicken Schüz¬ zen wieder erkannte, dem sie gestern vom Felsen ge¬ holfen. Fortunat wußte gar nicht, wie ihm geschah, da der Kleine auf einmal sehr gelehrt von Poesie, Kunst und Religion zu sprechen anfing, und sich end¬ lich angelegentlichst erbot, ihn in den wenigen Augen¬ blicken der Muße, die ihm blieben, mit den mancher¬ lei Merkwürdigkeiten des Orts bekannt zu machen. Kaum hatte der kämpfende Maler Albert den Schul¬ rath erblickt, als er vornehm den Streit abbrach und sich zu ihnen wandte. -- Vortrefflich, sagte der Schul¬ rath, sich an Fortunats Arm hängend, so geleite ich Sie gleich zu einem Götter-Frühstück, womit ich mich jeden Morgen für meine Berufsgeschäfte zu stärken pflege. -- So schritten sie eilig durch einen langen Korridor zu einer schweren eichenen Thür, die Albert mit einer gewissen Feierlichkeit öffnete. Es war sein Attelier, ein hohes, ritterliches Gemach, an dessen schmuckloser Hauptwand ein großes, mit der Jahres¬ zahl 1813 bezeichnetes Schwerdt hing, um das sich ein verwelkter Eichenkranz wand. Das ist mein treuer
ſpringend aus, und gab ihm einen herzhaften Kuß. Pfui! wenn er nur nicht ſo haͤßlich waͤre! ſagte ſie dann, ſich den Mund ſchnell abwiſchend.
Waͤhrenddeß hatte ſich, ohne von dem Streit No¬ tiz zu nehmen, ein kurzer, runder Mann zu Fortuna¬ ten geſellt, der ſich ihm als den fuͤrſtlichen Schulrath vorſtellte, und in welchem er ſogleich den dicken Schuͤz¬ zen wieder erkannte, dem ſie geſtern vom Felſen ge¬ holfen. Fortunat wußte gar nicht, wie ihm geſchah, da der Kleine auf einmal ſehr gelehrt von Poeſie, Kunſt und Religion zu ſprechen anfing, und ſich end¬ lich angelegentlichſt erbot, ihn in den wenigen Augen¬ blicken der Muße, die ihm blieben, mit den mancher¬ lei Merkwuͤrdigkeiten des Orts bekannt zu machen. Kaum hatte der kaͤmpfende Maler Albert den Schul¬ rath erblickt, als er vornehm den Streit abbrach und ſich zu ihnen wandte. — Vortrefflich, ſagte der Schul¬ rath, ſich an Fortunats Arm haͤngend, ſo geleite ich Sie gleich zu einem Goͤtter-Fruͤhſtuͤck, womit ich mich jeden Morgen fuͤr meine Berufsgeſchaͤfte zu ſtaͤrken pflege. — So ſchritten ſie eilig durch einen langen Korridor zu einer ſchweren eichenen Thuͤr, die Albert mit einer gewiſſen Feierlichkeit oͤffnete. Es war ſein Attelier, ein hohes, ritterliches Gemach, an deſſen ſchmuckloſer Hauptwand ein großes, mit der Jahres¬ zahl 1813 bezeichnetes Schwerdt hing, um das ſich ein verwelkter Eichenkranz wand. Das iſt mein treuer
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0101"n="94"/>ſpringend aus, und gab ihm einen herzhaften Kuß.<lb/>
Pfui! wenn er nur nicht ſo haͤßlich waͤre! ſagte ſie<lb/>
dann, ſich den Mund ſchnell abwiſchend.</p><lb/><p>Waͤhrenddeß hatte ſich, ohne von dem Streit No¬<lb/>
tiz zu nehmen, ein kurzer, runder Mann zu Fortuna¬<lb/>
ten geſellt, der ſich ihm als den fuͤrſtlichen Schulrath<lb/>
vorſtellte, und in welchem er ſogleich den dicken Schuͤz¬<lb/>
zen wieder erkannte, dem ſie geſtern vom Felſen ge¬<lb/>
holfen. Fortunat wußte gar nicht, wie ihm geſchah,<lb/>
da der Kleine auf einmal ſehr gelehrt von Poeſie,<lb/>
Kunſt und Religion zu ſprechen anfing, und ſich end¬<lb/>
lich angelegentlichſt erbot, ihn in den wenigen Augen¬<lb/>
blicken der Muße, die ihm blieben, mit den mancher¬<lb/>
lei Merkwuͤrdigkeiten des Orts bekannt zu machen.<lb/>
Kaum hatte der kaͤmpfende Maler Albert den Schul¬<lb/>
rath erblickt, als er vornehm den Streit abbrach und<lb/>ſich zu ihnen wandte. — Vortrefflich, ſagte der Schul¬<lb/>
rath, ſich an Fortunats Arm haͤngend, ſo geleite ich<lb/>
Sie gleich zu einem Goͤtter-Fruͤhſtuͤck, womit ich mich<lb/>
jeden Morgen fuͤr meine Berufsgeſchaͤfte zu ſtaͤrken<lb/>
pflege. — So ſchritten ſie eilig durch einen langen<lb/>
Korridor zu einer ſchweren eichenen Thuͤr, die Albert<lb/>
mit einer gewiſſen Feierlichkeit oͤffnete. Es war ſein<lb/>
Attelier, ein hohes, ritterliches Gemach, an deſſen<lb/>ſchmuckloſer Hauptwand ein großes, mit der Jahres¬<lb/>
zahl 1813 bezeichnetes Schwerdt hing, um das ſich<lb/>
ein verwelkter Eichenkranz wand. Das iſt mein treuer<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[94/0101]
ſpringend aus, und gab ihm einen herzhaften Kuß.
Pfui! wenn er nur nicht ſo haͤßlich waͤre! ſagte ſie
dann, ſich den Mund ſchnell abwiſchend.
Waͤhrenddeß hatte ſich, ohne von dem Streit No¬
tiz zu nehmen, ein kurzer, runder Mann zu Fortuna¬
ten geſellt, der ſich ihm als den fuͤrſtlichen Schulrath
vorſtellte, und in welchem er ſogleich den dicken Schuͤz¬
zen wieder erkannte, dem ſie geſtern vom Felſen ge¬
holfen. Fortunat wußte gar nicht, wie ihm geſchah,
da der Kleine auf einmal ſehr gelehrt von Poeſie,
Kunſt und Religion zu ſprechen anfing, und ſich end¬
lich angelegentlichſt erbot, ihn in den wenigen Augen¬
blicken der Muße, die ihm blieben, mit den mancher¬
lei Merkwuͤrdigkeiten des Orts bekannt zu machen.
Kaum hatte der kaͤmpfende Maler Albert den Schul¬
rath erblickt, als er vornehm den Streit abbrach und
ſich zu ihnen wandte. — Vortrefflich, ſagte der Schul¬
rath, ſich an Fortunats Arm haͤngend, ſo geleite ich
Sie gleich zu einem Goͤtter-Fruͤhſtuͤck, womit ich mich
jeden Morgen fuͤr meine Berufsgeſchaͤfte zu ſtaͤrken
pflege. — So ſchritten ſie eilig durch einen langen
Korridor zu einer ſchweren eichenen Thuͤr, die Albert
mit einer gewiſſen Feierlichkeit oͤffnete. Es war ſein
Attelier, ein hohes, ritterliches Gemach, an deſſen
ſchmuckloſer Hauptwand ein großes, mit der Jahres¬
zahl 1813 bezeichnetes Schwerdt hing, um das ſich
ein verwelkter Eichenkranz wand. Das iſt mein treuer
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/101>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.