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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815.

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Und spielt mit manchem Tropfe,
Weil ich so tief betrübt.
Mir ist so dumm im Kopfe,
Als wär' ich nicht verliebt.
Ach Gott, wem soll ich trauen?
Will Sie mich nicht versteh'n,
Thun all' so fremde schauen,
Und alles muß vergeh'n.
Und alles irrt zerstreuet --
Sie ist so schön und roth --
Ich hab' nichts, was mich freuet,
Wär' ich viel lieber todt!

Rosa schlug die Augen auf, denn das Wald¬
horn erschallte in dem Thale und man hörte Leon¬
tin und die Jäger, die so eben von ihrem Streif¬
zuge zurückkehrten, im Walde rufen und schreyen.
Sie hatten gar keine Beute gemacht und waren alle
der Ruhe höchstbedürftig. Die Wirthin wurde da¬
her eiligst in Thätigkeit gesezt, um jedem sein La¬
ger anzuweisen, so gut es die Umstände zuließen.
Es wurde nun von allen Seiten Stroh herbeyge¬
schafft und in der Stube ausgebreitet, die für
Rosa, Leontin, Friedrich und Faber bestimmt
war; die übrigen soll[e]en sonst im Hause unterge¬
bracht werden. Da alles mithalf, gieng es bey den
Zubereitungen ziemlich tumultuarisch her. Besonders
aber zeigte sich die kleine Marie, welcher die Jä¬
ger tapfer zugetrunken hatten, ungewöhnlich ausge¬
lassen. Jeder behandelte sie aus Gewohnheit als
ein halberwachsenes Kind, fieng sie auf und küßte

Und ſpielt mit manchem Tropfe,
Weil ich ſo tief betrübt.
Mir iſt ſo dumm im Kopfe,
Als wär' ich nicht verliebt.
Ach Gott, wem ſoll ich trauen?
Will Sie mich nicht verſteh'n,
Thun all' ſo fremde ſchauen,
Und alles muß vergeh'n.
Und alles irrt zerſtreuet —
Sie iſt ſo ſchön und roth —
Ich hab' nichts, was mich freuet,
Wär' ich viel lieber todt!

Roſa ſchlug die Augen auf, denn das Wald¬
horn erſchallte in dem Thale und man hörte Leon¬
tin und die Jäger, die ſo eben von ihrem Streif¬
zuge zurückkehrten, im Walde rufen und ſchreyen.
Sie hatten gar keine Beute gemacht und waren alle
der Ruhe höchſtbedürftig. Die Wirthin wurde da¬
her eiligſt in Thätigkeit geſezt, um jedem ſein La¬
ger anzuweiſen, ſo gut es die Umſtände zuließen.
Es wurde nun von allen Seiten Stroh herbeyge¬
ſchafft und in der Stube ausgebreitet, die für
Roſa, Leontin, Friedrich und Faber beſtimmt
war; die übrigen ſoll[e]en ſonſt im Hauſe unterge¬
bracht werden. Da alles mithalf, gieng es bey den
Zubereitungen ziemlich tumultuariſch her. Beſonders
aber zeigte ſich die kleine Marie, welcher die Jä¬
ger tapfer zugetrunken hatten, ungewöhnlich ausge¬
laſſen. Jeder behandelte ſie aus Gewohnheit als
ein halberwachſenes Kind, fieng ſie auf und küßte

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[84/0090] Und ſpielt mit manchem Tropfe, Weil ich ſo tief betrübt. Mir iſt ſo dumm im Kopfe, Als wär' ich nicht verliebt. Ach Gott, wem ſoll ich trauen? Will Sie mich nicht verſteh'n, Thun all' ſo fremde ſchauen, Und alles muß vergeh'n. Und alles irrt zerſtreuet — Sie iſt ſo ſchön und roth — Ich hab' nichts, was mich freuet, Wär' ich viel lieber todt! Roſa ſchlug die Augen auf, denn das Wald¬ horn erſchallte in dem Thale und man hörte Leon¬ tin und die Jäger, die ſo eben von ihrem Streif¬ zuge zurückkehrten, im Walde rufen und ſchreyen. Sie hatten gar keine Beute gemacht und waren alle der Ruhe höchſtbedürftig. Die Wirthin wurde da¬ her eiligſt in Thätigkeit geſezt, um jedem ſein La¬ ger anzuweiſen, ſo gut es die Umſtände zuließen. Es wurde nun von allen Seiten Stroh herbeyge¬ ſchafft und in der Stube ausgebreitet, die für Roſa, Leontin, Friedrich und Faber beſtimmt war; die übrigen ſolleen ſonſt im Hauſe unterge¬ bracht werden. Da alles mithalf, gieng es bey den Zubereitungen ziemlich tumultuariſch her. Beſonders aber zeigte ſich die kleine Marie, welcher die Jä¬ ger tapfer zugetrunken hatten, ungewöhnlich ausge¬ laſſen. Jeder behandelte ſie aus Gewohnheit als ein halberwachſenes Kind, fieng ſie auf und küßte

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Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/90>, abgerufen am 28.11.2024.