hatte einen runden Hut mit ungeheuer breiten Krempen, der ihn, wie ein Schirm, gegen die Son¬ ne und Regen zugleich schüzen sollte. An seiner Seite hieng eine dickangeschwollene Tasche mit Schreibtafeln, Büchern und anderem Reisegeräth herab. Er war wie ein fahrender Skolaft anzusehen. Rosa ritt mitten unter ihnen ein schönes, frommes Pferd auf einem weiblichen englischen Sattel. Ein langes grünes Reitkleid, von einem goldenen Gürtel zusammengehalten, schmiegte sich an ihre vollen Glieder, ein blendendweisser Spitzkragen umschloß das schöne Köpfchen, von dem hohe Federn in die Morgenluft nickten. Zu ihrer Begleitung hatte man die kleine Marie bestimmt, die ihr als Jägerknabe folgte. Auch Erwin ritt mit und hatte die Guitar¬ re an einem himmelblauen Bande umgehangen. Hinterdrein kamen mehrere Jäger mit wohlbepackten Pferden.
Sie zogen eben über einen freyen Berggrücken weg. Die Morgensonne funkelte ihnen fröhlich ent¬ gegen. Rosa blickte Friedrich aus ihren großen Augen so frisch und freudig an, daß es ihm durch die Seele gieng. Als sie auf den Gipfel kamen, lag auf einmal ein unübersehbar weites Thal im Morgenschimmer unter ihnen. Viktoria! rief Leon¬ tin fröhlich und schwang seinen Hut. Es geht doch nichts über's Reisen, wenn man nicht dahin oder dorthin reist, sondern in die weite Welt hinein, wie es Gott gefällt! Wie uns aus Wäldern, Bergen, aus blühenden Mädchengesichtern, die von lichten Schlössern grüßen, aus Strömen und alten
hatte einen runden Hut mit ungeheuer breiten Krempen, der ihn, wie ein Schirm, gegen die Son¬ ne und Regen zugleich ſchüzen ſollte. An ſeiner Seite hieng eine dickangeſchwollene Taſche mit Schreibtafeln, Büchern und anderem Reiſegeräth herab. Er war wie ein fahrender Skolaft anzuſehen. Roſa ritt mitten unter ihnen ein ſchönes, frommes Pferd auf einem weiblichen engliſchen Sattel. Ein langes grünes Reitkleid, von einem goldenen Gürtel zuſammengehalten, ſchmiegte ſich an ihre vollen Glieder, ein blendendweiſſer Spitzkragen umſchloß das ſchöne Köpfchen, von dem hohe Federn in die Morgenluft nickten. Zu ihrer Begleitung hatte man die kleine Marie beſtimmt, die ihr als Jägerknabe folgte. Auch Erwin ritt mit und hatte die Guitar¬ re an einem himmelblauen Bande umgehangen. Hinterdrein kamen mehrere Jäger mit wohlbepackten Pferden.
Sie zogen eben über einen freyen Berggrücken weg. Die Morgenſonne funkelte ihnen fröhlich ent¬ gegen. Roſa blickte Friedrich aus ihren großen Augen ſo friſch und freudig an, daß es ihm durch die Seele gieng. Als ſie auf den Gipfel kamen, lag auf einmal ein unüberſehbar weites Thal im Morgenſchimmer unter ihnen. Viktoria! rief Leon¬ tin fröhlich und ſchwang ſeinen Hut. Es geht doch nichts über's Reiſen, wenn man nicht dahin oder dorthin reist, ſondern in die weite Welt hinein, wie es Gott gefällt! Wie uns aus Wäldern, Bergen, aus blühenden Mädchengeſichtern, die von lichten Schlöſſern grüßen, aus Strömen und alten
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hatte einen runden Hut mit ungeheuer breiten
Krempen, der ihn, wie ein Schirm, gegen die Son¬
ne und Regen zugleich ſchüzen ſollte. An ſeiner
Seite hieng eine dickangeſchwollene Taſche mit
Schreibtafeln, Büchern und anderem Reiſegeräth
herab. Er war wie ein fahrender Skolaft anzuſehen.
Roſa ritt mitten unter ihnen ein ſchönes, frommes
Pferd auf einem weiblichen engliſchen Sattel. Ein
langes grünes Reitkleid, von einem goldenen Gürtel
zuſammengehalten, ſchmiegte ſich an ihre vollen
Glieder, ein blendendweiſſer Spitzkragen umſchloß
das ſchöne Köpfchen, von dem hohe Federn in die
Morgenluft nickten. Zu ihrer Begleitung hatte man
die kleine Marie beſtimmt, die ihr als Jägerknabe
folgte. Auch Erwin ritt mit und hatte die Guitar¬
re an einem himmelblauen Bande umgehangen.
Hinterdrein kamen mehrere Jäger mit wohlbepackten
Pferden.
Sie zogen eben über einen freyen Berggrücken
weg. Die Morgenſonne funkelte ihnen fröhlich ent¬
gegen. Roſa blickte Friedrich aus ihren großen
Augen ſo friſch und freudig an, daß es ihm durch
die Seele gieng. Als ſie auf den Gipfel kamen,
lag auf einmal ein unüberſehbar weites Thal im
Morgenſchimmer unter ihnen. Viktoria! rief Leon¬
tin fröhlich und ſchwang ſeinen Hut. Es geht doch
nichts über's Reiſen, wenn man nicht dahin oder
dorthin reist, ſondern in die weite Welt hinein,
wie es Gott gefällt! Wie uns aus Wäldern,
Bergen, aus blühenden Mädchengeſichtern, die von
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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/63>, abgerufen am 25.11.2024.
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