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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815.

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sprochen hatte, gegen Abend ein und fand auf der
Wiese bey Mondenschein bereits alles in der bun¬
testen Bewegung. Die Jäger putzten singend ihre
Büchsen und Sattelzeug, andere versuchten ihre
Hörner, Faber band ganze Ballen Papier zusam¬
men, die kleine Marie sprang zwischen allen leicht¬
fertig herum.

Alle begaben sich heute etwas früher als ge¬
wöhnlich zur Ruhe. Als Friedrich eben einschlum¬
merte, hörte er draussen einige volle Akkorde auf der
Laute anschlagen. Bald darauf vernahm er Erwins
Stimme. Das Lied, das er sang, rührte ihn wun¬
derbar, denn es war eine alte, einfache Melodie,
die er in seiner Kindheit sehr oft, und seitdem nie¬
mals wieder gehört hatte. Er sprang erstaunt an's
Fenster, aber Erwin hatte so eben wieder aufgehört.
Das Licht aus Rosa's Schlafzimmer am anderen
Flügel des Schlosses war erloschen, der Wind dreh¬
te knarrend die Wetterfahne auf dem Thurme, der
Mond schien außerordentlich hell. Friedrich sah
Erwin wieder wie sonst mit der Guitarre auf der
Mauer sitzen. Bald darauf hörte er den Knaben
sprechen; eine durchaus unbekannte, männliche Stim¬
me schien ihm von Zeit zu Zeit Antwort zu geben.
Friedrich verdoppelte seine Aufmerksamkeit, aber
er konnte nichts verstehen, auch sah er niemand aus¬
ser Erwin. Nur manchmal kam es ihm vor, als
lange ein langer Arm über die Mauer herüber nach
dem Knaben. Zulezt sah er einen Schatten von
dem Knaben fort längst der Mauer hinuntergehen.
Der Schatten wuchs beym Mondenschein mit jedem

ſprochen hatte, gegen Abend ein und fand auf der
Wieſe bey Mondenſchein bereits alles in der bun¬
teſten Bewegung. Die Jäger putzten ſingend ihre
Büchſen und Sattelzeug, andere verſuchten ihre
Hörner, Faber band ganze Ballen Papier zuſam¬
men, die kleine Marie ſprang zwiſchen allen leicht¬
fertig herum.

Alle begaben ſich heute etwas früher als ge¬
wöhnlich zur Ruhe. Als Friedrich eben einſchlum¬
merte, hörte er drauſſen einige volle Akkorde auf der
Laute anſchlagen. Bald darauf vernahm er Erwins
Stimme. Das Lied, das er ſang, rührte ihn wun¬
derbar, denn es war eine alte, einfache Melodie,
die er in ſeiner Kindheit ſehr oft, und ſeitdem nie¬
mals wieder gehört hatte. Er ſprang erſtaunt an's
Fenſter, aber Erwin hatte ſo eben wieder aufgehört.
Das Licht aus Roſa's Schlafzimmer am anderen
Flügel des Schloſſes war erloſchen, der Wind dreh¬
te knarrend die Wetterfahne auf dem Thurme, der
Mond ſchien außerordentlich hell. Friedrich ſah
Erwin wieder wie ſonſt mit der Guitarre auf der
Mauer ſitzen. Bald darauf hörte er den Knaben
ſprechen; eine durchaus unbekannte, männliche Stim¬
me ſchien ihm von Zeit zu Zeit Antwort zu geben.
Friedrich verdoppelte ſeine Aufmerkſamkeit, aber
er konnte nichts verſtehen, auch ſah er niemand auſ¬
ſer Erwin. Nur manchmal kam es ihm vor, als
lange ein langer Arm über die Mauer herüber nach
dem Knaben. Zulezt ſah er einen Schatten von
dem Knaben fort längſt der Mauer hinuntergehen.
Der Schatten wuchs beym Mondenſchein mit jedem

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[55/0061] ſprochen hatte, gegen Abend ein und fand auf der Wieſe bey Mondenſchein bereits alles in der bun¬ teſten Bewegung. Die Jäger putzten ſingend ihre Büchſen und Sattelzeug, andere verſuchten ihre Hörner, Faber band ganze Ballen Papier zuſam¬ men, die kleine Marie ſprang zwiſchen allen leicht¬ fertig herum. Alle begaben ſich heute etwas früher als ge¬ wöhnlich zur Ruhe. Als Friedrich eben einſchlum¬ merte, hörte er drauſſen einige volle Akkorde auf der Laute anſchlagen. Bald darauf vernahm er Erwins Stimme. Das Lied, das er ſang, rührte ihn wun¬ derbar, denn es war eine alte, einfache Melodie, die er in ſeiner Kindheit ſehr oft, und ſeitdem nie¬ mals wieder gehört hatte. Er ſprang erſtaunt an's Fenſter, aber Erwin hatte ſo eben wieder aufgehört. Das Licht aus Roſa's Schlafzimmer am anderen Flügel des Schloſſes war erloſchen, der Wind dreh¬ te knarrend die Wetterfahne auf dem Thurme, der Mond ſchien außerordentlich hell. Friedrich ſah Erwin wieder wie ſonſt mit der Guitarre auf der Mauer ſitzen. Bald darauf hörte er den Knaben ſprechen; eine durchaus unbekannte, männliche Stim¬ me ſchien ihm von Zeit zu Zeit Antwort zu geben. Friedrich verdoppelte ſeine Aufmerkſamkeit, aber er konnte nichts verſtehen, auch ſah er niemand auſ¬ ſer Erwin. Nur manchmal kam es ihm vor, als lange ein langer Arm über die Mauer herüber nach dem Knaben. Zulezt ſah er einen Schatten von dem Knaben fort längſt der Mauer hinuntergehen. Der Schatten wuchs beym Mondenſchein mit jedem

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Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/61>, abgerufen am 25.11.2024.