sanft über die grünen Hügel wallen, wie Schäfer, die Jäger sollen die ungeschlachten Hörner zu Hause lassen und Flöte blasen. Ich will mit bloßem Hal¬ se geh'n, die Haare blond färben und ringeln, ich will zahm seyn, auf den Zehen gehen und immer mit zugespiztem Munde leise lispeln: o theuerste, schöne Seele, o mein Leben, o mein Schaf! Ihr sollt sehen, ich will mich bemühen, recht mit An¬ stand lustig zu seyn. Dem Herrn Faber wollen wir einen Strohhut mit Lillabänder auf das dicke Ge¬ sicht sezen und einen langen Stab in die Hand ge¬ ben, er soll den Zug anführen. Wir andern wer¬ den uns zuweilen zum Spaß im grünen Hayne ver¬ irren, und dann über unser hartes Trennungsloos aus unseren spaßhaften Schmerzen ernsthafte Sonet¬ te machen. -- Rosa, die von allem wieder nur ge¬ hört hatte, daß sie mitreisen dürfe, fiel hier ihrem Bruder unterbrechend um den Hals und that so schön in ihrer Freude, daß Friedrich wieder ganz mit ihr ausgesöhnt war. Es wurde nun verabre¬ det, daß sie sich noch heute Abend auf Leontins Schlosse einfinden sollen, damit sie alle Morgen frühzeitig aufbrechen könnten, und sie sprang fröh¬ lich fort, um ihre Anstalten zu treffen.
Als Friedrich und Leontin wieder nach Hause kamen, begann lezterer, der seinen gestrigen Schreck fast schon, ganz wieder vergessen zu haben schien, sogleich mit vieler Lustigkeit zusammenzurufen, Be¬ fehle auszutheilen und überall Allarm zu schlagen, um, wie er sagte, das Zigeunerleben bald von allen Seiten aufzurühren. Rosa traf, wie sie es ver¬
ſanft über die grünen Hügel wallen, wie Schäfer, die Jäger ſollen die ungeſchlachten Hörner zu Hauſe laſſen und Flöte blaſen. Ich will mit bloßem Hal¬ ſe geh'n, die Haare blond färben und ringeln, ich will zahm ſeyn, auf den Zehen gehen und immer mit zugeſpiztem Munde leiſe liſpeln: o theuerſte, ſchöne Seele, o mein Leben, o mein Schaf! Ihr ſollt ſehen, ich will mich bemühen, recht mit An¬ ſtand luſtig zu ſeyn. Dem Herrn Faber wollen wir einen Strohhut mit Lillabänder auf das dicke Ge¬ ſicht ſezen und einen langen Stab in die Hand ge¬ ben, er ſoll den Zug anführen. Wir andern wer¬ den uns zuweilen zum Spaß im grünen Hayne ver¬ irren, und dann über unſer hartes Trennungsloos aus unſeren ſpaßhaften Schmerzen ernſthafte Sonet¬ te machen. — Roſa, die von allem wieder nur ge¬ hört hatte, daß ſie mitreiſen dürfe, fiel hier ihrem Bruder unterbrechend um den Hals und that ſo ſchön in ihrer Freude, daß Friedrich wieder ganz mit ihr ausgeſöhnt war. Es wurde nun verabre¬ det, daß ſie ſich noch heute Abend auf Leontins Schloſſe einfinden ſollen, damit ſie alle Morgen frühzeitig aufbrechen könnten, und ſie ſprang fröh¬ lich fort, um ihre Anſtalten zu treffen.
Als Friedrich und Leontin wieder nach Hauſe kamen, begann lezterer, der ſeinen geſtrigen Schreck faſt ſchon, ganz wieder vergeſſen zu haben ſchien, ſogleich mit vieler Luſtigkeit zuſammenzurufen, Be¬ fehle auszutheilen und überall Allarm zu ſchlagen, um, wie er ſagte, das Zigeunerleben bald von allen Seiten aufzurühren. Roſa traf, wie ſie es ver¬
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ſanft über die grünen Hügel wallen, wie Schäfer,
die Jäger ſollen die ungeſchlachten Hörner zu Hauſe
laſſen und Flöte blaſen. Ich will mit bloßem Hal¬
ſe geh'n, die Haare blond färben und ringeln, ich
will zahm ſeyn, auf den Zehen gehen und immer
mit zugeſpiztem Munde leiſe liſpeln: o theuerſte,
ſchöne Seele, o mein Leben, o mein Schaf! Ihr
ſollt ſehen, ich will mich bemühen, recht mit An¬
ſtand luſtig zu ſeyn. Dem Herrn Faber wollen wir
einen Strohhut mit Lillabänder auf das dicke Ge¬
ſicht ſezen und einen langen Stab in die Hand ge¬
ben, er ſoll den Zug anführen. Wir andern wer¬
den uns zuweilen zum Spaß im grünen Hayne ver¬
irren, und dann über unſer hartes Trennungsloos
aus unſeren ſpaßhaften Schmerzen ernſthafte Sonet¬
te machen. — Roſa, die von allem wieder nur ge¬
hört hatte, daß ſie mitreiſen dürfe, fiel hier ihrem
Bruder unterbrechend um den Hals und that ſo
ſchön in ihrer Freude, daß Friedrich wieder ganz
mit ihr ausgeſöhnt war. Es wurde nun verabre¬
det, daß ſie ſich noch heute Abend auf Leontins
Schloſſe einfinden ſollen, damit ſie alle Morgen
frühzeitig aufbrechen könnten, und ſie ſprang fröh¬
lich fort, um ihre Anſtalten zu treffen.
Als Friedrich und Leontin wieder nach Hauſe
kamen, begann lezterer, der ſeinen geſtrigen Schreck
faſt ſchon, ganz wieder vergeſſen zu haben ſchien,
ſogleich mit vieler Luſtigkeit zuſammenzurufen, Be¬
fehle auszutheilen und überall Allarm zu ſchlagen,
um, wie er ſagte, das Zigeunerleben bald von allen
Seiten aufzurühren. Roſa traf, wie ſie es ver¬
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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/60>, abgerufen am 25.11.2024.
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