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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815.

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Wo find'st Du Deinen alten Garten,
Dein Spielzeug, wunderbares Kind,
Der Sterne heil'ge Redensarten,
Das Morgenroth, den frischen Wind?
Wie hat die Sonne schön geschienen!
Nun ist so alt und schwach die Zeit,
Wie stehst so jung Du unter ihnen,
Wie wird mein Herz mir stark und weit!
Der Dichter kann nicht mit verarmen;
Wenn alles um ihn her zerfällt,
Hebt ihn ein göttliches Erbarmen,
Der Dichter ist das Herz der Welt.
Den blöden Willen aller Wesen,
Im Irdischen des Herren Spur,
Soll er durch Liebeskraft erlösen,
Der schöne Liebling der Natur.
D'rum hat ihm Gott das Wort gegeben,
Das kühn das Dunkelste benennt,
Den frommen Ernst im reichen Leben,
Die Freudigkeit, die keiner kennt.
Da soll er singen frey auf Erden,
In Lust und Noth auf Gott vertrau'n,
Daß alle Herzen freyer werden,
Erathmend in die Klänge schau'n.
Der Ehre sey er recht zum Horte,
Der Schande leucht' er ins Gesicht!
Viel Wunderkraft ist in dem Worte,
Das hell aus reinem Herzen bricht.
Wo find'ſt Du Deinen alten Garten,
Dein Spielzeug, wunderbares Kind,
Der Sterne heil'ge Redensarten,
Das Morgenroth, den friſchen Wind?
Wie hat die Sonne ſchön geſchienen!
Nun iſt ſo alt und ſchwach die Zeit,
Wie ſtehſt ſo jung Du unter ihnen,
Wie wird mein Herz mir ſtark und weit!
Der Dichter kann nicht mit verarmen;
Wenn alles um ihn her zerfällt,
Hebt ihn ein göttliches Erbarmen,
Der Dichter iſt das Herz der Welt.
Den blöden Willen aller Weſen,
Im Irdiſchen des Herren Spur,
Soll er durch Liebeskraft erlöſen,
Der ſchöne Liebling der Natur.
D'rum hat ihm Gott das Wort gegeben,
Das kühn das Dunkelſte benennt,
Den frommen Ernſt im reichen Leben,
Die Freudigkeit, die keiner kennt.
Da ſoll er ſingen frey auf Erden,
In Luſt und Noth auf Gott vertrau'n,
Daß alle Herzen freyer werden,
Erathmend in die Klänge ſchau'n.
Der Ehre ſey er recht zum Horte,
Der Schande leucht' er ins Geſicht!
Viel Wunderkraft iſt in dem Worte,
Das hell aus reinem Herzen bricht.
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[468/0474] Wo find'ſt Du Deinen alten Garten, Dein Spielzeug, wunderbares Kind, Der Sterne heil'ge Redensarten, Das Morgenroth, den friſchen Wind? Wie hat die Sonne ſchön geſchienen! Nun iſt ſo alt und ſchwach die Zeit, Wie ſtehſt ſo jung Du unter ihnen, Wie wird mein Herz mir ſtark und weit! Der Dichter kann nicht mit verarmen; Wenn alles um ihn her zerfällt, Hebt ihn ein göttliches Erbarmen, Der Dichter iſt das Herz der Welt. Den blöden Willen aller Weſen, Im Irdiſchen des Herren Spur, Soll er durch Liebeskraft erlöſen, Der ſchöne Liebling der Natur. D'rum hat ihm Gott das Wort gegeben, Das kühn das Dunkelſte benennt, Den frommen Ernſt im reichen Leben, Die Freudigkeit, die keiner kennt. Da ſoll er ſingen frey auf Erden, In Luſt und Noth auf Gott vertrau'n, Daß alle Herzen freyer werden, Erathmend in die Klänge ſchau'n. Der Ehre ſey er recht zum Horte, Der Schande leucht' er ins Geſicht! Viel Wunderkraft iſt in dem Worte, Das hell aus reinem Herzen bricht.

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Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 468. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/474>, abgerufen am 26.11.2024.